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Weitere Proteste gegen Justizreform

Die Fortsetzung der Justizreform ruft weitere Proteste im ganzen Land hervor. Am Flughafen Ben-Gurion sieht sich die Polizei besonders herausgefordert.
Von Israelnetz
In Jerusalem protestierten in der Gaza-Straße gegen die Justizreform

JERUSALEM (inn) – Zahlreiche Israelis haben am Dienstag landesweit wieder gegen die Justizreform protestiert. Der neuerliche „Tag der Störung“ blieb weitgehend gewaltfrei. Vereinzelt kam es zu Gerangel mit der Polizei. Diese nahm 77 Protestler zeitweilig in Haft, unter anderem, weil sie Straßen blockierten. In Tel Aviv setzte die Polizei Wasserwerfer ein.

Unmittelbarer Anlass für die Proteste ist ein Gesetzesvorschlag, der es Richtern untersagt, die „Angemessenheit“ von Regierungsentscheidungen zu überprüfen. Die Knesset nahm den Entwurf am Dienstagmorgen in erster Lesung an. Die Regierungsparteien streben eine Verabschiedung noch vor Beginn der Sommerpause Ende Juli an.

Jariv: Politiker sind Wählern verpflichtet

Die Befürworter der Reform sehen bei dem Prinzip der „Angemessenheit“ Willkür am Werk. Justizminister Jariv Levin (Likud) sagte vor der Knesset, die Richter stellten das, was sie als angemessen betrachteten, über das, was das Volk als angemessen betrachte. Das sei undemokratisch. In einer Demokratie sei es Aufgabe der Politiker, die Weltsicht ihrer Wähler politisch umzusetzen.

Oppositionsführer Jair Lapid (Jesch Atid) sagte indes mit Blick auf den Schass-Vorsitzenden Arje Deri, das Gesetz diene dazu, einen verurteilten Kriminellen zum Minister zu ernennen. Im zuständigen Verfassungsausschuss betonte er zudem, das Gesetz werde Israel diplomatisch und wirtschaftlich schaden. „Das Gesetz wird den Staat Israel schwächer machen, ärmer, isolierter und gespaltener.“

Polizei mit Schwierigkeiten

Ein zentraler Protestort war zunächst der Ben-Gurion-Flughafen bei Tel Aviv. Demonstranten zeigten sich dort mit Trommeln und riefen Slogans wie „Schützt unsere Start-up-Nation“ und „Gegnerschaft zur Diktatur“.

Die Polizei hatte laut einem Bericht der Nachrichtenseite „Times of Israel“ Schwierigkeiten, mit der großen Zahl an Protestlern umzugehen. Die Beamten ließen es zu, dass die Demonstranten eine Straße blockierten. Damit wollten sie übermäßiges Gedränge an den zugewiesen Protestbereichen verhindern. Polizeichef Kobi Schabtai war vor Ort, um die Lage aus erster Hand zu beurteilen. Laut Polizei war kein Flug durch die Proteste beeinträchtigt.

Gantz: Proteste können Reform stoppen

Gegen Abend verlagerte sich der Schwerpunkt der Proteste auf die Elieser-Kaplan-Straße in Tel Aviv. Dort zeigte sich unter anderem der Oppositionspolitiker Benny Gantz (Staatslager). In einer Stellungnahme rief er die Demonstranten auf, mit den Protesten weiterzumachen. „Letztlich werden sie diesen politischen Coup stoppen.“

Bei den Protesten wurde der bekannte israelische Sänger Aviv Geffen zeitweilig festgenommen. Der 50-Jährige sagte, er habe „nichts gemacht“ und sei dennoch von Einsatzkräften angegangen worden. Die Polizei gab hingegen an, Geffen sei Teil eine Gruppe gewesen, die einen Beamten beim Versuch der Lageentschärfung gestoßen habe.

Rettungsdienst mahnt höhere Bereitschaft an

Polizeichef Schabtai erklärte in einer Stellungnahme am Abend, die Einsatzkräfte hätten keine übermäßige Gewalt angewendet. Polizeiminister Itamar Ben-Gvir (Otzma Jehudit) bewertete das Vorgehen der Polizei ebenfalls als angemessen. Er kritisierte indes die Straßenblockaden, unter anderem weil Notfallfahrzeuge nur schlecht durchkamen. Zwischenzeitlich kam es auch zu Blockaden der Ajalon-Schnellstraße.

Bereits am Montagabend hatte der Schnelleinsatzdienst „United Hatzalah“ seine Mitarbeiter angewiesen, die Einsatzbereitschaft zu erhöhen. Mobile Kräfte sollen Notfälle auf blockierten Straßen Priorität einräumen und zusätzliche medizinische Ausrüstung mitnehmen.

Neben Tel Aviv kam es zu Protesten in Be’er Scheva. Dort wurde ein Polizeibeamter infolge eines Überfahrversuchs verletzt. In Jerusalem fanden sich Demonstranten vor dem Gerichtshof, vor der Knesset und in der Gaza-Straße ein, wo die Residenz des Premierministers liegt.

Netanjahu: Fortsetzung im Oktober

Die Proteste gegen die Justizreform halten Israel seit Jahresanfang in Atem. Ende März verkündete Premier Benjamin Netanjahu (Likud) eine Pause im Reformprozess. Nun wird er offenkundig wieder fortgesetzt. Die Protestler hatten die Pause damals auch erzwungen, weil Reservisten der Armee damit drohten, ihren Dienstpflichten nicht mehr nachzukommen. Inzwischen sind wieder ähnliche Äußerungen zu hören.

In einem zentralen Reformgesetz geht es um die Neugestaltung der Richterernennung. Dieses stand Ende März kurz vor der Verabschiedung. Nach Aussagen von Netanjahu sollen sich die Abgeordneten in der Wintersitzung der Knesset ab Oktober damit weiter befassen. (df)

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6 Responses

  1. Bei den vielen anderen Problemen , insbesondere der weltweit steigende Antisemitismus, ist es traurig, dass es soviele Spannungen innerhalb der Israelischen Gesellschaft gibt. Die Hauptprobleme sind der Terrorismus und das Mullah-Regime, Pro-Israelische Christinnen/en könnten die Wende gegen den Iran schaffen, aber so ist es problematisch. Denn die Feinde Israels sehen, dass Israel zerstritten ist, und rüsten weiter auf.

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    1. Wir Christen denken gar nicht daran, uns gegen den Iran aufhetzen zu lassen.
      Wenn israel ein problem mit dem Iran hat, soll es das selber mit diesem aus-
      fechten, uns geht das nichts an!

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  2. Sie müssen das Ding jetzt durchziehen, um die überbordende Macht der linken Richter zu brechen und sie auf ihre Kernaufgaben zu beschränken. Der Wählerwille muss im Mittelpunkt stehen.

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  3. Bitte auch mal den Artikel in Israel heute `Prodestbewegung scheitert an Netanjahus „Angamessenheitsklausel “ von Alex Traiman lesen.

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    1. Verehrter Herr Hans!
      Was soll man von einem Artikel in „Israel Heute“ halten, in dem die Massenproteste der vergangenen Wochen primär „der verwirrten Öffentlichkeit“ zugeschrieben werden. Der Traiman-Beitrag setzt sich in keiner Weise mit der Thematik bzw. Problematik auseinander, sondern ist eine platte Rechtfertigung des Regierungshandelns. Die Regierung aber besteht aus den Selbstexculpierern bzw. überführten Straftätern sowie Rechtsradikalen und Rechtsextremisten. Am Abbau des Rechtsstaates bzw. der liberalen Demokratie aber gibt es NICHTS zu bejubeln!

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  4. Ein Beitrag in „Israel Heute“, der die Massendemonstrationen mit „der verwirrten Öffentlichkeit“ erklärt, richtet sich im Grunde genommen nur selbst!
    Was kann man auch von einer Regierungskoalition anderes erwarten, in der Selbstexculpierer, überführte Straftäter, Rechtsradikale, Rechtsextremisten zusammenkommen. Diese weit Rechten haben erreicht, was die Palästinenser und ihre Gesinnungsgenossen bisher vergeblich versucht haben: Die Isolierung des Staates Israel, der eben bald kein Rechtsstaat bzw. keine liberale Demokratie mehr ist. Ungarn, Polen und Trump lassen grüßen!

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