Ma’alot ist eine Kleinstadt in Galiläa, im Norden Israels. Von dort sind es Luftlinie 9 Kilometer bis zur libanesischen Grenze. Wenn Raketenalarm ausgelöst wird, bleiben wenige Sekunden, um sich in Sicherheit zu bringen.
Seit 1984 betreibt das christliche Hilfswerk Zedakah e.V. dort ein Altenpflegeheim. Ein Bunker gehört zum Standard für öffentliche Gebäude. 2006, während des Zweiten Libanonkriegs, mussten die Bewohner dort einige Wochen ausharren. Ansonsten spielte das Bunkerstockwerk kaum eine Rolle im Alltag, zeigte aber den Besuchern des Werks aus Deutschland, wie ernst die Lage in diesem „heiligen“ Land werden könnte – theoretisch.
Am 7. Oktober änderte sich dies, aus der Theorie wurde schreckliche Realität. Nach dem Angriff der Hamas aus dem Gazastreifen verschärfte sich auch die Lage im Norden Israels, wo die Terrorgruppe Hisbollah jenseits der Grenze sitzt, mit geschätzt weit mehr als 100.000 Raketen im Arsenal. Nach wenigen Tagen wurde entschieden, die Bewohner und das Leben in den Bunker zu verlagern. Das war vor nunmehr fast dreieinhalb Monaten!
Was darf die vielbeschworene Solidarität mit Israel kosten, die deutsche Staatsräson? Touristen und andere Ausländer haben Israel nach dem 7. Oktober schleunigst verlassen. Israel-Demonstrationen gab es immer wieder, aber viele scheuten sich davor, sich der Gefahr auszusetzen, eventuell von Gegendemonstranten angegangen zu werden. Eine Israel-Flagge zu hissen wurde teilweise nach mehrfachem Vandalismus wieder aufgegeben.
Christen beten und spenden, haben WhatsApp-Gruppen und sind auf Sozialen Medien aktiv. Aber am Arbeitsplatz? In der Schule, an der Uni? Wie unbequem darf es werden? Juden in Deutschland fühlen sich alleingelassen, was bringen ihnen Solidaritätsbekundungen, wenn sie in der Öffentlichkeit gewalttätige Übergriffe fürchten müssen?
Mehr als Beten und Spenden
Rachel Schmidt ist Mitarbeiterin in Ma‘alot. Einen Monat nach Kriegsausbruch ist sie nach Israel ausgereist. Sie vertraut auf Gott und sagt: „Ich hatte nicht eine Sekunde Zweifel, dass es richtig ist, trotzdem hierher zu kommen. Gott hat mir so eine Ruhe und Gewissheit ins Herz gelegt.“
Viele andere sind ebenfalls dageblieben, nur eine Handvoll der über 20 Volontäre hat abgebrochen, oft wegen der Sorgen der Angehörigen. Mitarbeiterin Melanie Fenzel berichtet: „Mich beeindruckt es immer wieder, wie schnell wir uns daran gewöhnt haben, im Bunker zu arbeiten. Ich hatte Nachtdienst in der ersten Nacht im Bunker und ich weiß noch, wie chaotisch alles war, wie seltsam, dass die Bewohner in einem großen Raum schlafen und ich meine Rundgänge mit einer Stirnlampe mache. Mittlerweile haben wir sehr viel optimiert, eine gewisse Ordnung geschaffen und eine Routine entwickelt – auch in Bezug auf die zwei Waschbecken und zwei Toiletten, die für die Heimbewohner zur Verfügung stehen.“
Es sei schon sehr eng im Bunker, erzählt Rachel, und auch das fehlende Tageslicht sei eine Herausforderung. „Aber ich empfinde es als großen Segen, dass wir als Mitarbeiter untereinander einen sehr großen Zusammenhalt spüren.“
Solidarität mit dem Leben bezahlt
Einen entsetzlich hohen Preis für die Solidarität mit Israel und dem jüdischen Volk hat die Familie von Nelli und Gideon Bayer bezahlen müssen. Sie sind Mitarbeiter in Ma‘alot, Gideon ist in Israel aufgewachsen, sein Vater hat das Pflegeheim mit aufgebaut, seine Geschwister arbeiten alle mit im Werk Zedakah.
Am 7. Oktober sind innerhalb weniger Stunden vier der Kinder von Nelli und Gideon in den Krieg gezogen. Sie sind erwachsen und haben freiwillig Wehrdienst geleistet. Israelische Staatsbürger sind sie nicht, sondern Deutsche mit Daueraufenthaltsgenehmigung. Aber eigentlich sind sie Israelis, als Christen fühlen sich mit Gottes Volk eng verbunden.
Urija Bayer kämpfte in einer Spezialeinheit im Gazastreifen, am 14. Dezember 2023 wurde er schwer am Kopf verletzt, am 17. Dezember starb er im Krankenhaus. Der 20-jährige Deutsche bezahlte seine Solidarität mit Israel mit seinem Leben.
Abgeordneter erwähnt Opfer der christlichen Familie
Das Werk Zedakah, das seit 1960 seinen Dienst an Holocaust-Überlebenden tut und sich wenig um öffentliche Aufmerksamkeit bemüht, ist seit dem Tod Urijas in den Fokus der israelischen Öffentlichkeit geraten. Weit über tausend Menschen kamen zur Beerdigung, in der Trauerwoche wurde die Familie sogar von ultra-orthodoxen Juden besucht. Der Knessetabgeordnete Mickey Levy erwähnte Urija in einer Rede im Parlament und dankte der Familie für „ihr Opfer“ im Namen der Nation.
Viele Israelis fragen sich seitdem: Was sind das für Menschen, die als deutsche Christen für Israel ihr Leben verlieren, während in den Abstimmungen der UNO die deutschen Stimmen zum wiederholten Male Israel gerade nicht den Rücken stärken? Als „Gerechter unter den Nationen“ wurde Urija in der „Jerusalem Post“ bezeichnet, Beiträge kamen in Hauptnachrichtensendern. Auch jüdisch-orthodoxe Medien wurden aufmerksam, die normalerweise gegenüber Christen und Deutschen besonders skeptisch sind.
In Deutschland hat die Online-Ausgabe der „Bild“-Zeitung groß über den Tod Urijas berichtet, „Welt.de“ hat Nelli und Gideon interviewt. Zuletzt haben die „Tagesthemen“ über die Lage in Ma‘alot berichtet.
Alltag unter erschwerten Bedingungen
Die Aufmerksamkeit ist größer geworden, doch währenddessen geht die Arbeit weiter. 16 Holocaust-Überlebende müssen versorgt werden, nur gelegentlich können einzelne von ihnen an die frische Luft, immer in Sicherheitsabstand in der Nähe des Bunkers.
Der Alltag unter erschwerten Bedingungen lässt wenig Raum für Überlegungen, wie es langfristig weitergeht. Aber das ist schon immer die Überzeugung der Zedakah-Leute: Mit Gottes Hilfe wird es weitergehen, „Tröstet, tröstet mein Volk“, das ist auch künftig der Auftrag des Werks. Auch wenn die Kosten derzeit hoch sind.
Mitarbeiterin Jannika Vetter erzählt: „Nach Hause gehen? – Darüber habe ich nie ernsthaft nachgedacht, obwohl ich auch hin und wieder Angst habe. Es hilft, dass wir hier alle gemeinsam in diesem Boot sitzen und miteinander durchmüssen. Ich habe mir dann auch die Frage gestellt, wie ich trösten kann, wenn ich eigentlich selber Trost brauche. Dabei ist mir 2. Korinther 1,3+4 wichtig geworden: ‚Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Bedrängnis, damit wir auch trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott.‘ – Gerade jetzt hat Israel, das so sehr in Bedrängnis geraten ist, Gottes Trost durch uns besonders nötig!“
Von: Timo Roller
6 Antworten
Herzlichen Dank. Möge der EWIGE euch segnen. Toda raba. Shalom
@Israelnetz: Vielen Dank für den Artikel über unser lieben Freunde in Ma’alot.
Was für ein grossartiges Zeugnis diese Menschen ablegen! Deutsche Christen, die im Land bleiben und weiterhin ihre Arbeit mit Liebe leisten. Vielen herzlichen Dank dafür. Möge der HERR euch beschützen und bewahren an Leib und Seele.
Tröstet, tröstet mein Volk, !! das tut ihr. Gesegnet sei euer Dienst. Viel Kraft und Segen für euch, Mut weiter zu machen unter den schwierigen Bedingungen .
Des Herrn reichen Segen für Euch, Kraft und Bewahrung weiter zu machen unter den schwierigen Bedingungen .
Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott . Schalom
,,Getröstet,tröstet mein Volk/spricht euer G’tt!/“
Liebe ZEDAKAH Familie,liebe Geschwister von ZEDAKAH. Im März 2023 durften wir als Team des HWD Euer wunderschönes Haus besuchen.
Niemand dachte im Traum daß über unsere Überlebenden der Shoa nochmals so eine Katastrophe kommen würde.Das tut mir sehr weh.In meinen Gebeten und Gedanken bin ich ganz fest bei Euch.Und Wir wollen,trotz des Balagans,vertrauen.Daß ER die SEINEN nie im Stich läßt.ER segne Euch alle in Eurem Dienst an den Juwelen,die ER Euch momentan anvertraut hat.Bleibt behütet und seid reich gesegnet in Yeshua HaMaschiach und fühlt Euch umarmt von mir.Gebt diese Umarmungen bitte auch an Eure Schutzbefohlenen/unsere Juwelen weiter.
Liebe Grüße und Shalom,Eure Elvira Löwenstein