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Eine biblische Entdeckungsreise

Wohl kaum kein anderer Ort trägt so viele Namen wie Jerusalem. Sie unterstreichen die besondere Bedeutung der Heiligen Stadt und ihre Einzigartigkeit.
Von Gundula Madeleine Tegtmeyer

Jerusalem soll 70 Ehrentitel haben. Sie erschließen sich aus dem biblischen Kontext, wobei ihre ursprüngliche Bedeutung durch Übersetzungen oder Transkriptionen mitunter verloren gehen, wie etwa bei Hesekiel 23,4. Meist lesen wir Oholiba statt Ohaliva, was bei Hesekiel „Mein Zelt ist in ihr“ bedeutet.

Begeben wir uns auf eine Spurensuche nach weiteren Namen und ihren signifikanten Bedeutungen. Jerusalem ist der in der Bibel am häufigsten genannte Name der Heiligen Stadt. Dies führt uns zunächst zu den Graffiti von Khirbet Beit Lei, gelegen südlich von Tel Lachisch.

Bei ihnen handelt es sich um sieben eingeritzte hebräische Inschriften. Von besonderem archäologischem Interesse ist ein Text, in dem ירשלם (Jerusalem) in hebräischer Sprache auftaucht. Eine midraschische Erklärung des Namens bringt ihn mit jir’eh in Verbindung, deutsch: der „HERR sieht“.

Im hebräischen Originaltext steht es in der Zukunftsform, „wird sehen“, und das Tetragram anstelle von Adonai, dervon Abraham gegebene Name, da G`tt im letzten Moment bei der Opferung Isaaks einschritt und einen Ziegenbock als Opfer sandte. Die jüdischen religiösen Regeln untersagen das Tetragram, den Namen G`ttes mit vier Buchstaben, zu nennen. Einige rabbinische Kommentatoren sind Verfechter der These, die Kombination von Jir’eh mit Schalem sei der Ursprung des Namens Jerusalem.

Moria als erwähltes Land

Im Buch Genesis ist Moria, hebräisch für „von G´tt gesehen“ oder auch „von G´tt erwähltes Land“, der Name des Tempelbergs zu einer Zeit, in der er unbewohnt war. Es ist der Ort, an dem gemäß der jüdischen und christlichen Tradition Abraham bereit war – auf G´ttes Geheiß –, seinen Sohn Isaak zu opfern und führt uns zu Jerusalems Beinamen, „Ir Ha-Kodesch, „Stadt der Heiligkeit“. Der gebräuchlichste arabische Name für Jerusalem, Al-Quds, ist eine Übersetzung dieses hebräischen Ehrentitels.

Jeden Freitagabend begrüßen Juden und Jüdinnen in dem poetischen Lied „Lecha dodi likrat kalla …“ den Schabbat als Braut. Wie der heilige Schabbat, so wird auch Jerusalem mit einer kalla assoziiert: „Und ich sah die Heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel von Gott herabkommen, bereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut“, lautet es in Offenbarung 21,2 (Elberfelder). Jesaja jubiliert: „Freuen, ja, freuen will ich mich in dem HERRN! Jubeln soll meine Seele in meinem Gott! Denn er hat mich bekleidet mit Kleidern des Heils, den Mantel der Gerechtigkeit mir umgetan, wie der Bräutigam sich nach Priesterart mit dem Kopfschmuck und wie die Braut sich mit ihrem Geschmeide schmückt.“ (Jesaja 61,10; Elberfelder).

Bei seiner Aufforderung zur Umkehr, dem Heilsspruch über Jerusalem und Juda beschreibt der Prophet Jeremia die Heilige Stadt als kissé Adonai, als den „Stuhl G`ttes“: In jener Zeit wird man Jerusalem den Thron des HERRN nennen, und alle Nationen werden sich zu ihr versammeln wegen des Namens des HERRN in Jerusalem. Und sie werden nicht mehr der Verstocktheit ihres bösen Herzens folgen. (Jeremia 3,17; Elberfelder)

Stuhl und Thron G`ttes

Der Prophet assoziiert Jerusalem mit dem „Stuhl G`ttes“, denn auf ihm wird der G`tt Abrahams, Isaaks und Jakobs sitzen, um alle Heidenvölker zu empfangen. Im Hebräischen bezeichnet kess (כס) einen Thron, die Wortwurzel steckt in kissé, hebräisch für Stuhl. Interessanterweise spricht Jeremia davon, dass G`tt auf einem Stuhl sitzt und nicht auf einem Thron: Jerusalem ist der Sitz G`ttes, dort sitzt Adonai wie auf einem Stuhl und herrscht.

Der hebräische Begriff kissé für Stuhl begegnet uns mehrmals in der Thora, besonders in Verbindung mit den ersten israelitischen Königen. Und schon dort wird der Königstuhl als zukünftiger Stuhl G`ttes bezeichnet. König David und König Salomo saßen jeder auf dem Königsstuhl.

Als G`tt Davids Plan vom Tempelbau verwirft und das Vorhaben an dessen Sohn Salomo delegiert, spricht er: „Der soll meinem Namen ein Haus bauen und ich will seinen Königsstuhl fest stellen für immer.“ G`tt ließ diese Verheißung in Erfüllung gehen, denn „ich (Salomo) bin an die Stelle meines Vaters David getreten und habe den Stuhl Israels bestiegen, wie der HERR es verheißen hatte und habe dem Namen des HERRN, des G`ttes Israels, den Tempel erbaut.“

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Die Davidszitadelle ist nach dem biblischen König benannt

Im ersten Chronikbuch Kapitel 23 heißt es, dass Salomo der erste König war, der auf dem Stuhl G`ttes saß, an Stelle seines Vaters König David: So setzte sich Salomo auf den Thron des HERRN als König anstelle seines Vaters David, und er hatte Gelingen; und ganz Israel gehorchte ihm. (Elberfelder)

So sprach auch Rabbiner Abraham Isaak Kook (1865–1935) einige Jahre vor der Staatsgründung Israels von einem ersehnten jüdischen Staat und in ihm vom Fundament des Stuhles G`ttes auf Erden: „Ein Staat ist nicht immer die höchste Freude eines Menschen, das kann man in einem gewöhnlichen Staat vielleicht sagen, der keinen größeren Wert erhebt als eine Gesellschaft von großer Verantwortung, wo die Massen von Ideen, die die Krone des menschlichen Lebens sind, oben bleiben und sie nicht berühren. Aber dieses Land ist wirklich die höchste Stufe auf der Skala der Freude. Und dieses Land ist unser Land, der Staat Israel, das Fundament von G`ttes Stuhl auf dieser Welt, dessen Ziel es ist, dass G`tt eins ist und sein Name eins ist. Das ist die wahre Freude, die Wahrheit, eine erhabene Freude, die eine lange Erklärung bedarf, um sein Licht in den Tagen der Finsternis hervorzubringen, das ist die höchste Stufe der Freude.

Abraham Isaak Kook, bekannt als HaRav Kook sowie unter seinem hebräischen Akronym Hara’ajah, war ein orthodoxer Rabbiner und erster aschkenasischer Oberrabbiner des britischen Mandatsgebiets Palästina. Kook gilt als einer der Väter des religiösen Zionismus.

Von der Burg zur Hauptstadt

Die Tora nennt Jerusalem auch HaBira, somit als Schloss, Palast oder Burg. Betrachten wir dazu 1. Chronik 29,1: Und der König David sagte zu der ganzen Versammlung: Mein Sohn Salomo, der Einzige, den Gott erwählt hat, ist noch jung und zart; das Werk aber ist groß, denn nicht für einen Menschen ist dieser Palast, sondern für den HERRN, Gott. (Elberfelder). Auf Ivrit, dem modernen Hebräisch, wird der Begriff bira heutzutage für „Hauptstadt“ verwendet.

Der Begriff Zionismus leitet sich von Zion ab, einem Namen in der hebräischen Bibel, der oft als Synonym für Jerusalem sowie für das Land Israel als Ganzes verwendet wird. Zion wird im Alten Testament in den Büchern Samuels (2. Samuel 5,7) als Name einer von David eroberten jebusitischen Festung, genannt „Zionsburg“, erwähnt und in der Folge in „Stadt Davids“ umbenannt.

Unter König David blieben die Ausmaße des Stadtgebiets gleich: Und David wohnte in der Burg und nannte sie Stadt Davids. Und David baute ringsum vom Millo an nach innen zu. (2. Samuel 5,9–10) Millo beschreibt wahrscheinlich ein Terrassensystem, das den Bau an den steilen Hängen der Stadt ermöglichte. 2. Samuel 5,11 berichtet von wohlwollender Unterstützung aus dem heutigen Libanon: Und Hiram, der König von Tyrus, sandte Boten zu David und Zedernholz und Zimmerleute und Mauerleute; die bauten David ein Haus. (Elberfelder)

Verschiedene Herleitungen für „Zion“

Vieles deutet darauf hin, dass die Jebusiter-Festung, die „Festung Zion“, in der David nach der Eroberung der Stadt Zuflucht suchte, in der nordöstlichen Ecke der alten Stadt Davids lag und David sie als späteren Standort für seinen Palast wählte. Sollte Zion semitischen Ursprungs sein, könnte es von der hebräischen Wurzel ṣiyyôn , für„Burg“, oder dem hebräischen ziyya „trockenes Land“ oder „Wüste“, abgeleitet sein.

In Jeremia 51,43 steht geschrieben: Seine Städte sind zur Wüste geworden, ein dürres Land und eine Steppe, ein Land, worin niemand wohnt und durch das kein Menschenkind zieht. Eine Ableitung vom hurritischen Wort šeya mit der Bedeutung „Fluss“ oder „Bach“ wurde ebenfalls vermutet, somit ein nicht-semitischer Ursprung. Psalm 132,13–14 erzählt uns: Denn der HERR hat Zion erwählt, hat ihn begehrt zu seiner Wohnstätte: „Dies ist meine Ruhestatt für immer, hier will ich wohnen, denn ich habe ihn begehrt.“ (Elberfelder)

Die Form Zion, die tiberianische Vokalisierung, erscheint 108 Mal in der hebräischen Bibel, und einmal mit Artikel, als HaZion. Die tiberianische Vokalisierung markiert Vokale und Betonung, unterscheidet fein zwischen Konsonantenqualität und -länge und dient als Interpunktion. Es ist das dominierende System für die Vokalisierung aller Formen des Hebräischen geworden.

Der Begriff Zion bezeichnete zunächst das Gebiet des davidischen Jerusalem, in dem die Festung der Jebusiter stand, und wurde in der Folge auch synekdotisch, somit für die gesamte Stadt Jerusalem verwendet. Salomos Tempel wurde auf dem angrenzenden Berg Moria gebaut, der infolgedessen als Tempelberg bekannt wurde. Infolgedessen wurde Zion auf den Tempel selbst, den Hügel samt Tempel, die gesamte Stadt Jerusalem und letztendlich das gesamte biblische Land Israel erweitert.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Auf dem Tempelberg standen die beiden jüdischen Tempel aus biblischer Zeit

Der Vorname Zijona bedeutet „ausgezeichnet“ und ist die weibliche Form von Zion. In der Bibel (2. Samuel 5,7) ist es ein Ortsname, der Wohnsitz von König David. Zeona und Ziona sind Varianten der Schreibweise.

Wenden wir uns Micha 1,5 zu: Wegen des Verbrechens Jakobs ⟨geschieht⟩ das alles und wegen der Sünden des Hauses Israel. Von wem geht das Verbrechen Jakobs aus? Ist es nicht Samaria? Und von wem die Höhen Judas? Ist es nicht Jerusalem? (Elberfelder)

Während des Exodus, der vierzigjährigen Wüstenwanderung, gebot G´tt seinem Volk: „dann sollt ihr alle Bewohner des Landes vor euch her vertreiben und all ihre Götzenbilder zugrunde richten; und alle ihre gegossenen Bilder sollt ihr zugrunde richten, und alle ihre Höhen sollt ihr austilgen“. (4. Mose 33,52; Elberfelder)

Das hebräische Wort bamot wird in deutschsprachigen Bibeln meist mit „Höhen“ wiedergegeben. Im Hebräischen versteht man unter bamot, Plural von bama, eher „Bühnen“, etwas Erhöhtes oder auch Hügeliges. Gemeint ist im biblischen Kontext eine erhöhte Bühne für eine Kultstätte, ein Schauplatz, an dem ursprünglich verschiedene G`ttheiten verehrt wurden.

Die Tradition der Kulthöhen außerhalb von Ortschaften übernahmen die Israeliten. Der Trend zu lokalen Kultbühnen bedeutete Konkurrenz zur „Hauptbühne“, dem Tempel in Jerusalem. „Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem“, betont der Prophet Jesaja.

Jerusalem als Zentrum

Auch der Prophet Micha erinnert daran, dass Jerusalem der Mittelpunkt im Volk ist.
G´tt selbst ist das Zentrum, und seine Wohnstätte auf Erden ist Jerusalem. Auch im Buch des Propheten Amos 4,13 wird Bamot im Zusammenhang der Weltbühnen gedeutet:

„Ja, siehe, der die Berge bildet und den Wind erschafft und dem Menschen mitteilt, was sein Sinnen ist, der die Morgenröte und die Finsternis macht und einherschreitet auf den Höhen der Erde: der HERR, Gott der Heerscharen, ist sein Name. (Elberfelder). Der Allmächtige G´tt, der sich auf der Bühne in Jerusalem offenbart.

Den Begriff jedidut, hebräisch für Freundschaft und ein weiterer poetischer Name für Jerusalem, finden wir in der Bibel, wenn auch an nur wenigen Stellen. Mit seiner Wortwurzel jedidia taucht er in König Davids Schuldbekenntnis nach Natans Strafrede auf: „Nachdem David dann seiner Frau Bathseba Trost zugesprochen und sich ihr wieder in Liebe zugewandt hatte, wurde sie Mutter eines Sohnes, den er Salomo nannte und den der HERR liebhatte. David übergab seinen Sohn Salomo dem Propheten Nathan. Dieser sollte ihn erziehen und gab ihm den Namen Jedidia, der als Eigenname ‚G´ttes Freund‘ bedeutet.“

Die Freundschaft G`ttes

Über Benjamin sagte Mose in seinem Segensspruch Jadid Adonai (5. Mose 33,12): Der Liebling des HERRN! In Sicherheit wird er bei ihm wohnen; er beschirmt ihn den ganzen Tag, und zwischen seinen Schultern wohnt er. (Elberfelder)

Der Berg Moria liegt im biblischen Stammesgebiet von Benjamin. Hier verbindet sich die Freundschaft G´ttes mit Jerusalem und dies führt uns zum Hohelied Salomos. In einem Vers heißt es: „ich gehöre meinem Geliebten, und mein Geliebter gehört mir“. Dodi ist das hebräische Wort für „mein Geliebter“ und entspringt der Wortwurzel Jedid, hebräisch für Freund und Freundschaft. Auch im Namen David finden wir den „Geliebten“ und Freundschaft.

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Auf weitere poetische Bezeichnungen treffen wir bei Jesaja 29,1.2.7. Hier trägt Jerusalem den dichterischen Namen Ariel, „G´tteslöwe“. Der Löwe ist das Stadtemblem der Heiligen Stadt. Heute trägt zudem ein Ort den Namen Ariel. Er liegt in der zentralen Hochlandregion, die als Samarische Berge bekannt ist.

Von Jerusalem als Neve Zedek, der „Aue der Gerechtigkeit“. spricht Jeremia 31,23: Wer auf sie stieß, fraß sie auf / und ihre Feinde sagten: Wir begehen kein Unrecht, / weil sie gegen den HERRN gesündigt haben, / die Aue der Gerechtigkeit, die Hoffnung ihrer Väter. (Einheitsübersetzung 2016)

Heute trägt ein hippes Tel Aviver Viertel den Namen Neve Zedek. Gegründet 1887, war es der erste jüdische Stadtteil außerhalb der Hafenstadt Jaffa.

Jeremia 21,13 beschreibt Jerusalem als Zur HaMischor, als Fels in der Ebene: Siehe, ich gehe gegen dich vor, du Stadt, / die im Tal wohnt, / du Fels in der Ebene – Spruch des HERRN. Ihr freilich sagt: Wer kann über uns kommen / und eindringen in unsere Bauten? (Einheitsübersetzung 2016)

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Jerusalem als Fels in der Ebene

So, wie sich das Leben eines Menschen um den Nabel herum formt, so ist Jerusalem Tabur HaAretz, der Nabel der Welt, die Quelle, aus der G`ttes Energie floss und die Welt erschuf. Der Nabel befindet sich auch in der Nähe des Zentrums des menschlichen Körpers, so wie Jerusalem das Zentrum der Welt ist.

Laut Midrasch – der jüdischen Bibelexegese, die im Talmud ihren Höhepunkt findet – sollen es 70 Namen sein, die Jerusalem preisen. Viel Freude auf Ihrer biblischen Entdeckungsreise weiterer Namen und Ehrbezeichnungen für Jerusalem, der Heiligen Stadt und Nabel der Welt.

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2 Responses

  1. Was mich zur Zeit erfreut und mir Hoffnung gibt, ist der Umstand dass Jerusalem recht friedlch lebt mit einem hochen Anteil an Arabern und anderen – im Gegensatz zu Gaza und dem Libanon. Möge es doch die Heilige Stadt sein, die den Frieden schenkt – gerecht und klug – für Israel und die Nachbarn! *SHALOM

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