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„Für mich begann alles mit Oslo“

Natan Scharanski ist ein Symbol des jüdischen Nationalstolzes. In einem Interview äußert er sich optimistisch über die Zukunft Israels.
Von Israelnetz
Wurde in New York geehrt: Natan Scharanski

JERUSALEM (inn) – Der ehemalige israelische Minister Natan Scharanski hat in einem Gespräch mit dem Wirtschaftsmagazin „Globes“ von seinen Empfindungen seit dem 7. Oktober erzählt. Das Interview wurde am 4. Juni veröffentlicht.

„Natürlich gab es hier ein großes Versagen unseres Geheimdienstes, unserer Armee und unserer Politiker“, sagte er. „Für mich begann alles mit Oslo. Ich sagte damals, die Idee ergebe keinen Sinn, den Palästinensern einen Diktator zu stellen, der mit uns Frieden schließen würde. Und es war genau umgekehrt: Der Diktator hat uns als Feinde angesehen und deshalb keinen Frieden mit uns geschlossen.“

Es sei mit dem Rückzug aus dem Gazastreifen weitergegangen, fügte der frühere sowjetische Dissident hinzu. Die Idee sei gewesen, die Palästinenser durch die Distanz zu kontrollieren. Der ehemalige israelische Premierminister „Arik Scharon erklärte mir, dass wir in den Gazastreifen hineingehen würden, wenn sie militant würden. Ich trat damals wegen des Rückzugs aus der Regierung zurück.“

„Optimistisch, was die Zukunft des Staates Israel angeht“

Scharanski glaubt, dass das Oslo-Abkommen die israelische Führung dazu veranlasste, falsch zu handeln. Das habe dann auch zu den Misserfolgen des 7. Oktober geführt. Andererseits: „Das Ereignis war eine Erinnerung daran, wie gut es ist, dass wir den Staat Israel haben.“ Zur Zeit des Dritten Reiches sei das nicht der Fall gewesen.

„Jetzt kämpfen wir“, erklärte Scharanski stolz. „Wir haben uns von einer äußerst gespaltenen Gesellschaft in eine geeinte Gesellschaft verwandelt. Unsere Wertschätzung für den Staat Israel ist erneuert worden. Ich bin optimistisch, was die Zukunft des Staates Israel angeht, aber weit weniger optimistisch bezüglich dessen, was in Amerika geschieht und in Europa.“

Liberale gegen Liberale

Scharanski erklärte, was seiner Meinung nach heute im Westen geschieht – sowohl im jüdischen als auch im weiteren Kontext: „Die Juden fühlen sich als Teil der liberalen Welt. Die liberale Welt denkt, die Progressiven seien ihre Partner. Jahrelang habe ich darüber geschrieben, dass die eigentliche Krise in den Vereinigten Staaten nicht zwischen Republikanern und Demokraten stattfindet, sondern zwischen Liberalen und Liberalen. Ich habe gesagt, dass die Liberalen eines Tages erkennen würden, dass sie keine Partner sind.“

Der ehemalige israelische Minister hat nach eigener Aussage Juden an amerikanischen Universitäten gefragt, ob eine der ihnen nahestehenden Organisationen nach dem 7. Oktober ihr Mitgefühl zum Ausdruck gebracht hat. Er habe nur eine rechtsgerichtete Organisation an der Yale-Universität gefunden, die sich an der Trauer beteiligte. „Alle Organisationen der progressiven Linken betrachteten den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober als Teil eines legitimen Kampfes. Antisemitismus kam in großem Umfang zum Vorschein.“

Briefwechsel mit Nawalny

Im April 2023 korrespondierte Scharanski mit dem mittlerweile verstorbenen russischen Oppositionsführer Alexei Nawalny. Nawalny hatte Scharanski geschrieben, nachdem er sein Buch „Fear No Evil“ gelesen hatte. Darin schildert Scharanski seinen jahrelangen Kampf gegen die kommunistische Herrschaft.

Nawalny sei erstaunt gewesen, wie sehr sich ihre Situationen ähnelten, als er im sowjetischen Gulag gefangen war: „Während meiner Gefängnisjahre verbrachte ich 450 Tage in Einzelhaft. Nawalny war schon fast 300 Tage in Einzelhaft. Aus seinem Brief geht hervor, dass er ein freier Mann ist. Natürlich schrieb ich, dass ich ihn und seinen Kampf bewundere. Er war ein starker Mann. Er war um den Sieg seines Kampfes optimistisch.“

Seinen letzten Brief habe Nawalny mit den russischen Worten „Nächstes Jahr in Jerusalem“ beendet – „den letzten Worten meines Buches. Es wirkt so, als wollte er sich dem Optimismus der jüdischen Geschichte anschließen“.

Zwangsarbeit wegen angeblicher Spionage

Natan Scharanski kam 1948 im ukrainischen Donezk zur Welt. Er wurde 1977 wegen angeblicher Spionage zu Zwangsarbeit verurteilt, 1986 kam er aus dem sibirischen Lager frei. Danach wanderte er nach Israel ein.

Ab 1996 übernahm Scharanski in einem Zeitraum von neun Jahren verschiedene Ministerposten. Von 2009 bis 2018 leitete er die Jewish Agency, die sich unter anderem für die Einwanderung nach Israel einsetzt. Derzeit ist er Vorsitzender des amerikanischen „Instituts für das Studium des globalen Antisemitismus“. (vbr)

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10 Antworten

  1. Natan Scharanski ist eine wichtige Persönlichkeit mit großer Lebenserfahrung.
    Auch ich sehe Oslo heute als ein Problem, es war eben ein Scheinfrieden. Das konnte man am Anfang noch nicht richtig einschätzen, heute sind wir klüger. Doch manche werden immer dümmer, und Europa verfällt in finstere Zeiten des Antisemitismus, der auf einen „Palästina-Trugschluss“ basiert.
    Israel wird eine große Zukunft haben, die Zeit HEUTE ist sehr ernst, und wir müssen alle da durch.

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  2. Da hat Scharansky wohl Recht. Die Entspannungspolitik und der Rückzug aus Gaza 2005 waren aus heutiger Sicht m.E. ein Fehler. Land für Frieden und eine Zwei-Staaten-Lösung wollten die Palästinenser damals nicht und heute nicht. Das Oslo Abkommen wurde damals auch nur teilumgesetzt. Es hat bis heute keinen Wert mit Terroristen ein Abkommen abzuschließen. In all den Jahren, in denen Israel sich zurückzog, haben sie es geschafft, im Gazastreifen eine unterirdische Welt aufzubauen. Israel muss aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Gott schenke seinem Volk Frieden.

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    1. Den Rückzug aus Gaza finde ich gut, denn er hat eine weitere Intifada verhindert. Wenn es nach mir ginge würden die Araber dort das wieder zurück bekommen, aber erst nachdem der IDF vor allem mit dem Spinnennetz unter Gaza aufgeräumt hat und die Hamas zu 80% kampfunfähig ist und ein Haufen Lumpen – also mit einer neuen Regierung – optimalerweise mit freien Geiseln. Ich bin traurig, dass der Staat Israel so unfreundliche Nachbarn hat und wünsche den Israelis die besten aller Strategien um wieder Ruhe in das Heilige Land zu bringen. Ich freue mich über einen Sieg der IDF, weil die Orgie an Antisemitismaus weltweit dann wieder besser wird. Nebenbei wünsche ich mir drei Friedensdörfer im Westjordanland, in dem Araber und Israelis friedlich leben und dass jeder Israeli einen arabischen Freund hat und umgekehrt. AM ISRAEL CHAI * SALAAM

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  3. Das Osloerabkommen sollte Frieden bringen, gemau gleich die UNO Resolution bezüglich Libanon (Litani Fluss als Puffergrenze)
    Was nützen Beschlüsse wenn sie nicht umgesetzt werden? Wo ist die UNO?

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  4. Um mal bezüglich des „aufflammenden Antisemitismus“ einen Lichtblick zu geben: ich denke er war immer da. Aus einer antisemitischen Gesellschaft in eine „liberale“ einzuwandern, ändert halt keine Ansichten und diese Leute trauen sich nun lediglich ihren immer gehegten Antisemitimus zu zeigen.
    Dem entgegen gibt es aber auch Leute wie mich.
    Ich war immer sehr israelkritisch, um nicht zu sagen feindlich.
    Aus diversen Gründen, deren Erläuterung jetzt den Rahmen sprengen würde.
    Das die Hamas (auch) nichts taugt, war mir zwar auch immer klar, aber die unverhohlen brutale Fratze, die sie bei ihrem Überfall gezeigt hat und die widerlichen, jubelden Reaktionen von Symphatisanten weltweit (auch in Deutschland), haben mich echt schockiert und mich bewegt, mich zumindest mal etwas mit diesm Konflikt und seiner Geschichte, der Geschichte Israels, zu befassen.
    Das hat, man muss an der Stelle schon fast „selbstverständlich“ sagen, meine ablehende Haltung gegenüber Israel zum Einsturz gebracht.
    Ich finde nach wie vor nicht alles toll und finde, man darf und muss (ja auch als Deutscher) Israel kritisieren dürfen, ohne gleich als Antisemit diffamiert zu werden (was ja selbst Netanjahu sehr gerne tut, was eines Staatsoberhauptes echt unwürdig ist), aber ich sags mal so: unterm Strich, gibts für mich nicht mehr den Hauch eines Zweifels, wer in diesem Krieg „die Guten“ sind.
    Ich wünsche Israel alle Kraft die es braucht, um diese gewaltige Aufgabe zu meistern.

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    1. Ich danke den Ausführungen und freue mich zu hören, dass es auch die GEGEN-Richtung, nämlich zu Gunsten Israels gibt. Ich glaube an die Bibel und daran, dass sich irgendwann die Vernunft durchsetzen wird.
      Mir geht es nicht um „Bibi“, sondern um Israel als Ganzes einschl. der hier lebenden Menschen Jüdischen Glaubens. Klar, Deutschland darf Israel kritisieren, aber man muss auch Deutschland dafür kritisieren, dass wir seit Jahrzehnten mit dem Mullah-Regime umfangreiche Wirtschaftsbeziehungen halten, Abbas u. UNRWA sind ein weiteres Thema, Deutschland tut viel Schlechtes.
      Und die Professoren in Berlin sind noch viel schlimmer als ahnungslose Leute, die über Israel schlecht reden, denn Professoren TU / FU haben eine pädagogische Verantwortung, die sich ins Negative verkehrt.

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    2. Danke für dieses Statement, Christoph und danke für die Umkehr.
      Ja, wer sich mit der Geschichte des Landes beschäftigt, muss früher oder später verstehen, was da passiert. Und deswegen sind hier auch viele dabei, die Infos weitergeben, Hintergrundinfos einstellen. Die komplett verblendeten Israelhasser erreichen wir nicht, den Anspruch stellen wir als User aber auch nicht. Aber die, die noch denken und nicht die nützlichen Idioten der Terroristen und deren Bejubler sind, die kann man doch zum Nachdenken bringen. Und damit motivieren sich selbst zu informieren, weiter zu recherchieren. Man muss es sich selbst erarbeiten. Und ich habe den Eindruck, dass Sie genau das auch gemacht haben. Finde ich großartig. Und mutig, denn Sie mussten damit Ihr eigenes Weltbild in Frage stellen lassen.

      Der 7.10. hat manche zum Nachdenken gebracht, hat manche zum Nachfragen gebracht und ich bin um jeden froh, der sich nicht mehr manipulieren lässt. Wer nachdenkt, wer sich informiert kann nicht einstimmen in den „from the river to the sea“-Chor auf unseren Straßen und in den UNIs.

      Und ja, Christoph, Kritik an Israel ist erlaubt. Ist auch notwendig, keine Frage. Sie wird nicht verboten. Aber man muss die Unterscheidung hinbekommen, was Kritik und was Antisemitismus ist. Und das kann man durchaus unterscheiden lernen.

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  5. @Christoph
    Dass Sie Ihre Einstellung zu Israel hinterfragt und korrigiert haben, freut mich sehr. Man muss sich wirklich mit der Geschichte auseinandersetzen, um den Konflikt des Landes zu verstehen. Und ich finde, man muss das Land besucht haben, um es zu lieben. Wenn man dann noch weiß, dass es Gottes auserwähltes Volk ist, steht man zu ihm, ohne dass man alles gutheißen muss. Il ist von 6 ihm feindlich gesinnten Ländern umgeben, die es seit Jahrzehnten vernichtet sehen wollen. Die Brutalität der Hamas und Hisbollah nimmt stetig zu. Wer das nicht sieht, will es nicht sehen. Ich wünsche Israel gute Entscheidungen, Rettung der Geiseln, Bewahrung der IDF und anhaltenden Frieden. Ihnen lieben Dank für Ihren Kommentar. Lg Ella

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  6. Natan Scharansky einstmals populär in Israel -er setzte sich auch für bessere Beziehungen zu Russland ein- äußert sich zu Oslo. Im Rückblick hat er schon recht-aber Oslo war damals schon ein Zeichen von Hoffnung.

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