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Vereint gegen die Hisbollah

In Madschdal Schams sitzt der Schock nach dem tödlichen Raketenangriff tief. Bei einem Ortsbesuch machen der drusische Bürgermeister und ein jüdischer Offizier deutlich: Vereint stehen sie gegen die Terrror-Organisation Hisbollah.
Von Merle Hofer
Madschdal Schams

MADSCHDAL SCHAMS (inn) – Malerisch schmiegt sich der Ort Madschdal Schams an die Felsen am Fuße des Hermon. Es ist eine von vier Ortschaften in den Golanhöhen, in denen Drusen leben, insgesamt sollen es 27.000 Einwohner sein. Mit mehr als 10.000 Einwohnern ist Madschdal Schams die größte und bekannteste. Weil Israel die Golanhöhen seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 besetzt und 1981 die israelische Gesetzgebung auf das Gebiet und seine Bewohner ausgeweitet hat, haben die drusischen Bewohner als Dauereinwohner zwar alle Rechte im jüdischen Staat, aber ein großer Teil hat keine Staatsbürgerschaft inne.

Den Namen des Ortes sprechen Israelis und Ausländer gleichermaßen nur mit Mühe aus: Er soll aus dem Aramäischen stammen, „Turm der Sonne“, weil er mit 1.130 Höhenmetern auch für israelische Verhältnisse recht hoch liegt. Manche sagen, dass er ursprünglich Madschdal Scham hieß, also „Turm von Damaskus“. Tatsächlich liegt die syrische Hauptstadt zwar etwa 60 Kilometer entfernt, doch sind von ihren Dächern bei guter Sicht die Golanhöhen gut zu erkennen.

Ein großer Teil der israelischen Bevölkerung wurde aufgrund des verstärkten Raketenbeschusses von der Hisbollah aus dem Libanon aus ihren Dörfern evakuiert. Diese Menschen leben seit nun fast zehn Monaten in Hotels oder Ferienwohnungen, bei Verwandten oder Bekannten im ganzen Land. Manche Dorfgemeinschaften sind jedoch geblieben, unter anderen die Drusen.

Am Samstagabend kamen bei einem der Hisbollah zugeschriebenen Raketenbeschuss zwölf Kinder und Jugendliche ums Leben. Drei Tage später, am Dienstag, erklärt der Bürgermeister von Madschdal Schams, Dolan Abu Salih, Dutzenden von Auslandsjournalisten: „Diese Tragödie wird uns für immer begleiten. Niemand von uns will Krieg. Wir wollen Frieden, einen Deal, der uns Sicherheit garantiert. Wir wünschen uns Ruhe und Liebe.“

„Krieg ist ein Verlust für alle“

Zu einer etwaigen Eskalation der Sicherheitslage sagt Abu Salih: „Wir wollen unsere Heimat nicht verlassen. Aber wenn erneute Angriffe von der Hisbollah diesen Schritt nötig machen, werden auch wir für einige Zeit gehen müssen.“

Mit Blick auf eine eventuelle Eskalierung der Sicherheitssituation macht Abu Salih deutlich: „Krieg ist ein Verlust für alle.“ Er wünsche sich ein Abkommen, dass den Bürgern im Norden des Landes und in ganz Israel Sicherheit verspricht. Und ich wünsche mir, dass die internationale Gemeinschaft dafür sorgt, dass sich alle an dieses Abkommen halten.“

Sichtlich betroffen berichtet der Kommunalratsvorsitzende Dolan Abu Salih von dem tragischen Ereignis am Samstagabend

Die Gemeinschaft der Drusen ist bekannt für die Loyalität, mit der sie an der Seite der Regierungen stehen, auf dessen Staatsland sie leben. Auf die Frage, ob er sich als Druse und damit als arabischer Muttersprachler nicht der „Israelisazia“ schuldig mache, der Normalisierung mit dem jüdischen Staat, antwortet Abu Salih trocken: „Etwa 60 Prozent von Madschdal Schams besitzen die israelische Staatsbürgerschaft. Israel ist eine Demokratie und gibt eine politische Richtung vor, die ich unterstütze.“ Dann fügt er entschieden hinzu: „Ihr dürft es nennen, wie ihr wollt, meinetwegen auch Israelisazia. Ich nenne es einen Bund fürs Leben, eine Partnerschaft.“

Der Bürgermeister trägt einen Namen, der in der Stadt häufig vorkommt. Auch vier der Opfer trugen diesen Nachnamen. Ob er die Opfer gekannt oder gar Verwandte verloren hat? Abu Salih antwortet ohne zu zögern: „Als Bürgermeister und Vorsitzender des Kommunalrats habe ich am Samstag zwölf meiner Kinder verloren.“ Und fügt zurückhaltend an: „Aber ja. Vier von ihnen waren meine Verwandten“

„Kein Grund, gegen Israel aufzustehen“

„Kein Krieg lässt sich führen, ohne einen Preis zu zahlen“, sagt Gideon Harari in der Turnhalle, die direkt neben dem Fußballfeld liegt. „Die Frage ist nicht, ob es diesen Krieg geben wird. Die Frage ist, wann es ihn geben wird.“

Harari lebt im Kibbuz Scha’ar Jeschuv, nur 2 Kilometer von der Grenze zum Libanon entfernt. Jahrelang diente er als Offizier in der israelischen Armee. Seit einigen Jahren ist er im Ruhestand, doch als am 7. Oktober der Krieg ausbrach, wurde er als Reservist eingezogen und unterstützt seitdem die Armee mit Knowhow, das er im militärischen Geheimdienst erworben hat.

„25 Jahre habe ich in der israelischen Armee gedient. Die Drusen sind unsere Geschwister“, meint Harari. Der Oberstleutnant in Reserve wendet sich an die versammelten Auslandsjournalisten: „Was sich am Samstag hier zugetragen hat, ist eine Katastrophe.“ Der Israeli ist überzeugt: „Doch letztlich ist diese Tragödie eine Frage der Statistik. Das gleiche Ereignis hätte vor sechs Monaten passieren können. Und es kann wieder passieren. Die Hisbollah ist unser Feind. Sie schießen, um zu töten.“

Eine Israelin teilt in den Sozialen Medien ihre Eindrücke vom Anschlagsort: „Unbegreiflich! 12 Engel gingen zum Spielen raus und kamen nicht zurück.“

Harari erwähnt nicht, dass Israel regelmäßig seine Abwehrsysteme nutzt, um Raketeneinschläge an der Grenze zum Gazastreifen und an der Nordgrenze zum Libanon abzuwenden und damit seine Einwohner zu schützen.

Der Reservist erklärt: „Die Hisbollah hat sich 1982, also vor dem Libanon-Krieg, gegründet. Dahinter steckt der Iran. Die haben ihre Leute in Afrika, Europa und Venezuela. Die Welt muss verstehen, dass es für den Libanon überhaupt keinen Grund gibt, gegen Israel aufzustehen. Der wirkliche Feind ist die Hisbollah.“

Einen Teilaspekt der absurden Situation, in der sich Israel befindet, erwähnt Harari, als er sagt: „Nicht nur, dass sie mit Raketen auf uns schießen können. Sie sind in der Lage, mit Scharfschützen in unsere Wohnhäuser zu schießen.“ Energisch fügt er hinzu: „Das aber werden wir nicht zulassen.“

Harari ist überzeugt, dass diplomatische Bemühungen mit der offiziellen libanesischen Regierung ins Leere laufen: „Wer im Libanon tatsächlich das Sagen hat, ist Hassan Nasrallah“, der Chef der Hisbollah. Mit Anspielung an die großen internen Proteste innerhalb der israelischen Gesellschaft und gegen die Regierung sagt er: „Ich möchte hier nicht missverstanden werden: Unsere internen Streitigkeiten sind eine Sache. Aber eine andere Sache ist, wenn es darum geht, unsere Existenz und unser Leben zu verteidigen. Hier stehen wir vereint zusammen. Wir sind bereit, gegen unseren Feind, die Hisbollah, zu kämpfen.“

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3 Responses

  1. In der Einführung heisst es, dass ein Großteil der drusischen Einwohner nicht die israelische Staatsbürgerschaft besitzt, der Bürgermeister sagt, es seien 60 Prozent. Ohne ein Mathegenie zu sein : 60 Prozent sind die absolute Mehrheit. Nichts für ungut.
    Bei einem Besuch vor etlichen Jahren hatte ich nicht den Eindruck, dass sich die Drusen des Golan nach der syrischen Herrschaft zurücksehnen.

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  2. Es gibt immer wieder unterschiedliche Berichte, ob sich die Drusen mehr als Syrer oder mehr als israelische Staatsbürger fühlen. Aber viele Drusen leisten schon Militärdienst. Und nach der Ermordung der unschuldigen Kinder durch die Hisbollah, dürfte sich das gravierend geändert haben.

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