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Herzog: „Heilige Gedenktage“ in Einheit begehen

Widerstand gegen die Nationalsozialisten praktizierten Juden nicht nur mit Waffen. Auch die Glaubensausübung trotz aller Hindernisse war ein wichtiges Element. Dies zeigt die Fackelzeremonie zum diesjährigen Jom HaScho'ah, die auf einen besonderen Appell des Staatspräsidenten folgt.
Von Israelnetz

JERUSALEM (inn) – Staatspräsident Jitzchak Herzog hat das israelische Volk bei der zentralen Auftaktveranstaltung zum Holocaust-Gedenktag zur Einheit aufgerufen. Die Israelis seien „Schwestern und Brüder, die diskutieren und streiten können“, sagte er am Montagabend in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem. „Aber wir sind ein Volk.“

Der israelische Gedenktag heißt offiziell „Jom HaScho’ah weHaGvura“ – „Tag des Holocaust und des Heldentums“. In diesem Jahr steht der jüdische Widerstand gegen die nationalsozialistischen Unterdrücker im Mittelpunkt. Denn vor 80 Jahren begann der Warschauer Ghettoaufstand.

Herzog: Staat Israel als „Quelle der Hoffnung“

Herzog bat die israelischen Bürger, die „heiligen Tage“, die mit Jom HaScho’ah begännen, zur Einheit zu nutzen. In der kommenden Woche folgten dann der Gedenktag für die Gefallenen (Jom HaSikaron) und der 75. Unabhängigkeitstag (Jom HaAtzma’ut). Es sei kein gewöhnliches Jahr, man höre „die Herzschläge einer gesamten Nation“, sagte der Präsident mit Bezug auf die angespannte innenpolitische Lage.

Erst nach diesem Appell begrüßte Herzog die anwesenden Würdenträger, die Überlebenden der Judenvernichtung in Europa und die anderen Gäste. Als Beispiel für die grenzenlose Grausamkeit der Nationalsozialisten nannte er die „Straßburger Schädelsammlung“. Dafür wurden 86 Juden von Auschwitz nach Frankreich deportiert und im Konzentrationslager Natzweiler vergast. Ihre Schädel sollten Teil einer rassistisch motivierten Ausstellung werden. Erst vor ein paar Jahren konnten die Opfer Nummern zugeordnet werden – damit kamen auch ihre Namen zutage.

Nach all diesen traumatischen Erlebnissen seien die Juden aus Staub und Asche auferstanden, sagte Herzog. Sie hätten einen wunderbaren Staat gegründet, der eine Quelle der Hoffnung sei. Dabei betonte der Präsident, dass nur die damaligen Verfolger Nazis seien und nur die damalige Vernichtung „Scho’ah“ genannt werden könne. Er forderte die Israelis auf, sich mit jeglichem Vergleich zurückzuhalten.

Netanjahu: „Geist, Kraft und innere Einheit“

Premierminister Benjamin Netanjahu (Likud) bezeichnete es als wichtigste Lehre aus der Scho’ah, dass Israel sich mit voller Stärke gegen jeden Feind verteidigen werde – auch gegen das iranische Regime, dessen Pläne für die Produktion von Atomwaffen es zu verhindern gelte. Das bedeuteten die oft geäußerten Worte „Nie wieder“.

Vor 80 Jahren hätten junge Juden mit wenig Ausrüstung den Aufstand gegen Nazis begonnen, die gut bewaffnet waren. Über den Dächern von Warschau hätten sie die blau-weiße Flagge gehisst. Netanjahu wiederholte mehrmals die aus seiner Sicht wesentlichen Schlüsselbegriffe „Geist, Kraft und innere Einheit“. Er fügte hinzu: „Nur so werden wir unsere Feinde besiegen.“

Verwandte begleiten Fackelanzünder

Ein wichtiger Bestandteil der Zeremonie ist das Entzünden von sechs Fackeln. Sie stehen für die sechs Millionen Juden, die während der Scho’ah ermordet wurden. Sechs Überlebende stecken je eine Fackel in Brand, dabei begleitet sie jeweils ein Verwandter. Vorher wird ihre Geschichte in einem Video vorgestellt.

Foto: Yad Vashem
Die gebürtige Polin Tova Gutstein entzündete die erste der sechs Fackeln

Den Anfang machte in diesem Jahr Tova Gutstein, die aus Polen stammt. Sie wuchs im jüdischen Viertel von Warschau auf. Als es zum Ghetto wurde, war sie sechs Jahre alt. Sie sah Menschen auf der Straße verhungern. Ihr Vater wurde zur Zwangsarbeit abkommandiert und kehrte nicht zurück.

Als der Aufstand begann, floh sie auf die „arische“ Seite. Im Wald halfen ihr Partisanen, sich zu verstecken. Sie versorgten das Mädchen mit Essen und Kleidung. Nach dem Krieg suchte Gutstein in Lublin vergeblich nach ihrer Familie, fand sie aber in Deutschland. Sie heiratete einen Überlebenden. Heute hat sie drei Kinder, acht Enkel und 13 Urenkel.

Foto: Yad Vashem
Ben-Zion Raisch überlebte in Transnistrien

Ben-Zion Raisch wurde in Rumänien geboren. Von dort musste er mit seiner Mutter und dem kleinen Bruder 1942 zu Fuß nach Transnistrien gehen. Am Abend der Ankunft bat der Bruder um eine Suppe, die ihm die Mutter nicht geben konnte. Er starb an den Folgen des Hungers. Ben-Zion selbst war zehn Jahre alt.

Seine Mutter nähte drei Jahre lang für Ukrainer und bekam dafür unter anderem Kartoffeln. Nach dem Krieg machte er 1946 Alija. Er heiratete eine Überlebende. Sie haben 30 Enkel und viele Urenkel.

Foto: Yad Vashem
Feierte im Lager Schabbat und Pessach: Judith Sohlberg

Im niederländischen Amsterdam verbrachte Judith Sohlberg ihre ersten Lebensjahre. Als sie fünf Jahre alt war, bekam sie einen Stempel in den Ausweis und musste den gelben Stern tragen. Nach der Deportation ins Konzentrationslager Westerbork an der deutschen Grenze traf sie viele Verwandte. Von dort wurden sie nach Bergen-Belsen gebracht. Ihre Großmutter mütterlicherseits starb, weil sie keinen Nachschub an Insulin hatte. Der Großvater unterkühlte sich beim täglichen Lager-Appell im Schnee und erfror.

Wichtig waren ihrer Familie die jüdischen Feiertage. Mit der Schwester nähte sie ein Deckchen, mit dem am Schabbat das besondere Brot, die Challa, zugedeckt wird. Für das Passahfest toasteten sie irgendwie ein Stück Brot, das als Matze verwendet wurde. Die Haggada, in der sich die Liturgie für den Sederabend befindet, schrieben Häftlinge aus dem Gedächtnis nieder. Das Fest erinnert an das Wunder der Befreiung aus ägyptischer Sklaverei. Als das Kriegsende nahte, wurde Sohlberg in einen Zug gesteckt, der zwischen den Fronten hin- und herfuhr. Die Insassen wurden von der Roten Armee befreit. Sie verliebte sich in einen Überlebenden. Heute hat sie 17 Enkel und 34 Urenkel, zwei weitere sind unterwegs.

Foto: Yad Vashem
Robert Bonfil verdankt sein Leben einer griechischen Familie

Robert Bonfil überlebte in Griechenland dank der Unterstützung „arischer“ Dorfbewohner. Erst war er in einem Arbeitslager. Als 1943 die Deportation der griechischen Juden in die Vernichtungslager begann, floh seine Familie in die Berge. Es war sehr kalt. Die Familie Goulas nahm sie auf, teilte ihr Essen mit den jüdischen Flüchtlingen. Er freundete sich mit einem Sohn an. Doch die Deutschen kamen auch in dieses Dorf. Die Retter schmuggelten die Juden mit dem Auto in ein Versteck und schickten ihnen Brot. Eine Ziege gab Milch.

Nach dem Krieg heiratete Bonfil eine Jüdin aus Deutschland namens Eva. Sie bekamen acht Kinder. Drei Urenkel sind auch schon da. Die Retter wurden von Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ anerkannt. Vor einiger Zeit gab es ein bewegendes Treffen der beiden Familien im griechischen Apidea.

Foto: Yad Vashem
„Wir leben in Israel, Gott sei Dank!“, sagt Efim Gimelshtein

Efim Gimelsthein stammt aus Belarus und war im Ghetto von Minsk. Als eine Aktion der Nazis bevorstand, floh er mit anderen in den Keller von Verwandten. Diese hatten einen Wasservorrat angelegt. 26 Menschen versteckten sich dort. Doch Essen und Wasser reichten nicht aus, nur 13 von ihnen waren nach neun Monaten noch am Leben. Auch die Großmutter starb. Die Überlebenden wurden von der sowjetischen Armee befreit. Gimelsthein heiratete und bekam zwei Söhne. Sein Bericht schließt mit den Worten: „Wir leben in Israel, Gott sei Dank!“

Foto: Yad Vashem
Nachdem Malka Rendel unter der Ungerechtigkeit ihrer Lehrerin gelitten hatte, wurde sie selbst eine

In ihren ersten Schuljahren schrieb Malka Rendel patriotische Aufsätze, die ihre Lehrerin als „typisch ungarisch“ lobte. Doch eines Tages äußerte dieselbe Lehrerin Zweifel an der Loyalität ihrer Schülerin – wegen des deutschen Nachnamens. Nach dem Beginn der deutschen Besatzung wurde sie mit ihrer Familie nach Auschwitz deportiert. Sie wollte nicht allein auf die rechte Seite gehen. Aber ihre Mutter sagte: „Geh, meine Tochter“. Danach habe sie ihre Mutter nie mehr gesehen, sagt Rendel mit Tränen in den Augen.

Mit ihren beiden Schwestern kam sie ins KZ Neustadt-Glewe in Mecklenburg. Die Zwangsarbeiterinnen schmuggelten vor dem Chanukka-Fest Öl von einer Maschine aus der Fabrik. So konnten die Schwestern die Chanukkia entzünden, während sie am Fenster Wache hielt. Die Botschaft war nach Darstellung der Überlebenden: „Ihr wollt uns töten. Wir singen Chanukka-Lieder.“ Chanukka erzählt von Gottes Wundern im Makkabäeraufstand im 2. Jahrhundert vor Christus. Nach dem Todesmarsch starben die Schwestern in Bergen-Belsen. Rendel kam nach Schweden, wo sie in einem Krankenhaus aufgepäppelt wurde. Sie wurde Lehrerin und hat heute eine große Familie.

Die israelischen Oberrabbiner David Lau und Jitzchak Josef rezitierten passende Psalmverse und das Kaddisch-Gebet für Verstorbene. Auch das Gebet „El Male Rachamim“ (Gott voller Erbarmen) gehört zur jährlichen Zeremonie. Zum Abschluss sangen die Anwesenden die Nationalhymne „HaTikva“ (Die Hoffnung). (eh)

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2 Antworten

  1. Der Heilige Gedenktag Jom HaShoa.
    Adonai halte bitte die Überlebenden und Dein Volk.
    Baruch HaShem

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  2. Mein Wunsch ist, dass meine Freundin Eva aus Givatayim auch eine Fackel entzünden wird – im nächsten Jahr! Sie lebte in Ungarn bis zu ihrer Deportation nach Ausschwitz. Eva und ihre Mutter überlebten den Todesmarsch, Ravensbrück und Bergen-Belsen. Sie ging nach Ungarn zurück nach der Befreiung und heiratete einen Überlebenden. Nach dem israel.-arab. Krieg 1948 gingen sie nach Israel. Heute hat sie eine große Familie. Wir begegneten uns vor 20 Jahren in Jerusalem vor der Knesseth. Sie übersetzte für mich die Führung ins Deutsche.

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