ZE’ELIM (inn) – In einem Hörsaal auf dem Trainingsgelände Ze’elim steht an einem heißen Tag Mitte Juli Brigadegeneral Bentzi Gruber. In dem funktionalen Raum rauscht die Klimaanlage, Gruber wirft eine Präsentation an die Wand. Darin erklärt er die ethischen Leitlinien der israelischen Armee.
Vor dem General sitzen nicht etwa Soldaten, sondern mehr als 50 Journalisten aus aller Welt. Eingeladen hat das Pressebüro der israelischen Regierung (GPO) zusammen mit der israelischen Armee. Teil der großen Armeebasis in Südisrael ist das arabisch-simulierte Dorf, in dem Soldaten mit Herausforderungen städtischer Kriegsführung umzugehen lernen.
Als stellvertretender Kommandeur der 252. „Sinai-Division“ war Gruber für 20.000 Soldaten verantwortlich. An fünf Kriegen Israels habe er teilgenommen. Mit seinem Programm „Ethik im Einsatz“ ist er heute ein gefragter Redner im In- und Ausland. Er will Missverständnisse ausräumen und Fakten präsentieren, die in der Diskussion über die israelische Terrorismusbekämpfung häufig zu kurz kommen.
Acht Sekunden für Entscheidung
Gruber erklärt: „Im Glücksfall hat ein Soldat in einer schwierigen Situation acht Sekunden Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Manchmal trägt er bis zu 60 Kilogramm auf dem Rücken und ist ermüdet. Dann muss er entscheiden: Schießen oder nicht schießen?“ Die Soldaten trügen die Waffen zu einem einzigen Zweck, nämlich „um eine Bedrohung zu vermeiden“.
Vier Punkte enthält der Ethikkodex, den Gruber seinen Soldaten eingebleut hat. Als erstes müsse der Soldat sich fragen: „Wird Gewalt ausschließlich zur Erfüllung des Auftrags eingesetzt?“ Der Soldat müsse dann entscheiden, wie viel Gewalt notwendig sei, um den Auftrag zu erfüllen. Eine Schwierigkeit sei dabei, den Feind zu erkennen. Früher hätten alle Kämpfer Uniformen getragen. Im städtischen Gebiet trügen die Kämpfer oft Jeans und T-Shirt.
Im Zweifel nicht schießen!
Die zweite Frage lautet: „Wird Gewalt nur gegen den Feind eingesetzt?“ Gruber betont mehrfach: „Wenn es Zweifel gibt, ob es sich um das beabsichtigte Ziel handelt, wird nicht geschossen!“
Als drittes müsse sich der Soldat fragen, ob der Kollateralschaden im Verhältnis zur unmittelbaren Bedrohung stehe. Wenn zum Beispiel ein Pilot in der Nähe einer Terrorzelle Kinder sichtete, würde er die Mission abrechen. Der Einsatz von Drohnen sorge dafür, dass die Missionen immer präziser ausgeführt würden.
Die vierte Aufforderung sei, den Schaden so klein wie möglich zu halten. Manchmal nutzten Terroristen Krankenwagen oder menschliche Schutzschilde für ihre Angriffe. So vorsichtig die Soldaten auch seien, Gruber lässt keinen Zweifel: „Die Geschehnisse begleiten dich, auch wenn du wieder nach Hause kommst. Wir sind immer Menschen.“
Bei dem Militäreinsatz in Dschenin Anfang Juni sei es trotz hoher Bevölkerungsdichte gelungen, dass kein Zivilist getötet wurde. „Lediglich bewaffnete Kämpfer wurden als Ziele gesichtet und getötet.“
Das Leben von Zivilisten habe für die israelische Armee einen hohen Stellenwert. So würden Menschen vor einer Razzia gewarnt, das Gebäude zu verlassen, in dem sie sich befinden. „Wir nennen das ‚Klopfen auf das Dach’, ein kleiner Schlag, der die Menschen warnt, aber wir publizieren auch Posts in den sozialen Medien und rufen auf die Mobiltelefone der Zivilisten an.“
Training für Menschlichkeit
Die jungen Soldaten würden regelmäßig geschult. Um auf kritische Situationen vorbereitet zu sein, müssten sie mögliche Szenarien immer und immer wieder üben, damit sich die Abläufe einprägen. „Natürlich passieren Fehler“, das ist Gruber bewusst. Doch auch wenn keine Zeit zum Nachdenken bleibt, müssten die 18- und 19-jährigen Soldaten trotz schneller Reaktion menschlich handeln. Das sei die große Herausforderung für die israelische Armee, der sie sich immer wieder stellen müssten.
Gruber hat ein Programm gegründet, in deren Rahmen er regelmäßig Reservisten mit chronisch kranken und behinderten Kindern zu Veranstaltungen einlädt. Tausende von Soldaten bekämen so die Werte der Gesellschaft vermittelt. Gruber hofft, dass die Soldaten durch diese Begegnungen Menschlichkeit behielten und soziale Verantwortung übernähmen.
Woher Gruber seine Überzeugungen hat und warum er, bei allem, was er im Krieg gesehen hat, hohe moralische Ansprüche an sich und seine Soldaten hat? Vielleicht liefert er selbst die beste Erklärung. In dem Hörsaal auf dem Trainingsgelände in Ze’elim beendet General Gruber seine Bildschirmpräsentation mit einem Bild der Familie seiner Mutter. Das Bild ist um 1937 in Ungarn entstanden. Nur wenige Jahre später wurde die ganze Familie im Holocaust getötet.
Die einzigen Überlebenden der Familie waren Grubers Mutter und deren Zwillingsschwester, an denen der „KZ-Arzt“ Josef Mengele Versuche vorgenommen hatte. „Auf heldenhafte Weise“ überlebten sie danach auch auch den Todesmarsch.
Von seiner Mutter erzählt Gruber: „Oft sagte sie mir: ‚Bentzi, du hast im Libanon und in Gaza gekämpft und 20.000 Soldaten befehligt. Du bist ein großer Held.‘ Doch sie machte immer klar: ‚Indem du in der Armee dienst, tust aber nicht du Israel einen Gefallen. Vielmehr tut Israel uns einen Gefallen.‘“ (mh)
5 Antworten
Diesen Aufklaerungs-Vortrag sollte H.Gruber auch mal vor Gremien der
UN/EU/BRD halten, damit deren, meist auffaellig, einseitiges Wahrnehmen,
u. Berichten bei genannten Ereignissen, sich endlich in eine wahrheitsgemaessere
Richtung bewegt!!! – Vielleicht funktioniert es auch noch!!! –
Herzlichen Dank für den Artikel.
Auch von meiner Seite herzlichen Dank für diesen ausgezeichneten Artikel.
Vielleicht liest ein Journalist oder Auslandskorrespondent des ORF diesen Artikel oder vielleicht die linke Szene in Wien
Der Artikel ist sehr aufschlussreich und zeigt, wie genau die Israelische Armee vorgeht.
In der Öffentlichkeit wird leider häufig eine falsche und Israel-feindliche Sichtweise an den Tag gelegt.
Um so mehr braucht es Israel International TV, damit die Welt aus Israelischer Sicht alles erfährt.