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Hochsaison für Milchprodukte und Käsekuchen

Milchprodukte prägen den Speiseplan am Wochenfest Schawuot, das am Dienstagabend beginnt. Dafür hat die jüdische Tradition verschiedene Erklärungen. Eine Spurensuche
Von Gundula Madeleine Tegtmeyer

Schawuot ist eines der drei großen Wallfahrtsfeste des Judentums und – neben eigenen religiösen Gebräuchen und Riten – eng mit kulinarischen Vorlieben verbunden. Der Feiertag ist eng mit Milchprodukten verbunden, sei es Eiscreme, Käse oder schlicht Milch.

Das macht Schawuot zu einem besonderen Fest, denn die meisten jüdischen Feiertage werden mit Fleisch in Verbindung gebracht. Am Wochenfest steht, neben einer Vielzahl von milchigen Produkten, israelischer Käsekuchen besonders hoch im Kurs.

An Schawuot gedenkt das Volk Israel daran, dass Mose die Tora empfangen hat. Das Wochenfest, sieben Wochen nach Pessach, beginnt mit einem intensiven Studium der Schriften und der Zehn Gebote. Am nächsten Morgen wird in den Synagogen die „Megilat Ruth“, das Buch Ruth, gelesen. Es spielt zur Zeit der Weizen- und Gerstenernte.

Da das Gesetz G´ttes als Quelle des Lebens gilt, wie die Milch für den Säugling, werden an Schawuot traditionell aus Milchprodukten zubereitete Speisen verzehrt. Weiterführende Erläuterungen für diesen Brauch finden sich in unterschiedlichen Quellen, so auch bei Chabad, auch bekannt als Lubawitsch, Habad und Chabad-Lubawitsch. Es ist eine orthodoxe jüdische chassidische Dynastie und eine der größten jüdischen religiösen Organisationen der Welt.

Töpfe und Schlachtmesser waren noch nicht koscher

Laut Chabad erklärt die Kabbala, die jüdische Mystik, die Gründe für den Verzehr von Milchprodukten an Schawuot wie folgt: Beim Empfang der Tora in der Wüste erkannte das jüdische Volk, dass seine Töpfe und Schlachtmesser nicht koscher waren, folglich das Volk Lebensmittel essen musste, die keine Schechita, das rituelle Schlachten beziehungsweise Schächten, erforderten. Rabbi Meir HaCohen (1838–1933) beziehungsweise Kagan – die russische Version von Cohen – formulierte es als Erster: „Denn sie waren noch nicht in der Lage, die ihnen neu gegebenen Kaschrut-Gesetze zu befolgen.“ Er ist auch bekannt als „Hafetz Haim“.

Das hebräische Wort Kaschrut bedeutet „rituelle Eignung“ und bezeichnet die jüdischen Speisegesetze. Sie beziehen sich auf Zubereitung, Lagerung und Genuss von Lebensmitteln sowie die Schlachtung beziehungsweise Schächtung der zum Verzehr bestimmten Tiere. Was gemäß der Kaschrut gegessen werden darf, wird als „koscher“ bezeichnet.

Ein weiterer Grund sei – folgt man den Kabbalisten –, dass der numerische Wert des hebräischen Wortes für Milch, chalav, der Anzahl der Tage entspricht, die Mose allein mit G´tt auf dem Berg Sinai verbrachte, um die Tafeln zu erhalten. Im orthodoxen Judentum ist Mose der Stifter der Gesetze, in der mystischen Tradition der Lehrer der Geheimnisse.

Vom Blut zur Milch

Pessach und der Exodus werden von vielen jüdischen Gelehrten mit dem Blut während einer Geburt gleichgesetzt, wie in Hesekiel 16,6 geschrieben steht: Da ging ich an dir vorüber und sah dich in deinem Blut zappeln; und zu dir in deinem Blut sprach ich: Bleibe leben! Ja, zu dir in deinem Blut sprach ich: Bleibe leben, …. (Elberfelder).

Schawuot hingegen ist mit der Thora eng verknüpft, denn sie ist wie Milch, wie im Hohelied 4,11 geschrieben steht: (Waben) Honig träufeln deine Lippen, (meine) Braut. Honig und Milch ist unter deiner Zunge, und der Duft deiner Gewänder gleicht dem Duft des Libanon. Die tiefere Bedeutung dieser starken Symbolik ist, dass die Kinder Israels an Pessach geboren wurden. Die Geburt ist eindeutig mit Blut verbunden. Andererseits beinhaltet das Stillen laut jüdischen Weisen die Umwandlung von Blut in Milch, heißt es im Talmudtraktat Bechorot 6b.

So wie der Geburtsprozess erstaunlich und wundersam ist, so ist auch diese Umwandlung von Blut, dem einzigen Nahrungsmedium für das Baby im Mutterleib, in Milch erstaunlich und wundersam. Das Geburtsblut der Mutter an Pessach wurde in die Muttermilch von Schawuot verwandelt.

Folgt man dieser Symbolik, sehen wir, dass während der dazwischenliegenden 49 Tage des Omer-Zählens das rote Geburtsblut der Mutter von Pessach in die weiße Muttermilch von Schawuot verwandelt wurde. Dies entspricht auch der in der Kabbala überlieferten Tradition, dass sich Se‘ir Anpin während des ägyptischen Exils in einem Zustand der Schwangerschaft befand.Se‘ir Anpin, Aramäisch für „kleineres Antlitz“ oder auch „kleines Gesicht“, ist ein offenbarter Aspekt G‘ttes* in der Kabbala, der die emotionalen Sephirot-Attribute, g´ttliche Emanationen, umfasst: Chesed (Liebe), Gevura (Macht), Tif‘eret (Schönheit), Nezach (Ewigkeit), Hod (Pracht) und Jesod (das Fundament).

Wie ist ein körperloser G’tt in der Welt gegenwärtig?

Die Kabbalisten beschäftigte der Gedanke, wie ein körperloser G´tt mit der körperlichen Welt interagieren kann. Der Talmud erklärt dies mit der Schechina, G´ttes „Anwesenheit“. Die Verbindung des unendlichen und körperlosen G´ttes En Sof mit der Schechina sieht der Sefer Jezira in den Sephirot, den zehn g´ttlichen Emanationen im kabbalistischen Lebensbaum, hebräisch: Ez Chajim.

Menschen haben gewisse Eigenschaften, und in gewissem Sinn gilt dies auch für G´tt. Die Sephirot sind die zehn Dimensionen seiner Existenz. Laut Kabbala sind die Sephirot über hebräische Buchstaben miteinander verknüpft. An Pessach trat das Baby symbolisch aus dem Geburtskanal und entwickelt sich zu einem jungen Mädchen, das kurz vor der Hochzeit steht. Es muss sieben Tage nach seiner Periode warten, bevor die junge Braut mit ihrem Ehemann Geschlechtsverkehr haben kann.

Auch auf kosmischer Ebene muss das Volk Israel 7 mal 7 (49) Tage warten, bevor es unter das Hochzeitsdach des Sinai treten kann, um den Heiligen, gesegnet sei Er, zu „heiraten“.

Diese kabbalistische Sicht und Interpretation stimmen mit der talmudischen Lehre überein, in der König David G-tt dafür lobt und dankt, dass die menschlichen Brüste nicht wie die eines Tieres unten und somit parallel zum Geburtskanal liegen, sondern oben auf der Brust und damit parallel zum Herzen (Brachot 10a). Auch hier sind wir – nach jüdischem Verständnis – vom Geburtskanal zu den nährenden Brüsten aufgestiegen. Das Wort brachot (Singular bracha) bedeutet „Segenssprüche“. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der jüdischen Liturgie, ihnen ist ein ganzer Traktat im Talmud gewidmet.

Käse wurde mit der Tierzucht bekannt

Die Neolithische Revolution – der Übergang vom Sammler und Jäger zur Sesshaftigkeit in der Mittel­steinzeit um 10000 vor Christus – legte den Grundstein für die Käsevielfalt, die sich uns heute bietet. Denn erst die Zucht und Haltung von Tieren sorgte für ausreichende Mengen an Milch, um diese zu Käse zu verarbeiten.

Etwa 6000 vor Christus dürften schon Formen von Frischkäse erzeugt worden sein. Erste Aufzeichnungen über Molkereien und die gezielte Herstellung von Käse wurden um 3000 vor Christus in Mesopotamien, dem heutigen Irak, angefertigt. Basis war die zufällige Ent­deckung der Milchgerinnung, wahrscheinlich durch die Lagerung von Milch neben Feuerquellen oder an der Sonne.

Andere Quellen vermuten, dass der Prozess entdeckt wurde, nachdem die Milch gesalzen oder mit einer Säure wie Fruchtsaft beträufelt worden war; beides bringt Milch ebenfalls zum Gerinnen. In jedem Fall war es willkommene Möglichkeit, verderbliche Milch über längere Zeit zu konservieren.

Es waren die schließlich die Römer, die Käse in Massenproduktion herstellten. Größere Privathäuser verfügten über separate Räume für die Käseherstellung und seine Lagerung. Käse war eine praktische Form von hochwertigem Eiweiß, Käselaibe konnten auch ihre Armeen als Proviant mit sich führen.

Käse in der Bibel

Auch in der Bibel gibt es Hinweise auf Käse. Die wohl die berühmteste Erzählung berichtet, dass der junge David seinen Truppen Käse mitbrachte, kurz bevor er Goliath erschlug.

In 1. Samuel 17,17–18 lesen wir: Isai aber sagte zu seinem Sohn David: Nimm doch für deine Brüder dieses Efa geröstete Körner und diese zehn Brote und bring sie schnell in das Lager zu deinen Brüdern! Und diese zehn Stücke Weichkäse bring dem Obersten über Tausend und erkundige dich, ob es deinen Brüdern gut geht, und bring ein Pfand von ihnen mit! (Elberfelder)

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Die Römer verliehen dem Käse einen Aufschwung

Tyropoeon-Tal ist der Name, den der jüdisch-römische Historiker Flavius Josephus im ersten Jahrhundert dem Tal, beziehungsweise der zerklüfteten Schlucht gab, die zu seiner Zeit den Tempelberg Jerusalems vom westlichen Hügel oder Berg Zion trennte und in das Hinnom-Tal mündete. Dies kommt nur einmal in seinen Schriften vor. Der Name bedeutet so viel wie „Tal der Käsemacher”. Der von Josephus verwendete Name, των τυροποιων (tōn tyropoiōn), entstand möglicherweise durch eine Fehlübersetzung aus dem Hebräischen ins Griechische.

Obwohl es als Tal bezeichnet wird, ist das Tyropoeon tatsächlich eine Falte oder Vertiefung zwischen den verschiedenen Hügeln, die sich aus einem Massiv erheben. Während der Zeit des Zweiten Tempels wurde das Tyropoeon-Tal, das heute mit einer riesigen Menge an Schutt zu einer Ebene aufgefüllt ist, von Brücken überspannt. Eine von ihnen, die Zionsbrücke, verband vermutlich Palast und Tempel.

In diesem Jahr beginnt Schawuot am heutigen Dienstagabend und endet zwei Tage später, am Donnerstagabend. Auch wenn der Ursprung des Käsekuchens nicht eindeutig geklärt werden kann, hat auch er eine lange und beliebte Tradition in vielen jüdischen Familien. Möge der Verzehr von Milchprodukten und Käsekuchen nach israelischem Rezept an Shawuot dem Empfang der süßen, nährenden Worte der Tora entsprechen, ganz im Sinne und in Erfüllung des Verses: „Honig und Milch sind unter deiner Zunge“.

*Gläubige Juden, die das Wort „Gott“ aus Ehrfurcht nicht schreiben wollen, ersetzen mitunter das O durch ein Satzzeichen: zum Beispiel G“tt, G’tt oder G-tt.

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6 Responses

  1. Auch diesmal wieder ein super interessanter Beitrag! Wieder so viel gelernt!!! Und Käsekuchen scheint in der ganzen Welt beliebt zu sein,egal wo man hinkommt.🥧 Bei mir übrigens auch. 😋

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  2. Danke für den Bericht. Habe wieder dazugelernt.
    Auch ich finde Käsekuchen gut.

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  3. Also,Käsekuchen scheint ja der Renner zu sein! 😆 Ich glaube,ich werde Freitag einen backen. Jetzt habe ich richtig Appetit bekommen!😋😃

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