Ein bisschen verrückt ist es ja schon, was die Mitglieder des Vereins „Friedensglocken e.V.“ da auf die Beine gestellt haben. Auf Kutschen, gezogen von friedliebenden Pferden, bringen die Pferde- und Friedensfreunde eine Glocke zu den Menschen, um an die wichtige und gar nicht selbstverständliche Botschaft des Friedens zu erinnern. Getreu dem Bibelwort „Jaget dem Frieden nach!“ (Hebräer 12,14) treten sie für Frieden und Völkerverständigung ein, wie die Verantwortlichen bei einem Besuch des Trecks in Bayern sagen.
„Unser Ziel ist es, mit Pferden und Kutschen Kontakte zu Menschen aufzubauen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und so einen Beitrag für ein versöhntes, friedliches Europa zu leisten“, sagt Cornelia Dreyer-Rendelsmann gegenüber Israelnetz. Sie ist von Beruf Diplom-Agrar-Ingenieurin und Sachverständige für Zucht und Haltung von Pferden.
Unabhängig von Religion, Hautfarbe, Herkunft und politischer Ausrichtung wollen die Pferdefreunde aus ganz Deutschland darauf aufmerksam machen, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist und Menschen es selbst in der Hand haben, ihn zu bewahren. So bunt gemischt wie die Pferderassen des Trecks – von Shetland-Ponys bis zu Kaltblütern – sind auch die Teilnehmer. Sie kommen aus unterschiedlichen Altersgruppen, sind gläubig oder nicht, können reiten und/oder Kutschen fahren oder nicht.
Ein Podcast und viele Fotos von der Reise
Ein wenig sieht es aus wie ein gastierender Zirkus am Rande der Stadt. Nahe den Sportanlagen auf einem Schotterplatz hat sich die Gruppe mit den Pferden und den Kutschen in Augsburg versammelt. Geschlafen wird in Zelten oder im Auto, Waschanlagen gibt es beim nahegelegenen Stadion. Geduldig warten die Pferde an diesem Dienstagmorgen auf ihren Einsatz, der Wagen mit der großen Friedensglocke steht bereit.
Gleich geht es einmal durch die Augsburger Innenstadt. Polizisten auf Fahrrädern und Motorrädern fahren dem Treck voraus und machen Platz. Die Straßen werden kurzzeitig gesperrt, alle Autofahrer warten geduldig, die meisten haben ein Lächeln im Gesicht. Mütter mit ihren Kindern laufen eine Weile neben den trabenden Pferden her.
Insgesamt drei Wochen zogen die 30 Vereinsmitglieder in diesem Sommer mit 18 Pferden und acht Gespannen durch Bayern und Baden-Württemberg, auf insgesamt 468 Kilometern mit rund 25 Kilometern pro Tag. Auf dem Friedensfest am 8. August in Augsburg überreichten Initiator Helmut Kautz und seine Friedenskutscher eine Friedensglocke an die Bürgermeisterin der Stadt. Die aktuelle Position des Trecks konnte wie immer im Internet live verfolgt werden, der Verein informierte mit einem Podcast und vielen Fotos von der Reise.
Jeden Morgen vor dem Start gebe es eine Andacht, sagt Alexander Kastell. Er war zwölf Jahre lang Geschäftsführer des christlichen Vereins „Alpha für Deutschland“, nun ist er begeistertes Mitglied des Friedensglocken-Vereins. Für ihn sei Frieden immer auch verknüpft mit seinem christlichen Glauben. Aber das müsse nicht für jedes Vereinsmitglied so sein. „Die Unterschiede zwischen evangelisch und katholisch oder zwischen evangelikal und evangelisch, ja auch zwischen christlich und muslimisch interessieren hier niemanden“, sagt Kastell.
Der Chef-Organisator des Trecks zum Beispiel sei ein alter Offizier der „Nationalen Volksarmee“ der DDR, ein „standhafter Atheist“. Kastell deutet auf einen großen Planwagen, der im Treck mitfährt und eine simple Botschaft trägt: „Peace Mission“ („Friedens-Mission“). Das klingt zwar christlich, habe damit aber erst mal nichts zu tun, sagt Kastell. Trotzdem sind Bezüge zu Kirche und christlichem Glauben nicht zu übersehen
Friedensglocke aus geschmolzenen Waffen
Die 70 Kilogramm schwere Friedensglocke, die auf einem schicken schwarzen Wagen aufgehängt ist, der von vier schönen braunen, gepflegten Pferde gezogen wird, ist etwas Besonderes. „In den beiden Weltkriegen wurden 75.000 Kirchenglocken eingeschmolzen für Waffen“, sagt Dreyer-Rendelsmann. „Wir gehen sozusagen den umgekehrten Weg. Unsere Glocke wurde gegossen aus Militärschrott, aus Granathülsen und Panzerteilen der beiden Weltkriege.“
Neben der einen großen Glocke sind auf die Kutschen noch kleinere verteilt. Manche davon werden an die Bürgermeister der Orte verteilt, durch die der Treck zieht. „Als Dankeschön für die Unterstützung“, sagt Dreyer-Rendelsmann. „Wir brauchen ja Platz für die Pferde und die Kutschen, ebenso Duschen und Toiletten.“ Die Pferde-Expertin ist von der Kombination aus Pferd und Frieden fasziniert. „Gibt es eine ruhigere Art, sich für den Frieden einzusetzen, als auf einem Kutschbock?“
Historisch gesehen hätten Pferde Krieg gebracht, aber auch Frieden, sagt sie. „Man denke nur an die ‚Friedensreiter‘ bei den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden, wo Reiter zwischen den beteiligten Städten Münster und Osnabrück die Botschaften der Gesandten jahrelang hin- und hergebracht haben.“
Ins Leben gerufen hat den Friedensglocken-Pferde-Treck Helmut Kautz, evangelischer Pastor aus dem brandenburgischen Landkreis Prignitz. Der heute 52-Jährige nahm 2018 an einem Pferde-Friedenstreck von Brandenburg nach Russland teil. Dieses Erlebnis beeindruckte ihn nachhaltig. Der gelernte Dachdecker brennt für den Glauben, aber er fackelt dabei vielleicht noch etwas abenteuerlicher herum, als so manch ein traditioneller Gemeindepfarrer. „Ich lebe unter Heiden“, sagt Kautz, der selbst im Osten aufwuchs und bei seiner Kirche immer wieder aneckte. „Im Westen darfst du ‚Heide‘ nicht sagen. Im Osten sind sie stolz darauf. Von denen will niemand in einen sozialpädagogischen Stuhlkreis gehen.“
Kautz war zunächst Kreisjugendmitarbeiter und ab 2012 Pfarrer im Pfarrsprengel Meyenburg. Dort gelte als dumm, wer an Gott glaubt. Daher trete er selbst überall lieber als „Hirte“ auf und nicht als Pfarrer. Sein Rezept ist einfach: „Man muss Jesus lieben, man muss die Menschen lieben, und man muss viel Frust ertragen können.“
Vom Brandenburger Tor bis zur „Stadt des Friedens“
Kautz ist ständig in Bewegung, mitten im Interview springt er öfter zu alten Bekannten, die vorbeikommen, um sie kurz, aber herzlich zu begrüßen. Es ist schwierig, ein Foto von diesem Hirten zu machen, auf dem er nicht in Bewegung ist. Sein feuerrotes Hemd ist von weitem zu sehen, sein weißes Kollar macht ihn auch für den kirchenfernsten Heiden als Mann Gottes erkennbar, weiß Kautz. Das Rot stehe aber eben auch für „Feuer, Heiligen Geist, für Märtyrer, die Liebe, aber auch Provokation“. Kautz fügt hinzu: „Der wirkliche Grund ist: Es gefällt meiner Frau.“
Pfarrer Helmut Kautz ist der Initiator des Friedenstrecks (Foto: Jörn Schumacher)
Als der Pastor vor fünf Jahren mit dem Pferdetreck nach Russland fuhr, kamen sie auch in die Stadt Weliki Nowgorod, wo die Deutschen im Zweiten Weltkrieg bis auf wenige Häuser alles zerstört hatten. Als er mit einer alten Russin sprach und sie fragte, wie sie es finde, wenn Deutsche einen Pferdetreck nach Russland unternehmen, sagte diese zu ihm: „Die Pferde bringen den Frieden.“ Kautz: „Von da an war klar, dass ich dafür Lebenszeit und Energie aufbringen und mich verspotten lassen möchte.“
Seit 2020 leitet er mit seiner Frau Almut auf dem Gelände des 1231 gegründeten Klosterstiftes Marienfließ – das älteste Zisterzienserinnenkloster Brandenburgs – ein wiedergegründetes Stift, in dem inzwischen 18 Menschen leben. Mit Pferden hatte er bislang wenig zu tun. Im brandenburgischen Dialekt erklärt er: „Ich habe kein Pferd, ich habe keine Kutsche, ich habe nur eine Vision.“
Inzwischen war der Treck seines Vereins schon mehrfach unterwegs, 2020 von Hamburg nach Nordbrandenburg, 2021 von Thüringen nach Nordrhein-Westfalen, und auf rund 400 Kilometern durch die Niederlande. Das alles sei auch eine große Übung für eine ganz große Tour, die der Verein für das Jahr 2025 anstrebt: Es soll mit den Kutschen, den Pferden und der Friedensglocke von Berlin bis nach Jerusalem gehen. „Eine hippologische, logistische und politische Herausforderung“, weiß Dreyer-Rendelsmann.
Förderung durch das brandenburgische Finanzministerium
Autos, Transporter, Kleidung und die Versorgung müssen auch hier organisiert werden, eine Feldküche, Zelte, Futter und Wasser für die Tiere. Hinzu komme die heiße Sonne. Und wird eine Durchreise durch Syrien möglich sein? Oder muss der Treck mitsamt den Pferden mit dem Schiff über Zypern? Am 8. Mai 2025, genau 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, soll der Kutschen-Korso vor dem Brandenburger Tor starten.
Über mehr als 4.500 Kilometern und durch 14 Staaten geht es dann, durch Tschechien, Österreich, die Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, die Türkei, Syrien, Jordanien nach Israel. Wenn alles gut geht, wollen die Vereinsmitglieder am 24. Dezember in Bethlehem sein. Die Kosten schätzt der Verein auf rund 1,7 Millionen Euro.
2025 soll es für den Friedenstreck bis nach Jerusalem gehen (Foto: Jörn Schumacher)
Die brandenburgische Finanzministerin Katrin Lange (SPD) hat den Glockenwagen im Oktober 2022 für den Treck nach Jerusalem eingeweiht. Ihr Ministerium förderte die Aktion mit 13.500 Euro aus Lottomitteln. „Wir benötigen noch Unterstützung“, lädt Dreyer-Rendelsmann alle Interessierten ein. „Nicht nur finanziell. Ob Übersetzer, Köche, Juristen, Hufschmiede, Kutscher, Fahrer oder schlichtweg Leute, die mit anpacken.“ Auch wer bei den rund 240 Rastplätzen auf der Strecke aushelfen kann mit Gestüten, Bauernhöfen oder Campingplätzen, sei willkommen.
Die Mission des Friedenstrecks gelte auch und besonders für Jerusalem. „Ein Wecken der Bürger mit der Friedensglocke ist angesagt“, sagt Pastor Kautz. „Ein Aufruf, nicht nur aus dem Bett zu steigen, sondern für den Frieden einzutreten.“ Kautz fügt hinzu: „In Jerusalem fokussiert sich alles: die deutsche Geschichte, die Weltgeschichte, der Frieden.“ Schließlich habe der Schöpfer selbst gesagt (Micha 4,2 und Jesaja 2,3): „Es werden die Völker nach Zion ziehen, und es wird Frieden sein!“
2 Antworten
Ein ewiger Friede, den nur Gott schaffen kann und wird!
Die Abwesenheit von Krieg bedeutet nicht Frieden. Menschen sind nicht in der Lage Frieden zu schaffen, das lernen wir aus der Bibel.
Mord und Todschlag ist auch in jenen Ländern an der Tagesortnung die „in Frieden“ sind. Im Sozialwesen wird meistens nicht die Armut bekämpft, sondern die Armen. Die Lohnunterschiede sind so gewaltig, dass man bei gewissen den höchsten Bezügen gar nicht mehr von Lohn sprechen kann. Es ist nur noch Selbstbedienung und muss von den Profiteuren mit hahnebüchernen Argumenten gerechtfertigt werden.
Das alles bedeutet nicht Frieden.