JERUSALEM / WARSCHAU (inn) – Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat Kritik an einem Vorfall in Polen geübt. Am Dienstag war es bei einem Vortrag des polnisch-kanadischen Historikers Jan Grabowski im Deutschen Historischen Institut in Warschau zu einem Eklat gekommen. Holocaust-Forscher Grabowski, der Professor in Ottawa ist, hatte zu „Polens (wachsenden) Probleme mit der Geschichte des Holocaust“ sprechen wollen.
Polnischen Medienberichten zufolge stürmte nach etwa zehn Minuten der Parlamentsabgeordnete Grzegorz Braun nach vorne und unterbrach Grabowski. Auf verschiedenen Videos ist zu sehen, wie Braun dem Historiker das Mikrofon abnimmt und gegen das Rednerpult schlägt. Anschließend versucht er offenbar Kabel aus einem Lautsprecher zu ziehen, bevor er diesen dann umwirft.
Yad Vashem: „Ekelhafte Attacke“
„Ich verteidige die polnische Nation vor einem Angriff auf die historische Sensibilität“, zitierten polnische Medien den Politiker der rechtsgerichteten Partei „Konfederacja Korony Polskiej“; sie erhielt bei den Parlamentswahlen 2019 mit einer Parteienkoalition 6,8 Prozent der Stimmen und sitzt in der Opposition. Dem tschechischen Direktor des Deutschen Historischen Instituts hielt Braun demnach entgegen, dass er sich nicht von einem „Deutschen in Warschau“ belehren lasse. Grabowski führte seinen Vortrag nicht fort.
Der Vorsitzende von Yad Vashem, Dani Dajan, erklärte in einer Stellungnahme am Mittwoch, der Vorfall markiere „ein neues Tief“ in dem Versuch, Diskussionen über „polnische Komplizenschaft“ beim Mord an Juden zu ersticken. Es handle sich nicht nur um eine „ekelhafte Attacke“ auf einen renommierten Historiker, sondern auch um einen „Anschlag auf das Holocaust-Gedenken“.
Die Stellungnahme fügt sich ein in den seit Jahren immer wieder hochkochenden Streit zwischen Israel und Polen um das Gedenken an die Scho’ah und die Rolle der Polen beim Judenmord. Geschichtspolitische Ausflüge, die Polen allein als Opfer zweier totalitärer Diktaturen aus Richtung Westen und Osten zeichnen, sind wichtiger Bestandteil der Politik der seit 2015 regierenden rechtskonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS).
Regierungspartei nutzt Auschwitz-Bild gegen Opposition
Neben dem Eklat im Deutschen Historischen Institut sorgt derzeit auch ein von der PiS verbreitetes Video für Aufsehen. Darin ist das von Nazi-Deutschland betriebene Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz zusammen mit dem Twitter-Beitrag eines polnischen Journalisten zu sehen ist. Dieser hatte geschrieben, es werde sich eine „Kammer“ für Polens Präsident Andrzej Duda und PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski finden. Dazu schrieb die PiS mit Bezug auf eine am Wochenende geplante Demonstration der Opposition: „Willst Du wirklich unter diesem Motto mitgehen?“
Auch dazu äußerte sich Yad Vashem: Man verurteile „den Missbrauch des Holocaust-Gedenkens in aktuellen politischen Diskussionen“, hieß es aus der Gedenkstätte. Das „American Jewish Committee“ schrieb bei Twitter, den Massenmord an Juden auszunutzen, um einen politischen Punkt zu machen, sei inakzeptabel. Auch Polens Präsident Duda, der selbst der PiS entstammt, sprach von einer „unwürdigen Aktion“, für die es keine Entschuldigung gebe. (ser)
4 Antworten
Können sich die rechtsgerichteten polnischen und die rechtsgerichteten israelischen Politiker nicht mal zusammensetzen und das in Ruhe ausdiskutieren?
Liebe Hilde, da will ja jeder Recht – rechts- behalten.
Polen hat eine alte antisemitische Tradition, die schon über 100 Jahre vor dem III. Reich begann. Und die 1945 leider bruchlos fortgesetzt wurde. Viel stärker als in anderen Ländern Ost- und Westeuropas.
Ja und, was folgt außer Worte und Text? Wurden die Täter suspendiert? Oder steht Herr Braun übermorgen zur Wahl bereit? Sollte mal seinen Namen ggf in „Brązowy“ ändern. Die Seele des Österreichers aus dem Westen möchte wohl keiner verantworten. Aber mit Taten anderer von der eigenen ablenken förder die Entwicklung eigener Untugenden. Würde sich Herr Braun dieser Entwicklung mit gleichem Elan entgegenstellen, würde es seinem Volk und Land gut tun. So aber gehen wir davon aus, das Potential nicht geringer ist, wie das des Österreichers. Dazu sagen wir: Wehret den Anfängen.