Suche
Close this search box.

Jüdisches Kultzeichen par excellence

Die Lichter der Menora sind Leuchttürme des Glaubens an die Erneuerung des jüdischen Lebens im Land Israel. So ist es nur natürlich, dass mit der erkämpften Erfüllung dieser tausendjährigen Hoffnung die Menora als Emblem des modernen Staates gewählt wurde.
Von Gundula Madeleine Tegtmeyer

Am 11. Februar 1949, nach neunmonatigen Beratungen und nach Prüfung von mehr als 450 Vorschlägen, entschied sich das eigens dafür ernannte Komitee für den Vorschlag der Gebrüder Maxim und Gabriel Schamir. Die Grafiker hatten ein Emblem mit dem siebenarmigen Leuchter entworfen, wie sie auf dem Titus-Bogen in Rom zu sehen ist, beiderseits flankiert von einem Olivenzweig.

Seit mehr als 3.000 Jahren begleitet die Menora die Kinder Israel (hebräisch: Bnei Israel). Sieben Wochen nach dem Auszug aus Ägypten erhielt das versammelte jüdische Volk die Zehn Gebote. Nach der Offenbarung am Berge Sinai forderte G´tt: „Macht mir ein Heiligtum, damit ich unter Euch verweilen kann“ (2. Mose 25,8).

Ausführliche Beschreibung in der Bibel

Die Tora beschreibt detailliert den Bau dieses Heiligtums, auch Stiftszelt genannt, weil alle Materialien vom Volk dargebracht wurden. In der Hebräischen Bibel wird im Buch Exodus in den Kapiteln 25,31–40 und 37,17–24 ausführlich beschrieben, dass für das Stiftszelt ein Leuchter angefertigt werden muss und wie er aussehen soll. G´tt formte ein himmlisches Muster aus Feuer und Mose erblickte in einer Vision einen siebenarmigen Leuchter aus reinem Gold, welcher aus einem Stück gehämmert war.

Der Bauplan, hebräisch tavnit (Exodus 25,9.12), stammte von G´tt selbst, seine Umsetzung ließ Freiraum für künstlerische Kreativität. In der Tora wird Bezalel, ein besonders begabter Kunsthandwerker, von Mose beauftragt, das Zeltheiligtum, hebräisch mischkan, auszustatten. Unter seiner Federführung entstand ein eingezäunter Hof mit dem Tempel als Mittelpunkt.

Im hinteren Teil, dem „Allerheiligsten“ wurden in einer vergoldeten Truhe die zwei Tafeln, auf denen G´tt die Zehn Gebote eingraviert hatte, aufbewahrt. Die Bundeslade blieb dem Volk verborgen, niemand – mit Ausnahme des Hohepriesters zu Jom Kippur – durfte das Allerheiligste betreten. Im vorderen, dem größeren Teil des Stiftzeltes, befanden sich weitere heilige Geräte, die von allen bewundert werden durften. Sie wurden überragt von einem prachtvollen Leuchter aus purem Gold, der Menora, angefertigt von Bezalel aus einem Stück, wie von G´tt geheißen, mit Ausnahme der sieben angesetzten Kelche.

Es war Aufgabe der Cohanim, der Tempel-Priester, frisch gepresstes, reines Olivenöl bei Einbruch der Nacht in diese sieben Kelche zu füllen und anzuzünden. Die Lichter brannten bis zum Morgengrauen. Im Zweiten Tempel loderten drei der sieben Lampen auch tagsüber. Das Gebot, die Lichter der Menora nicht erlöschen zu lassen, galt selbst am heiligen Schabbat.

Symbolische Zahl

Die Zahl Sieben ist nicht zufällig gewählt, sie steht im Judentum für Vollkommenheit, Schöpfung und Gesamtheit. Die „Sieben“ verkörpert zwei vermeintliche Gegensätze, die sich dennoch ergänzen: Einheit und Vielfalt.

Der Schaft und die Zweige waren aus geschlagenem Gold, die Kelche, Knäufe und Blüten geschaffen aus einem Stück, wie von G´tt befohlen. Jeder Zweig trug einen mandelförmigen Kelch mit Knauf und Blüte.

Auffällig im Bibeltext ist die wiederholte Erwähnung botanischer Begriffe wie Zweige, Knöpfe, Blüten, mandelförmige Kelche. War womöglich eine Pflanze Vorbild für die Gestaltung der Tempelmenora? Dieser spannenden Frage gingen Ephraim Hareuveni und seine Ehefrau Hannah nach, Gründer des Museums für biblische und talmudische Botanik auf dem Campus der Hebräischen Universität Jerusalem auf dem Skopusberg. 1948 wurde der Botanische Garten während der Kämpfe im israelischen Unabhängigkeitskriegs zerstört.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Eine alte Abbildung der Menora zeigt den botanischen Aspekt

Auf ihren ausgiebigen Streifzügen entdeckten die passionierten Botaniker, dass es von der Wüste Sinai bis zu den Bergen des Libanon eine Reihe verschiedener Arten einer außerordentlich zerbrechlichen Gruppe von Pflanzen gibt. Sie illustrieren durch ihre Form und weitere botanische Merkmale die biblischen Verse, die die Menora beschreiben.

Die wohlduftenden Arten gehören hauptsächlich zur Gattung Salvia, die zur Familie der Salbeigewächse gehört. In der modernen israelischen Botanik wird diese Gattung bei ihrem syrischen Namen Marva genannt. Ephraim Hareuveni vermutete, dass der syrische Name vom hebräischen Namen Morija abgeleitet wurde, wie der Ortsname „Land Morija“, wohin Abraham ging, um Isaak zu opfern (Genesis 22,2). Es ist der später als „Berg Morija“ bezeichnete Ort, an dem König Salomo den Heiligen Tempel baute (2. Chronik 3,1).

Besagte Pflanze hat Zweige, die von ihren Seiten ausgehen: drei Zweige von der einen Seite und drei von der anderen, exakt wie im Buch Exodus beschrieben. Die Blätter unter jedem Zweigpaar werden in der Bibel als kaftor-artig charakterisiert, was meist mit „Kelch“ – von griechisch kalyx – oder „Knauf“ übersetzt wird.

Licht brannte immer

Die Menora stand einst im Süden des Jerusalemer Tempels und war ein fortwährend brennendes Licht. Das Verbrennen von duftendem Weihrauch ging stets mit dem Anzünden der Lampen der Menora einher: Und wenn er (Aaron) die Lampen zwischen der Dämmerung und der Dunkelheit anzündet, soll er das Räucherwerk anzünden; so soll ein ewiges Räucherwerk vor dem Herrn brennen für alle eure Generationen. (Exodus 30,7–8)

Als der römische Feldherr Titus Jerusalem einnahm und den Zweiten Tempel 70 nach Christus zerstören ließ, war ihm die zentrale Bedeutung des kultischen Leuchters bewusst. Triumphierend verschleppte Titus die Menora als Symbol für die Zerstörung Jerusalems, des Heiligen Tempels und des jüdischen Volkes nach Rom. Das ist eingemeißelt im Titusbogen in Rom.

Doch trotz Verschleppung – die Lichter der Tempel-Menora erloschen nicht. Tausende von Menorot wurden im Heiligen Land und in der Diaspora angezündet, als Zeichen des festen Glaubens, dass das Licht der Unabhängigkeit Israels wieder entzündet werden würde.

Chanukka-Leuchter: Acht Arme und ein Diener

Licht und Duft wurden vom Schöpfer zusammengeführt, so auch beim Havdala-Gebet am Ende des heiligen Schabbats, genau wie die Lampen und der Duft des Weihrauchs im Tempel einst zusammengebracht wurden, wo die Menora mit „reinem Öl aus zerstoßenen Oliven“ angezündet wurde.

Nach der Zerstörung des Zweiten Tempels durch die Römer waren Nachbildungen der siebenarmigen Tempel-Menora verboten. Dies ist eine Erklärung dafür, dass die heutigen Chanukkiot, die Chanukka-Kerzenständer, acht Arme haben.

Foto: Israelnetz/mh
Am Chanukka-Leuchter wird während des Festes jeden Tag eine Kerze mehr entzündet

Das neunte Licht ist der Diener, hebräisch schamasch. Nur mit ihm dürfen die anderen Lichter der Chanukkia angezündet werden. Die Chanukkia erinnert an die Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem nach dem erfolgreichen Makkabäer-Aufstand im Jahr 164 vor Christus. Die Makkabäer führten den traditionellen jüdischen Tempeldienst wieder ein. Das diesjährige Chanukka-Fest beginnt am heutigen Donnerstagabend.

Chanukka: Verbindung zum Tempelleuchter

Wenn Juden und Jüdinnen auf der ganzen Welt Chanukka feiern und ihre neunarmigen Leuchter anzünden, tun sie mehr, als nur der Befreiung Jerusalems durch die Makkabäer zu gedenken. Sie erinnern auch an die Tempelmenora, die mit den Morija-Pflanzen verbunden ist, die vom Sinai bis zum Berg Hermon wachsen.

Die besondere Verbundenheit mit der Menora ist offenkundig. In Jesaja 42,6 heißt es, dass das jüdische Volk ein „Licht unter den Völkern“ werden soll. Die Brotlaibe im Tempel verkörperten die materielle Wohlfahrt, die Menora die geistige Erleuchtung.

Die Menora im Tempel erinnerte daran, dass G´tt als allererstes das Licht geschaffen hat, welches somit Teil des Schöpfungsaktes wurde. Wir, als Sein Partner, sollen in der Schöpfung der Welt fortfahren, Licht in das Universum zu bringen.

In seinem Aufsatz zur „Menora in der jüdischen Tradition“, schrieb Rabbiner Michael Goldberger (1961–2012): Auf der physischen Ebene diente die Menora der Beleuchtung des Stiftzeltes. Auf der geistigen Ebene soll sie Herz und Verstand erleuchten und das jüdische Volk inspirieren, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, indem es Raum schafft für das Licht der Tora.

Die Menora diente im Jerusalemer Tempel als Trägerin des Ewigen Lichtes. Beide jüdische Tempel wurden gewaltsam zerstört. Bis zum heutigen Tage finden wir in Erinnerung an die Tempel-Menora in jeder Synagoge das Ner Tamid, ein „Ewiges Licht“, mittlerweile elektrisch, um zu gewährleisten, dass es ununterbrochen brennt. Auch im Wort „Tora“, das „Lehre“, „Unterweisung“ bedeutet, finden wir das Wort or, Hebräisch für „Licht“.

Das Emblem des modernen Staates Israel ist die Menora, flankiert von je einem Olivenzweig. Folgende Worte schmücken den Sockel des Leuchters: Nicht durch Macht noch durch Kraft, sondern durch Meinen Geist (Sacharja 4,6). Laut Ephraim Hareuveni wurden diese hebräischen Worte in der Vision des Sacharja in den sieben Flammen der Menora gestaltet offenbart.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Auch im Obersten Gerichtshof ist das Emblem abgebildet

Nach Ansicht Rabbiner Goldbergers verkörpert die Menora den Baum des Lebens im Gan Eden, dem Paradies. Der heilige Tempel erinnere das jüdische Volk an die Aufgabe und das Ziel, die vollkommene Einheit des Paradieses zu gestalten, wobei die ganze Welt in ein Haus G´ttes gewandelt werde müsse.

Die Menora erinnert uns daran, dass wir g´ttliche Lebenskraft nutzen dürfen, um Verzweiflung zu überwinden, dass wir nur im Spannungsfeld von Bewahrung und Erneuerung wachsen können und dass wahre Einheit Gegensätze in sich birgt. Sie ermutigt uns dazu, mit anderen in einen ehrlichen Dialog zu treten.

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Eine Antwort

  1. Danke für den Bericht über die Lichter der Menora. Hier lernen viele dazu.

    5

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen