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Ein grenzüberschreitendes Museum

Das „Museum of the Seam“ markiert die einstige Nahtstelle zwischen Ost- und Westjerusalem. Die aktuelle Ausstellung zeigt Fotografien von Protestbewegungen in Israel.
Von Israelnetz

Das „Museum on the Seam“ (MOTS), auf Deutsch: Museum an der Naht, ist ein gesellschaftspolitisches Museum für zeitgenössische Kunst. Es residiert genau an der geografischen Nahtstelle zwischen Ost- und Westjerusalem. Das MOTS präsentiert in einem speziellen Ambiente Kunst als eine Sprache ohne Grenzen, greift relevante gesellschaftliche Themen auf, regt zu kontroversen Diskussionen an und will gesellschaftliche Brücken bauen.

Die wechselnden Ausstellungen des Museums widmen sich Themen wie Umwelt und Nachhaltigkeit, den Folgen des Kapitalismus, Fragen des öffentlichen Gewissens, der Einsamkeit des Einzelnen im technologischen Zeitalter, geschlechtsspezifischer Gewalt und den Beziehungen zwischen Mensch und Tierwelt.

Das Museum on the Seam ist in einem neoklassizistischen Gebäude aus dem Jahr 1932 zuhause. Es wurde einst von der Familie Baramki erbaut. In Folge des Israelischen Unabhängigkeitskrieges 1948, der zur Teilung Jerusalems führte, diente das Gebäude bis 1967 als Außenposten der israelischen Armee, gelegen an der „Waffenstillstandslinie“ zwischen Israel und Jordanien, neben dem Mandelbaum-Tor, das den Osten und Westen der Stadt verband. Dies erklärt die Wahl des Namens für das Museum. Die einstigen Schießscharten sind bis heute deutlich sichtbar und bewusst in die Museumskonzeption einbezogen.

Die Umwandlung des Turjeman-Postens in ein Museum, das auch die Geschichte Jerusalems als geteilte Stadt dokumentiert, erfolgte 1983 auf Initiative von Teddy Kollek (1911–2007). Er war zu jenem Zeitpunkt Bürgermeister von Jerusalem und gründete die Jerusalem-Stiftung. Großzügig unterstützt wurde Kollek durch Georg von Holtzbrinck.

Fotografien dokumentieren Proteste

1999 nahm sich Raphie Etgar der Leitung des Museums an und führte es zu einer anerkannten und geschätzten Jerusalemer Institution, die sich unermüdlich dem Dialog, der Verständigung und der Koexistenz widmet. Etgars Engagement und Expertise der Kunstszene führten das Museum on the Seam zum ersten gesellschaftspolitischen Museum in Israel für zeitgenössische Kunst, das konsequent Gleichheit, Menschenrechte und Vielfalt propagiert.

Die aktuelle Foto-Ausstellung Democrisis zeigt ein breites Spektrum an Fotografien, die Proteste der vergangenen Jahrzehnte in Israel dokumentieren. Sie wirft Fragen zu den Grenzen von Demokratie, zivilem Ungehorsam und Meinungsfreiheit in Israel auf. Die Ausstellung läuft bis zum 1. März.

Unter den Fotos findet sich auch eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von den Protesten der israelischen Black Panther Bewegung, eine israelische Protestbewegung jüdischer Einwanderer aus Nordafrika und Ländern des Nahen Osten. Sie war in den 1970er Jahren eine der ersten Organisationen in Israel, die sich für soziale Gerechtigkeit für sephardische und misrachische (orientalische) Juden einsetzte.

Die Gründer hatten sich von der afroamerikanischen Organisation „Black Panther Party“ inspirieren lassen und deren Namen übernommen. Um eine Verwechslung auszuschließen, wird die Protestbewegung als israelische Black Panther bezeichnet.

Nachdenken über Wirksamkeit von Protest

Die Fotografien und die Ereignisse, die sie darstellen, laden Besucherinnen und Besucher dazu ein, über die Wirksamkeit des Protests und die konzeptionellen und technologischen Veränderungen in der Fotografie, Dokumentation und Darstellung nachzudenken. Dazu gehört etwa die aktive Teilnahme von Fotografen an Protesten.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Proteste gegen die Justizreform im ultra-orthodoxen Bnei Brak (© Hadas Parush) …
Foto: Gundula M. Tegtmeyer
… und gegen eine Wehrpflicht für Ultra-Orthodoxe (Fotografie von Abir Sultan)

Die Ausstellung zeigt auch, dass die Fotografie immer mehr zu einem integralen Bestandteil von Protest- und Demonstrationsakten wird und eine kommunikative und bewusstseinsverändernde Rolle für die Kunst beansprucht. Die Betrachtung der Arbeitsweise von Fotografinnen und Fotografen und der ihnen zur Verfügung stehenden Werkzeuge zeigt unterschiedliche künstlerische Strategien auf. Sie wirft Fragen nach der Rolle und der Aufgabe der Fotografen auf, sowie nach dem Verhältnis zwischen Medium und Botschaft.

Walter Benjamin (1892–1940), deutscher Philosoph und Kulturkritiker, warnte vor einer Ästhetisierung des Politischen. Er sah die Mobilisierung und Missbrauch von Bildern im Dienste des Faschismus voraus, deren ästhetische Anmutung zur Verschleierung oder Beschönigung von Unterdrückungs- und Autoritätsmechanismen genutzt wird. Demgegenüber forderte Benjamin eine Politisierung des Ästhetischen: eine kritische und politisch bewusste Nutzung der Kunst zur Anregung der Sinne und des Geistes.

Die Fotografien der Ausstellung Democrisis zeigen verschiedene Aspekte der Politik und Praxis der Protestfotografie, die von den Grenzen der Meinungs- und Handlungsfreiheit zeugt. Indem sie verschiedene Blickwinkel miteinander verbinden, zeichnen die Fotografien die sozialen und aktivistischen Aspekte der Proteste nach, die sie abbilden, und offenbaren ihre Bildsprache und die Reichweite ihres Einflusses. Gleichzeitig spiegeln die Bilder eine Auflösung von Solidarität und gegenseitiger Verantwortung in der israelischen Gesellschaft wider.

Film verwischt Grenzen zwischen Fakt und Fiktion

Im Keller des Museum-Gebäudes läuft in einem stark abgedunkelten Raum der Film Continuity des israelischen Videokünstlers und Regisseurs Omer Fast.

Der Plot: Torsten und Katja, ein Paar mittleren Alters, holen Daniel, einen jungen Soldaten, der gerade aus Afghanistan zurückgekehrt ist, am Bahnhof ab. Die Intimität zwischen Eltern und Sohn ist zweideutig, und die Atmosphäre wirkt beunruhigend. Am nächsten Tag setzt sich das Paar wieder in sein Auto und fährt zum Bahnhof. Ein anderer junger Soldat wartet am selben Ort.

Durch eine Reihe von schattenhaften Begegnungen und Wiederholungen, die es schwierig machen, das Reale vom Irrealen zu unterscheiden, erforscht Continuity Erfahrungen von Verlust, Erinnerung und Heimsuchung innerhalb des spezifischen familiengeschichtlichen Umfelds auf dem Bildschirm und weitet sie auf individuelle und kollektive Traumata aus anderen Orten und Zeiten aus.

Omer Fasts Filme und Videoinstallationen verwischen oft die Grenzen zwischen faktischen und fiktionalen Elementen, zwischen Realität und Fantasie. Sie schaffen hybride Genres, die gleichzeitig filmische Konventionen untersuchen und sich ihnen widersetzen. Durch Wiederholung, Fragmentierung und kreatives Geschichtenerzählen erforschen seine Arbeiten, wie persönliche, kulturelle und politische Erzählungen konstruiert und transformiert werden. Sie machen dem Betrachter die vielfältigen Perspektiven bewusst, die jede kommunizierte Erfahrung mit sich bringt.

Von: Gundula Madeleine Tegtmeyer

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Eine Antwort

  1. Das Museum ist eine wichtige Dokumentation der Geschichte Israels und seiner Protestbewegungen. Damals waren Fotos und Videos noch reale wahrhaftige Zeitzeugen. Leider hat sich seit KI alles verändert. Immer häufiger tauchen fake Bilder auf, die der Hamas Propaganda dienen. Noch bei genauer Betrachtung zu erkennen, wenn die Hand mal sechs statt fünf Finger hat, oder am Fuss ein Zeh fehlt. Doch KI lernt dazu. Und da leider keine Kennzeichnungspflicht besteht, hat Israel kaum noch eine Chance diese Propaganda Schlacht auf tiktok, Instagram, facebook oder youtube zu gewinnen. Hunderttausende von Israel- und Juden Hassern wirken dabei mit: Muslime, Linke, Influencer, blogger, um mit fake news und KI gefälschen Fotos den Hass weiter zu schüren. Deshalb unterstütze ich Israelnetz und seine Arbeit gerne auch mit meiner Spende. Und als gelernte Profifotografin blicke ich mit Sorge auf die unzähligen KI gefälschten fake Bilder, die kaum noch als solche enttarnt werden können. Da tut diese Ausstellung als Gegengewicht mal gut.

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