Binnen vier Jahrzehnten hat der Amerikaner Howard I. Golden eine der größten Sammlungen von Karten des Heiligen Landes angelegt. Nun vermachte der Jude das Konvolut aus 466 seltenen Landkarten und 120 Büchern mit Karten des Heiligen Landes der Israelischen Nationalbibliothek in Jerusalem.
Der Direktor der Nationalbibliothek, Oren Weinberg, bezeichnet Goldens Schenkung laut einem Bericht der Tageszeitung „Ha’aretz“ als „eine der wichtigsten Schenkungen, die die Bibliothek in letzter Zeit erhalten hat“. Sie sei von großer wissenschaftlicher Bedeutung für die historische und kartografische Forschung. Die Karten stammen aus den Jahren zwischen 1475 und 1800 und sind dank guter Pflege in „exzellentem Zustand“, wie die Bibliothek mitteilte.
Goldens Konvolut wird der Kartensammlung des verstorbenen Eran Laor als einer der ohnehin weltgrößten Sammlung antiker Karten und Atlanten des Heiligen Landes hinzugefügt. Der in der Slowakei geborene und 1990 verstorbene Schriftsteller Laor hatte seine Karten der Nationalbibliothek vermacht. Sie enthält rund 1.500 antike Karten Jerusalems und des Heiligen Landes.
Sammlung online zugänglich
Die nun hinzugefügten Karten wurden nicht nur für die Forschung digitalisiert und katalogisiert, sondern auch hochaufgelöst online einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Der Zugang ist kostenlos.
Howard Golden emigrierte zunächst aus den USA nach Israel und arbeitete dort in der Rechtsabteilung der Stadt Jerusalem. Dann kehrte er in die USA zurück und begann als Anwalt zu arbeiten. „Nach vier oder fünf Jahren besserten sich meine Finanzen und ich begann, antike Karten von Israel zu sammeln“, sagt er in einem Interview von „Ha’aretz“. Entgegen der landläufigen Meinung sei dieses Hobby aber keine besonders kostspielige Angelegenheit. Die meisten Karten habe er für ein paar hundert Dollar gekauft.
Jonas Wal und alte Schiffe
Zu den Highlights der Sammlung gehört etwa eine gedruckte und handkolorierte Karte Israels aus dem Jahr 1593. Sie wurde in Antwerpen gedruckt und zeigt das Mittelmeer am oberen Rand. Es sind Schiffe sowie ein Seeungeheuer zu sehen. Auffällig ist die gekrümmte, aus heutiger Sicht falsche Darstellung des Toten Meeres.
Eine ebenfalls handkolorierte Karte aus dem Jahr 1653 zeigt die Mittelmeerküste am unteren Rand. Gedruckt wurde sie in Amsterdam. Sie enthält illustrierte Geschichten aus der Bibel, darunter etwa die Überquerung des Jordan durch die Israeliten, die Salbung König Sauls durch den Propheten Samuel und David im Kampf gegen Goliath.
Eine andere Karte aus dem Jahr 1725, die ebenfalls in Amsterdam hergestellt wurde, zeigt im Meer eine Illustration Jonas auf seinem Schiff und den großen Fisch, der auf der Lauer liegt. Ebenso sind Schiffe zu sehen, die Zedern aus dem Libanon bringen, um den Tempel König Salomos zu bauen. Auf dem Land sind der Auszug der Israeliten aus Ägypten zu sehen, Mose mit den Zehn Geboten, die zöwlf Stämme rund um die Stiftshütte, die Bundeslade und die Menora.
Eine farbenprächtige Karte mit dem lateinischen Titel „Terra Promissionis“ (Das Gelobte Land) aus dem Jahr 1656 weist die heute übliche Nord-Ausrichtung vor. Zu sehen ist etwa ein Bild vom Auszug aus Ägypten, von der Teilung des Roten Meeres oder das goldene Kalb.
Auch aus Deutschland sind historische Karten dabei. Aus Nürnberg stammt etwa die Karte Jerusalems mit dem Titel „Der christliche Ulysses“ aus dem Jahr 1678. Sie zeigt den Kern der damaligen antiken Stadt, doch erinnern die Kirchtürme und Giebel eher an europäische Städte.
Noch älter ist die deutschsprachige Karte aus dem Jahr 1582 aus Helmstadt, sie trägt im Original den Titel „Taffel des Heiligen Landes, zu dem Neuen Testament dienlich“. Die bunte, aber aus heutiger Sicht eher schlichte Karte hat eine Nordausrichtung. Zu sehen sind unter anderem ein grünes See-Ungeheuer sowie Miniatur-Ansichten der wichtigsten Städte des Heiligen Landes.
Teuerste Karte entstammt einer King-James-Bibel
Karten des Heiligen Landes kamen in der Renaissance in Europa in Mode, teilweise dank der damals entwickelten neuen Drucktechnologie und einer neuen Wertschätzung der biblischen Schriften. Der Protestantismus kam auf, und damit ein gesteigertes Interesse am Heiligen Land.
Die Karten dienten laut Experten auch als eine Art Unterhaltung für die bibelfeste Familie, deren Mitglieder versuchten, die abgebildeten Namen und Szenen zu entschlüsseln.
Erst als die Truppen Napoleon Bonapartes Ende des 18. Jahrhunderts das Land bereisten, war die Zeit der halbimaginären Karten vorbei; die Armee wurde von Kartographen begleitet, die genaue topografische Karten erstellten.
Die teuerste Karte, die er jemals gekauft habe, stamme aus einer 1619 gedruckten King-James-Bibel, sagte Golden gegenüber „Ha’aretz“. König James I. von England hatte eine Übersetzung der Bibel in Auftrag gegeben, die erste kam 1611 heraus. Golden zahlte 12.000 US-Dollar für das Buch, einschließlich der Karte.
Besondere Pilgerkarte
Ein weiteres spektakuläres Highlight der Sammlung ist die erste europäische Pilgerkarte, die 1486 von Bernhard von Breydenbach aus Mainz gedruckt wurde. Die Geographie ist zwar wie bei den meisten antiken Karten nicht korrekt, aber sie basiert offenbar auf den Eindrücken von jemandem, der die Gegend persönlich besucht hatte.
Jerusalem liegt in der Mitte der Karte, groß und prächtig. Die Bögen rund um den Felsendom sind originalgetreu, ebenso wie die Kleidung der osmanischen Kaufleute. Im Hafen von Jaffa liegt ein großes Schiff vor Anker – vermutlich eine Nachbildung des Bootes, das den Künstler ins Heilige Land brachte.
Die Israelische Nationalbibliothek in Jerusalem ist die größte Bibliothek Israels und befindet sich auf dem Campus der Hebräischen Universität im Stadtviertel Giv’at Ram. Ihre Anfänge gehen auf das Jahr 1892 zurück, 2011 wurde sie eine eigenständige staatliche Institution. Sie soll nahe der Knesset einen eigenständigen Neubau erhalten.
Der Gesamtbestand umfasst 9,8 Millionen Medieneinheiten, darunter 4,1 Millionen Bücher und 2,5 Millionen Fotografien. Zu den Spezialsammlungen zählen Manuskripte und Nachlässe bedeutender Persönlichkeiten, darunter die von Martin Buber, Walter Benjamin, Stefan Zweig und Else Lasker-Schüler.