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Parteienlandschaft im modernen Staat Israel

Die israelische Parteienlandschaft ist komplex. Ihre Entstehung ist eng mit den unterschiedlichen zionistischen Lagern und ihren Ideologien verknüpft. Eine kommentierende Analyse
Von Gundula Madeleine Tegtmeyer

Israel ist eine parlamentarische Demokratie. Die Staatsorgane sind nach den Grundsätzen der Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative voneinander getrennt. Die Institutionen sind das Präsidentenamt, die Knesset (Einkammerparlament), die Regierung (Kabinett), die Judikative und der Ombudsmann, der Staatsprüfer. An der Spitze der Judikative steht das Oberste Gericht in Jerusalem.

Die Geschichte des Zionismus ist geprägt von starken ideologischen Differenzen, die sich bis heute in der Parteienlandschaft Israels widerspiegeln. Ein historischer Exkurs soll Orientierung in die Komplexität bringen.

Theodor Herzl gilt als Vater des politischen Zionismus, das Urheberecht auf den Begriff besitzt er nicht. Bereits im Jahr 1890 gebrauchte der österreichisch-jüdische Publizist Nathan Birnbaum erstmals die Begriffe „Zionist“ und „Zionismus“.

Zwei Jahre später schuf Birnbaum zudem den Begriff des „politischen Zionismus“. Sein Werk „Die Nationale Wiedergeburt des Jüdischen Volkes in seinem Lande als Mittel zur Lösung der Judenfrage“ spielte eine maßgebliche Rolle auf dem ersten Zionistischen Kongress, der am 29. August 1897 in Basel begann. Jüdische Delegierte beschlossen die Schaffung eines „Judenstaates“ in Palästina, zu dem Zeitpunkt Bestandteil des Osmanischen Reichs.

Juden als Nation

Herzl sprach auf der Versammlung von seiner Vision, dass die Juden einen selbständigen Staat in der „Familie der Nationen“ erlangen müssten. Religion spielte für den Journalisten bei seinem Bestreben nicht die wichtigste definierende Rolle. Vielmehr betrachtete er die Juden als eine Nation einer historischen und ethnischen Einheit. Herzl und sein treuer Weggefährte Max Nordau propagierten in Basel den politischen Zionismus als Weg, vermutlich auch, um die Zustimmung der etablierten politischen Kräfte zu erhalten, die die Region des Nahen Ostens kontrollierten. Herzls diplomatischen Ansatz teilten nicht alle.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Herzls Grabstein in Jerusalem

Ascher Zvi Hirsch Ginsberg, besser bekannt als „Achad HaAm“ („einer aus dem Volk“), hatte starke Zweifel, ob Herzls diplomatische Bemühungen erfolgreich sein würden. Zu dieser Einschätzung war er nach zwei Palästinareisen 1891 und 1893 gelangt. Er beschuldigte Theodor Herzl und Max Nordau, jüdische Werte zu vernachlässigen.

Als Hauptvertreter des sogenannten Kulturzionismus, der Lehre vom „geistig-kulturellen jüdischen Zentrum“ in Palästina, setzte Achad HaAm seine Hoffnung auf Erziehung, fokussiert auf jüdischer Ethik und Werten. Er war überzeugt, nur diese könnten die „jüdische Krise“ lösen und zugleich in der jüdischen Diaspora als Bollwerk gegen die Gefahr der Assimilierung wirken. Folglich habe Zion als geistig-kulturelles Zentrum Vorrang vor dem politisch-wirtschaftlichen Aufbau und einer jüdischen Staatsgründung in Palästina.

Chaim Weizmann gelang es, die beiden zionistischen Fraktionen wieder zusammenzuführen. Er war Präsident der Zionistischen Weltorganisation und wurde später erster israelischer Staatspräsident.

Mittel für Jüdischen Nationalfonds beschaffen

Leon Mozkin, Nahum Sokolov und Weizmann waren Repräsentanten des sogenannten „Synthetischen Zionismus“. Dieser hatte sich 1907 während des achten zionistischen Kongresses in Den Haag aus einer Synthese von politischem, praktischem und kulturellem Zionismus herausgebildet. Vorrangige Ziele waren die Intensivierung der zionistischen Aktivitäten, auch in der Diaspora, sowie die Beschaffung von ausreichend finanziellen Mitteln für den Jüdischen Nationalfonds (JNF), hebräisch: Keren Kajemet LeIsrael (KKL).

Kennzeichnend für die Vorgehensweise zur Umsetzung der ehrgeizigen Ziele waren politischer Realismus, Pragmatismus sowie große Flexibilität, im Bestreben mit Partnern bezüglich der zionistischen Idee auf einen Nenner zu kommen. Vom zehnten Jüdischen Kongress an, er tagte vom 9. bis zum 15. August 1911 in Basel, war der „synthetische Zionismus“ dominierend.

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Unter den Teilnehmern am ersten Zionistischen Kongress war auch Rabbiner Schmuel Moghilever. Aufmerksam hatte er Herzls Ausführungen verfolgt. Doch was dieser propagierte, konnte den jüdischen Gelehrten nicht überzeugen. Sein Fazit: Viel Diplomatie und zu wenig Religion. Als spirituellen Gegenentwurf initiierte Moghilever, gemeinsam mit den Rabbinern Jehuda Schlomo Alkali und Zvi Jehuda Kalischer, den „religiösen Zionismus“.

Im Jahr 1900 wurde in London auf dem vierten Jüdischen Kongress unter den verschiedenen Fraktionen lebhaft der kulturelle Führungsanspruch diskutiert. Die religiösen Zionisten, angeführt von Rabbiner Jizchak Jakob Reines, verband die Überzeugung, dass die Rückkehr des jüdischen Volkes in das Land Israel das ersehnte „erlösende, messianische Zeitalter“ herbeiführe.

Kulturelle Aktivitäten

Zwei Jahre später, 1902, entschied der fünfte Zionistische Kongress, dass kulturelle Aktivitäten Teil des zionistischen Programms seien, woraufhin Reines und Se‘ev Javez noch im selben Jahr in Vilnius die religiöse Misrachi-Organisation gründeten. Das hebräische Akronym steht für merkaz ruhani (Spirituelles Zentrum).

Das Credo lautet: Die Gründung des Staates Israel ist eine religiöse Pflicht, abgeleitet von der Tora. Israel wird erst nach dem Erscheinen des Messias erlöst werden. Der Misrachi-Slogan lautet: „Das Land Israel für das Volk Israel gemäß der Tora Israels.“

Hauptideologe dieses modernen religiösen Zionismus in Palästina war der aschkenasische Rabbiner Abraham Isaak Kook. Er war der Überzeugung: Die säkularen, unreligiösen Zionisten würden unwissentlich und unwillentlich mit ihrer Besiedlung des Landes G´ttes großen Erlösungs-Plan für das jüdische Volk erfüllen.

Anhänger dieser Erlösungsideologie gelten im politischen Spektrum Israels als religiöse Nationalisten und Unterstützer von „Groß-Israel“, somit für das in der Jebräischen Bibel von G`tt den Juden verheißene Land, dessen Ausdehnungen jedoch mehrfach unterschiedlich beschrieben werden. Kook gilt als geistiger Vater des modernen religiösen Zionismus.

Aktiv für die Balfour-Deklaration

Chaim Weizmann und Rabbiner Avraham Kook waren tief in die Aktivitäten involviert, die letztendlich zur Balfour-Deklaration von 1917 geführt hatten. Namensgeber war der damalige britische Außenminister Arthur James Balfour. In der Deklaration erklärte sich Großbritannien einverstanden mit dem 1897 festgelegten Ziel des Zionismus, in Palästina eine „nationale Heimstätte“ des jüdischen Volkes zu errichten.

Midrachi ist die älteste religiöse Partei in Israel von der sich 1922 die zionistisch–orthodoxe Arbeiterpartei „HaPoel HaMisrachi“ (Arbeiter des Misrachi) abspaltete. Sie gilt als eine Vorgängerin der National-Religiösen Partei. Ihr Slogan ist „Tora vaAvoda“ (Tora und Arbeit), und sie wird als Unterstützerin der Gründung von Kibbuzim und Moschavim betrachtet.

Praktischer Zionismus

Auch den Arzt und Journalisten Leon Pinsker trieb die Zukunft des jüdischen Volkes um. Er konnte sich nicht mit der, wie er es nannte, „demütigenden Ergebenheit abfinden, mit der sein Volk, die Juden, Demütigungen hinnimmt“. 

In seinem Werk „Autoemanzipation“ appelliert Pinsker eindringlich an die Juden zur „Wiederherstellung der nationalen Ehre und die Wiedergeburt des Gefühls der Eigenwürde in uns“. Als ideologischer Anhänger des sogenannten „praktischen beziehungsweise Arbeits-Zionismus“, waren auch Menachem Ussischkin und Mosche Leib Lilienblum davon überzeugt, dass die Juden das Land besiedeln müssten, um Tatsachen zu schaffen.

Arthur Ruppin, er war maßgeblich in die zweite Alia (Einwanderungswelle) involviert, eröffnete 1908 in Jaffa das „Palästina.Büro“. Seine Landkäufe prägten die Zukunft der zionistischen Siedlungen und mit ihnen den Charakter des jüdischen Staates. Ruppin ist einer der Gründerväter von Tel Aviv.

Das Credo des „praktischen Zionismus“ lautete: „Erlösung durch Arbeit“. Anhänger dieser Theorie wurden zur Hauptströmung im „sozialistischen Zionismus“, dessen geistiger Vater Moses Hess (1812–1875) mit seinem Werk „Rom und Jerusalem: Die letzte Nationalitätenfrage“ war. Der Vorkämpfer des Sozialismus und zugleich des Zionismus war eng mit Karl Marx befreundet. Seine letzte Ruhe fand Moses Hess auf dem Kinneret-Friedhof beim Kibbuz Degania.

Auf seinem Grabstein steht: „Moses Hess. Autor von Rom und Jerusalem. Einer der Väter des Weltsozialismus und Vorbote des Staates Israel“. Ein Merkmal des sozialistischen Zionismus ist das Bestreben nach einer bäuerlich geprägten Gesellschaft in Palästina. Im sozialistischen Zionismus liegen die Wurzeln vieler Siedlungs-Bewegungen.

Sozialistischer Zionismus als „Erlösung“

Vor dem dritten Zionistischen Kongress 1899 in Basel deklarierte Nahman Syrkin den  „Sozialistischen Zionismus“ als jüdische „Erlösung“ in seiner Verschmelzung von sozialistischen und kommunistischen Ideen gekoppelt mit der zionistischen Idee des Jüdischem Nationalismus. Auch Dov Ber Borochov betrachtete den Zionismus als eine historisch-wirtschaftliche Notwendigkeit für die Juden, die Vorreiterrolle der jüdisch-nationalen Befreiung sei dem jüdischen Proletariat vorbehalten.

Viele Einwanderer der zweiten (1904–1914) und dritten Alija (1919–1923) waren sozialistische Zionisten. 1933 war Chaim Arlosoroff nach Nazi-Deutschland gereist, um mit der deutschen Regierung über das „HaAvara-Abkommen“ (Transfer-Abkommen) zu verhandeln.

Arlosoroff stieß mit seiner Vorgehensweise bei vielen Juden auf Unverständnis und Ablehnung. Nur zwei Tage nach seiner Rückkehr nach Palästina wurde er am 16. Juni 1933 in Tel Aviv ermordet. Ob es ein krimineller Akt oder ein politischer Mord war, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden.

Zum Sozialismus bekannte sich auch Berl Katznelson, der Mitbegründer von „Maschbir“, einer israelischen Kaufhauskette, und „Kuppat Holim Me’uhedet“, Israels drittgrößter Organisation für Krankenversicherung und medizinische Dienstleistungen. Weitere Vertreter sind der zweite israelische Staatspräsident Jizchak Ben Zvi und der erste Premierminister Israels, David Ben-Gurion.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Unterschriften auf der israelischen Unabhängigkeitserklärung von 1948

Ben-Gurion war Mitglied der Mapai, Akronym für „Mifleget Poalei Eretz Jsrael“ (Partei der Arbeiter des Landes Israel). Mapai wurde in den 1930er Jahren als moderate Splittergruppe der marxistisch-zionistisch russischen Partei „Poalei Zion“, der „Arbeiter Zions“, gegründet. Unter Ben-Gurions Führung wurde die Mapai die führende Partei im israelischen Parlament.

Gründung der Arbeitspartei

Aus Protest wegen des Umgangs seiner Partei mit Pinchas Lavon während der Lavon-Spionage-Affäre verließ Ben-Gurion Mapai. Er gründete 1965 eine neue Partei, Rafi. Das ist einAkronym für Reschimat Poalei Jisrael, die „Israelische Arbeiterleiste“.

Drei Jahre später vereinigte sich Mapai mit Rafi und Achdut HaAvoda/Poalei Zion zur Arbeitspartei Avoda. Bis 1977 gehörten alle Premierminister der Mapai beziehungsweise der Awoda an. Größter Gegenspieler der Arbeitspartei war Menachem Begins rechtskonservative Partei Cherut (Freiheit).

Eine Außenseiterrolle unter den zionistischen Bewegungen kommt den sogenannten „Territorialisten“ zu. Nahman Syrkin unterstützte die sozialistische Zionismus-Version. Angeführt von Israel Zangwill, spaltete sich die kleine Gruppe nach dem siebten Zionistischen Kongress im Jahr 1905 ab und gründete die „Jüdische Gebiets-Organisation“.

Ihre Zielsetzung war die Schaffung eines ausreichend großen und dichten jüdischen Gebietes, nicht notwendigerweise im Land Israel und auch nicht notwendigerweise vollständig autonom. Die Balfour-Deklaration von 1917 und die daraus resultierende zionistische Erweckung negierte die Bewegung, was zu ihrer Auflösung führte.

Abspaltung der Revisionisten

Chaim Weizmanns moderate Haltung und Politik gegenüber den Briten stieß bei einigen Zionisten zunehmend auf Kritik. Es kam erneut zu einem Bruch innerhalb der zionistischen Reihen: 1925 spalteten sich die sogenannten Revisionisten, angeführt von Se‘ev Jabotinsky und dem späteren Nachfolger Menachem Begin, ab.

Die Revisionisten betonten das historische Erbe des jüdischen Volkes im Land Israel als konstituierende Basis für das zionistische nationale Konzept. Als Befürworter des wirtschaftlichen Liberalismus waren sie auch entschiedene Gegner des sogenannten „Arbeits-Zionismus“ und der Gründung einer kommunistischen Gesellschaft. Gegen Araber, die jüdische Gemeinden angegriffen hatten, unterstützten die Revisionisten harte militärische Aktionen.

Weitere Radikalisierung

Eine Gruppe von Mitgliedern, unter ihnen Menachem Begin, radikalisierte sich weiter und gründete 1943 die Irgun Zva‘i Le‘umi, die „Nationale Militärorganisation“, im Ausland oft Irgun, in Israel Ezel genannt. Eine weitere Abspaltung, die Lechi-Gruppe, rekrutierte sich aus den Kreisen der Revisionisten. Der Name ist ein Akronym für Lochamei Cherut Jisrael, die „Freiheitskämpfer für Israel“.

Nach der Staatsgründung fusionierte die Zionistische Organisation der Revisionisten mit der von Ezel gegründeten Cherut-Bewegung, angeführt von Begin, der zugleich auch Etzel-Kommandeur war. Gemeinsam bildeten sie die Cherut-Partei, die „Freiheits-Partei“, einen Bestandteil des 1973 von Menachem Begin gegründeten Likud. Der Parteiname Likud bedeutet sinngemäß „Zusammenschluss“, und stimmt weitgehend mit den Werten des Revisionisten Jabotinskys überein.

Jabotinsky war ein Vertreter des Liberalismus des 19. Jahrhunderts. Er trat für einen Zionismus ein, der soziale und Klassenunterschiede beiseite ließ und sich auf die Schaffung eines jüdischen Staates konzentrierte, den alle Juden ihr Zuhause nennen konnten. Er übte einen tiefgreifenden Einfluss auf die jüdische Jugend aus, indem er sie ermutigte, ihre Ghetto-Mentalität hinter sich zu lassen und stolz auf ihr reiches jüdisches Erbe zu sein.

Seine Ideologie verbreitete er über die von ihm gegründete Jugendbewegung Betar, auch Beitar. Der Name bezieht sich sowohl auf Betar (Festung), die letzte jüdische Festung, die im Bar-Kochba-Aufstand 135 nach der Zeitrechnung fiel, als auch auf die abgeänderte Abkürzung des hebräischen Namens der Organisation: „B erit Tr umpeldor“ oder „B rit J osef Tr umpeldor“, benannt nach Joseph Trumpeldor.

Dieser zionistische Aktivist half, das Zion-Maultier-Corps zu organisieren und jüdische Einwanderer nach Palästina zu bringen. Trumpeldor starb 1920 bei der Verteidigung der Siedlung Tel Hai und wurde zum jüdischen Nationalhelden. 1977 löste der Likud nach gut 30 Jahren in der Opposition erstmalig die sozialistische Avoda in der Regierung ab.

Ben-Gurion gegen Umbettung Jabotinskys

Die Revisionisten werden als Unterstützer von „Groß-Israel“ kategorisiert, einem jüdischen Staat beiderseits des Jordan-Flusses. Begin diente von 1977 bis 1983 als siebter Premierminister. Jabotinsky wurde gemäß einer Klausel seines Testaments auf dem New Montefiore Cemetery in Farmingdale, New York, beigesetzt. Ben-Gurion weigerte sich, eine Umbettung Jabotinskys nach Israel zuzulassen.

Der „revolutionäre Zionismus“, angeführt von Avraham Stern, Israel Eldad und Uri Zvi Greenberg, wird oft ideologisch den Revisionisten zugerechnet. Er unterscheidet sich aber in wesentlichen Punkten. Denn im Gegensatz zu den überwiegend säkular nationalen Revisionisten, betrachtet diese Strömung den Zionismus lediglich als Mittel zum Zweck, um das eigentliche Ziel erreichen zu können: Malchut Jisrael, das „Königreich Israel“ inklusive eines wieder errichteten Tempels. Die Bewegung Cherut Zion gilt als Unterstützerin von „Groß-Israel“.

In der heutigen Parteienlandschaft Israels stehen sich hauptsächlich folgende Blöcke gegenüber: Der national-konservative Likud-Block und kleinere rechtsnationale Parteien, die sozialdemokratische Arbeitspartei und der linke Meretz-Block sowie die religiösen Parteien, von denen die „Agudat Israel“ (Vereinigung Israels) 1912 von streng orthodoxen deutschen Juden als anti-zionistische Partei gegründet worden war. Die National-Religiöse Partei bildet traditionell den religiösen Flügel der zionistischen Bewegung und war bis 1977 die Verbündete der Mapai und der Arbeitspartei.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Kunst von Marc Chagall in der Knesset – auch mit religiösen Elementen

1999 gründete Avigdor Lieberman Israel Beiteinu (Israel ist unser Zuhause). Die Partei beschreibt sich selbst als „eine nationale Bewegung mit der klaren Vision, dem kühnen Weg von Se‘ev Jabotinsky zu folgen“, somit dem Begründer des Revisionistischen Zionismus. Sie vertritt in erster Linie Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion.

Neue Parteien

Achrajut Leumit war eine Abspaltung vom Likud, später umbenannt in Kadima (Vorwärts). Sie wurde 2005 von Ariel Scharon und Zippi Livni gegründet. Kadima sah sich als liberale Partei in der Mitte des israelischen Parteienspektrums und stand damit politisch zwischen dem Likud und der Avoda. Trotz zweier Regierungsbeteiligungen löste sie sich nach parteiinternen Konflikten 2015 auf. Die liberale HaTnua (Die Bewegung) ist eine Abspaltung von Kadima.

Jesch Atid (Es gibt eine Zukunft) ist eine liberale und zentristische Partei in Israel. Gegründet hat sie im April 2012 der frühere TV-Journalist Jair Lapid. Sein Vater war der frühere Schinui-Politiker und israelische Justizminister Josef „Tommy“ Lapid. Schinui ist hebräisch für „Wechsel“ oder auch „Wandel“. Die Partei strebt eine „Zwei-Staaten-Lösung“ an, mit einem entmilitarisierten palästinensischen Staat neben einem jüdischen Staat Israel. Die Siedlungsblöcke sollen Teil von Israel bleiben, ein Rückkehrrecht für die Palästinenser wird nicht anerkannt, Jerusalem soll vereinte Hauptstadt Israels bleiben.

Jamina, auch Jemina (nach rechts) ist der Name einer Fraktion in der Knesset. Es war von 2019 bis Anfang 2021 ein Parteienbündnis aus der nationalkonservativen Partei HaJamin HaChadash (die Neue Rechte) und der Union der rechten Parteien, bestehend aus den national-religiösen Parteien HaBait haJehudi (Jüdisches Haus)und Ha-Ichud HaLeʾumi (Nationale Union).

Von ihrer Gründung durch Abspaltung von der National-Religiösen Partei Mafdal hieß das Bündnis Tkuma, hebräisch für „Wiedergeburt“. Ihr Vorsitzender war seit Januar 2019 das Knesset Mitglied Bezalel Smotritsch, seit 2023 Vorsitzender der rechts-religiösen Partei Mafdal-HaTzionut HaDadit (National-Religiöse Partei – Religiöser Zionismus). Er ist derzeit Finanzminister.

Das Bündnis wurde nach den Parlamentswahlen im September 2019 aufgelöst. Zu den Wahlen im Jahr 2020 formierte sich Jamina erneutund bildete eine gemeinsame Knesset-Fraktion. Im Mai 2020 verließ HaBait haJehudi, im Januar 2021 auch Tkuma die Jamina-Fraktion, sodass diese nach den Parlamentswahlen 2021 nur noch aus Abgeordneten der Partei HaJamin HaChadasch bestand. Naftali Bennett war von 2018 bis 2022 Vorsitzender der Partei „Neue Rechte“, nachdem er zuvor von 2012 bis 2018 die Partei „Jüdisches Haus“ geführt hatte.

Schass als „Königsmacher“

Regierungen in Israel sind immer wieder auf religiöse Parteien als Koalitionspartner angewiesen. Als stärkste religiöse Kraft profilierte sich die im Jahr 1984 von der Agudat Israel abgespaltene Schass-Partei, gegründet vom 2013 verstorbenen ultra-orthodoxen Rabbiner Ovadia Josef. Der Name Schass steht für „Sephardische Torah-Wächter“. Ovadia Josef galt in der israelischen Politik als sogenannter „Königmacher“. Einer seiner prägnanten Wahlkampf-Slogans lautete. „Keder, der Schass wählt, erhält einen Platz im Garten Eden!“

Aktuelle Regierung ist seit 29. Dezember 2022 das Kabinett Benjamin Netanjahu, das das seit Juni 2021 amtierende Kabinett Bennett-Lapid abgelöst hat. Die aktuelle Regierung in Israel steht politisch so weit rechts wie keine andere vor ihr.

Die Koalitionäre bestehen aus dem Likud, den beiden Par­teien der oft „ultra-orthodox“ genannten Haredim, Schass und Vereinigtes Tora-Judentum (UTJ) sowie dem radikalen Parteienbünd­nis Religiöser Zionismus, das sich aus der namensgebenden Partei, Ozma Jehudit und der Kleinstpartei Noam zusammensetzt. Alle Parteien entstammen dem rech­ten Lager.

Ozma Jehudit (Jüdische Stärke) und zuvor Ozma LeJisrael (Stärke für Israel)ist eine religiöse, ultranationalistische und antiarabische Partei, die am 13. November 2012 von Arie Eldad und dem Kahanisten Michael Ben-Ari gegründet wurde. Sie hatten die Nationale Union verlassen, um eine neue Partei für die Wahlen zur 19. Knesset zu gründen. Ozma LeJisra’el ist in Teilen der ideologische Nachfahre der verbotenen Kach-Partei.

Nachdem zwei Parteien die Nationale Union verlassen hatten, vereinten sich Eldads Partei HaTikva (die Hoffnung) und Michael Ben-Aris Chasit Jehudit Le‘umi (Jüdische Nationale Front) zu einer gemeinsamen Partei. Vorsitzender ist Itamar Ben-Gvir.

Kahanismus als eine Wurzel

Der Kahanismus ist eine Richtung des religiösen Zionismus. Er basiert auf den Ansichten des orthodoxen Rabbiners und Politikers Meir Kahane, des Gründers der „Jewish Defense League“ und der Kach-Partei, die Ultranationalismus mit religiösem Fundamentalismus, Rassismus und Gojimfeindlichkeit mischt. Goj istein jiddischer Ausdruck für Nichtjuden und im Deutschen mit abfälliger Konnotation.

Zudem rechtfertigt sie Gewalt. Kahanes Weltanschauung ist vom revisionistischen Zionismus Jabotinskys geprägt, der oft zu Gast in Kahanes Elternhaus gewesen war. Meir Kahane war in seiner Jugend aktives Mitglied der von Jabotinsky gegründeten Betar-Jugend, die als Vorläufer der israelischen Parteien Cherut und Likud betrachtet werden kann. Den Parteivorsitz hat Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir.

Noam, hebräisch für „Gefälligkeit“, gemeint ist „G´ttgefälligkeit‘, ist eine politisch weit rechts stehende, orthodox-jüdische, religiös-zionistische Partei in Israel. Sie wurde  2019 von einer sehr konservativen Strömung innerhalb der religiös-zionistischen Bewegung gegründet. Vorsitzender der Partei ist Rabbiner Dror Arje. Geistlicher Führer ist Rabbi Zvi Thau, der Gründer und Leiter der Har-Hamor-Jeschiva in Jerusalem. Noam war für die Parlamentswahlen im September 2019 zugelassen. Ihr aggressiver Wahlkampf gegen LGBT stieß landesweit auf Kritik, Noam zog die Konsequenz und gab zwei Tage vor der Abstimmung bekannt, nicht anzutreten.

Israelische Medien brachten den Anstieg der Anzahl der gemeldeten Fälle von Hassreden und Gewalt gegen die LGBT-Gemeinschaft auch mit dem Wahlkampf der Noam-Partei unter dem umstrittenen Motto „Israel entscheidet sich dafür, normal zu sein“ in Verbindung.

Jüdische Identität stärken

Bei den Wahlen 2011 hatte Noam als Teil einer „Religiöser Zionismus“ genannten Listenverbindung einen Sitz in der Knesset gewonnen. Noam tritt ein für die Stärkung der jüdisch-religiösen Identität des Staates Israel, die Ausweitung jüdisch-religiöser Erziehung auch an staatlichen Schulen, eine strengere Einhaltung der Schabbat-Ruhe und den Schutz der „traditionellen Ehe und Familie“. Noam ist entschieden gegen die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe.

Zusammenfassend kann festgehalten werden: In Israel erfolgt die parteipolitische Einordnung in „links“ und „rechts“ entlang der Achsen gegensätzlicher Auffassungen zur Identität des Staates und zum Konflikt mit den Paläs­tinensern; die sozioökonomische Dimension spielt in der israelischen Politik eine nachgeordnete Rolle.

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6 Antworten

  1. Danke für den Bericht. Das sind sehr vielfältige interessante Entwicklungen in Israel. An Kadima, die 1915 ja wieder aufgelöst wurde, kann ich mich auch noch erinnern, wegen der Regierung von Zippi Livni.
    Außenstehenden wird es schwer fallen, sich im Israelischen Parteiendschungel zurecht zu finden…

    4
    1. Diktaturen sind immer einfacher als Demokratien. Sie zerfallen aber irgendwann eben deshalb.
      Zu dem Artikel, nur formal : bei einem so komplexen Thema wäre es sinnvoll gewesen, ihn in zwei Teilen zu präsentieren.

      5
  2. Seit langem der schönste Artikel über die kleine Perle Israel. Möge der Friede zurückkehren und Israel und seine Nachbarn aufblühen! *SHALOM

    1
  3. Wow. Hochinteressant. Danke für diese Ausführungen. Da wird der Spruch (so ähnlich): „Wenn du 3 Juden um ihre Meinung fragst, erhältst du 5 Antworten.“ direkt plausibel. 😉

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