Israel genehmigt als erstes Land künstliches Fleisch vom Rind

JERUSALEM (inn) – Als erstes Land der Welt hat Israel am Mittwoch künstliches Fleisch aus Zellkulturen von Rindern für den Handel zugelassen. Das Gesundheitsministerium teilte mit, das künstliche Fleisch gelte als „neues Nahrungsmittel“ und unterliege daher einem strengen Genehmigungsverfahren zum Schutz der öffentlichen Gesundheit. Diesen Test habe das Produkt des Unternehmens Aleph Farms bestanden.

Ziva Hamma leitet die Abteilung für Lebensmittel-Risikomanagement im Gesundheitsministerium. Mit der nun erteilten Genehmigung sieht sie Israel als Weltmarktführer im Bereich kultivierter Lebensmittel. Die Abteilung bleibe im Dialog mit verschiedenen Unternehmen, um diesen Bereich zu fördern.

Netanjahu: Vorteil für Wirtschaft und Tierwohl

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu (Likud) sieht sein Land ebenfalls als Vorreiter im Bereich künstlich erzeugter Lebensmittel. Die nun erfolgte Genehmigung sei eine gute Nachricht mit Blick auf die Lebensmittelsicherheit, den Umweltschutz und das Tierwohl.

Bereits vor drei Jahren habe er ein Team ins Leben gerufen, um diesen Bereich zu fördern. Dies sei auch mit dem Anliegen geschehen, mit Innovation die Wirtschaft Israels zu stärken. Dem Team gehören Experten aus unterschiedlichen Ministerien an, darunter das Gesundheits-, das Forschungs- und das Wirtschaftsministerium.

Angebot zu üblichen Preisen anvisiert

Israel ist das dritte Land, das künstliches Fleisch genehmigt hat. In Singapur und in den USA ist bereits Fleisch aus Zellkulturen von Hühnern zugelassen. Künstliches Fleisch vom Rind gibt es bislang nur in Israel.

Für den Verkaufstart seien noch bürokratische Hürden zu überwinden, teilte Aleph Farms mit. Das Fleisch soll zunächst in Restaurants verfügbar sein und später auch im Einzelhandel zum Verkauf stehen. Der Preis soll ähnlich sein wie bei echtem Rind „in Premiumqualität“, wie Geschäftsführer Joav Reisler bekanntgab.

Unternehmen wie Aleph Farms machen sich die Fähigkeit von Tieren zunutze, ständig an Muskelmasse zulegen zu können. Sie isolieren dann die dafür zuständigen Zellen. Diese kommen in ein für das Wachstum optimales Umfeld, einen Bioreaktor mit Nährstoffzufuhr. Auf diese Weise entsteht Fleisch außerhalb des Tieres. Eine Herausforderung besteht auch darin, unterschiedliche Zelltypen zusammenwachsen zu lassen, damit das Produkt aussieht wie ein Steak.

Koscheres Produkt

Für den israelischen Markt ist auch von Bedeutung, dass das Oberrabbinat das Fleisch von Aleph Farms für koscher erklärt hat. Der aschkenasische Oberrabbiner David Lau stufte es im Januar 2023 zudem als „parve“ („neutral“) ein – es ist also weder Fleisch noch Milch, sondern fällt in eine Kategorie wie Gemüse oder Fisch. Ausschlaggebend dafür war der Umstand, dass für den Prozess Stammzellen aus einer befruchteten Eizelle verwendet werden, nicht die Zellen vom Muskel.

In der jüdischen Tradition ist es verboten, Fleisch- und Milchprodukte zusammen zu essen. Doch auch mit dem Kunstfleisch ist es noch nicht erlaubt, etwa einen Burger mit Käse zu essen. Lau verwies zum Einen auf das Prinzip des „Augenscheins“ im jüdischen Gesetz. Demnach ist eine Handlung auch verboten, wenn sie den Anschein einer verbotenen Handlung hat. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Juden, die aus Gewohnheit Kunstfleisch mit Käse essen, irgendwann auch echtes Fleisch mit Käse essen, und sei es aus Versehen.

Statusverlust möglich

Lau sieht vor allem in dem letztgenannten Aspekt ein Problem. Daher betont er, dass das Fleisch in bestimmten Fällen den Status als „parve“ verliert: Wenn es wie Fleisch vermarktet oder so zubereitet wird, dass es wie Fleisch wirkt, etwa dem Geruch nach. Genau darauf kommt es den Anbietern von Kunstfleisch aber an: Eine Alternative zu Fleisch zu erzeugen, die kaum von echtem Fleisch zu unterscheiden ist.

Nichtsdestotrotz begrüßte Aleph Farms die Einstufung des Oberrabinats. Es zeige die „Offenheit religiöser Behörden, den Anhängern öffentlich zu versichern, dass kultiviertes Fleisch zum Verzehr geeignet ist“, teilte das Unternehmen mit. Das Urteil sei somit auch für den gesamten Sektor wichtig.

Das Unternehmen mit Sitz in Rechovot wurde 2017 gegründet. Einer der Gründer ist die israelische Biologin Schulamit Levenberg vom Technion in Haifa. Der amerikanische Schauspieler und Umweltaktivist Leonardo DiCaprio gab im September 2021 bekannt, dass er die Forschungsarbeit des Unternehmens unterstütze. (df)