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Update

Netanjahu: Justizreform wird ausgesetzt

Mehrmals verschiebt sich Netanjahus mit Spannung erwartete Erklärung zur Justizreform. Erst am Abend tritt er vor die Kamera – und verkündet die vorläufige Einstellung des Gesetzgebungsverfahrens.
Von Israelnetz

JERUSALEM (inn) – In der Wintersitzungsperiode, die diese Woche endet, gibt es in der Knesset keine weiteren Abstimmungen über die umstrittene Justizreform. Das teilte Regierungschef Benjamin Netanjahu (Likud) am Montagabend mit. Seine offizielle Erklärung hatte er zunächst für 10 Uhr Ortszeit angekündigt, aber im Laufe des Tages immer wieder verschoben. Letztlich trat er kurz nach 20 Uhr vor die Kameras – sichtlich erschöpft und niedergeschlagen.

Während vor der Knesset etwa 100.000 und im gesamten Land viele weitere Israelis demonstrierten und ein spontaner Generalstreik das Land lähmte, begann Netanjahu seine Ansprache mit einer biblischen Geschichte: Er brachte das Salomonische Urteil ins Spiel.

Das Salomonische Urteil

In 1. Könige 3,16–28 berichtet die Bibel von der sprichwörtlichen Weisheit des Königs Salomo: Zwei Prostituierte erzählen ihm, dass eine von ihnen ihren Sohn im Schlaf erdrückt habe. Sie streiten darüber, wer die Mutter des lebendigen Kindes sei. Salomo schlägt vor, dieses Kind mit dem Schwert zu teilen, damit jede Mutter einen Teil hat. Eine Frau stimmt zu, die andere protestiert und sagt, lieber solle ihre Kontrahentin das lebendige Kind behalten. Dadurch erkennt Salomo, wer die Mutter ist.

Netanjahu sagte, die Mutter sei nicht bereit gewesen, das Kind durchzuschneiden, weil es am Leben bleiben sollte. In Israel bestehe eine heftige Spannung zwischen zwei Seiten einer nationalen Auseinandersetzung. Eine „extremistische Minderheit“ sei bereit, den Staat in zwei Teile zu teilen. Deren Vertreter forderten zur Verweigerung des Reservedienstes auf. Doch der Staat könne ohne Armee nicht existieren. Manche riefen auch zur Anarchie auf.

Eine Mehrheit jedoch, und zwar von beiden Seiten, wolle das Baby nicht zerreißen, führte Netanjahu weiter aus. „Ich bin nicht bereit, das Volk in Stücke zu reißen“, fügte der Premierminister hinzu. „Ich werde jeden Stein umdrehen, um eine Lösung zu erreichen.“ Er wolle einen Bürgerkrieg verhindern.

„Gelegenheit für ein echtes Gespräch“

Netanjahu ging auf einen Brief ein, den ihm der frühere Verteidigungsminister und heutige Oppositionspolitiker Benny Gantz (Staatslager) am Vortag geschickt hatte. Dieser rufe zum Dialog auf. Das sei eine Möglichkeit, einen Bruderkrieg und ein Zerreißen des Volkes zu verhindern. „Es gibt eine echte Gelegenheit für ein echtes Gespräch“, um nötige Verbesserungen für die Justizreform zu erreichen.

Die Koalition habe die Mehrheit, um es in der Knesset allein zu machen. Doch er rufe alle auf, mitzuarbeiten, sagte der Regierungschef. Eine Reform sei nötig. Aber er werde versuchen, einen breiten Konsens zu erreichen. Der Gesetzgebungsprozess werde bis zur Sommersitzungsperiode ab dem 30. April ausgesetzt.

Wertschätzung bekundete Netanjahu für Demonstranten, die freiwillig auf die Straßen gingen, um „für Demokratie zu kämpfen“. Erstmals gab es am Montag eine größere Kundgebung von Reformbefürwortern. Zuvor hatte Finanzminister Bezalel Smotritsch (Religiöser Zionismus) dazu aufgerufen. Die positive Bemerkung verknüpfte der Premier mit der Ermahnung, nicht zu provozieren.

Netanjahu rief die Israelis auf, die bevorstehenden Gedenktage als Volk gemeinsam zu begehen: das Pessach-Fest, die Gedenktage für die Scho’ah-Opfer und die Gefallenen sowie den Unabhängigkeitstag. Pessach beginnt am Abend des 5. April, der 75. Unabhängigkeitstag ist am 26. April.

Ben-Gvir soll „Nationalgarde“ erhalten

Staatspräsident Jitzchak Herzog sprach bereits am Montagabend mit Netanjahu, mit Oppositionsführer Jair Lapid (Jesch Atid) und mit Gantz. Beide Oppositionspolitiker hatten nach der Ansprache ihre Bereitschaft für Gespräche über die Reform bekundet. Gantz forderte Netanjahu auf, die Entlassung von Verteidigungsminister Joav Gallant (Likud) rückgängig zu machen. Dies sei „essentiell für die nationale Sicherheit“, zitiert ihn die Zeitung „Yediot Aharonot“.

Unterdessen sagte Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir (Otzma Jehudit), er habe sich mit dem Aussetzen der Reform einverstanden erklärt. Im Gegenzug habe Netanjahu ihm zugesichert, er dürfe die von ihm angestrebte „Nationalgarde“ einrichten. Das Thema solle am nächsten Sonntag in die Kabinettssitzung eingebracht werden. Was sich genau hinter der Garde verbirgt, ist unklar. Medienberichten zufolge hatte Ben-Gvir gedroht, die Regierung zu verlassen, wenn Netanjahu wirklich die Justizreform aussetze. Der Premier erwähnte die Vereinbarung nicht.

Proteste und Gegendemonstrationen

Auch nach der Ansprache gab es Proteste gegen die Reformpläne. In Tel Aviv setzte die Polizei Blendgranaten und Wasserwerfer gegen Demonstranten ein, die Backsteine sammelten. Sie wollten die zentrale Ajalon-Schnellstraße blockieren.

In Jerusalem zündeten Demonstranten einen Müllcontainer an. Zudem wurde ein arabischer Taxifahrer angegriffen. Die Randalierer beschädigten sein Fahrzeug. Als er zu entkommen versuchte, streifte er einen anderen Wagen. Demzufolge wurde ein Fußgänger leicht verletzt, wie „Yediot Aharonot“ berichtet.

Vor Netanjahus Auftritt hatten sich Zehntausende vor dem Gebäude des Obersten Gerichtes in Jerusalem versammelt. Etwa 2.000 Reformbefürworter veranstalteten in der Nähe eine Gegendemonstration. Im zentralisraelischen Karkur brachten rund 5.000 Menschen bei einer Kundgebung ihre Unterstützung der Reform zum Ausdruck.

Der landesweite Streik wurde infolge der Ansprache gelockert. Der Ben-Gurion-Flughafen nahm den Verkehr nach Mitternacht wieder auf. Der Lehrbetrieb an den Universitäten kam am Dienstag wieder in Gang. (eh)

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9 Antworten

  1. Da frage ich mich wirklich, wieso hat er es erst soweit kommen lassen? Und ausgesetzt ist nicht außer Kraft gesetzt. Frage? Geht es nur um die nicht- Anklage- eines Premiers?
    Mit so viel Gegenwind hat er nicht gerechnet.
    Wobei ich es unmöglich finde, dass einer aus der Likud Partei gestern zur Gegendemo aufrief.
    Spaltung des Volkes? Die einen wollen demokratisch leben und andere ohne Rücksicht mit dem Kopf durch die Wand und an der Macht bleiben?
    Bin gespannt, wie es weiter geht.
    6. Wahl?
    Wir beten für unser Volk. Shalom

    9
  2. Eure Berichterstattung über die aktuellen Ereignisse in Israel sind wirklich sehr dürftig. In jeder anderen deutschen Tageszeitung erfährt man mehr darüber.

    7
    1. Na ja, einige deutsche Tageszeitungen und zwei FS Sender wissen doch immer alles besser, wenn es um Israel geht.

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      1. Ein guter Artikel ersetzt 5 schlechte.Ist doch also ok. Manchen reichen aber die schlechten zur Meinungsbildung. Und für die Unerstützung der Wahrheitsverdreher ja ohnehin.

        0
  3. Dieser Mensch[BN] ist die beste Propaganda für die palästinensische Sache
    die man sich kostenlos und mit Aussicht auf längere Dauer vorstellen kann.

    7
    1. Das war er schon bei seinen früheren Regierungen, und das war auch diesmal wieder von Anfang an klar bzw. es gab schon entsprechende Äußerungen. Aber die Palästinenser-Führung ist dafür bekannt, KEINE günstige Gelegenheit zu ergreifen! Im Gegenteil, mehr als einmal war es ihre starrsinnige Politik bzw. ihr Terrorismus, der den rechten Parteien zum Sieg verhalf.
      Dass sich Radikale gegenseitig hochschaukeln, ist in der Parteiengeschichte nicht so selten. Deutschland hatte es um ca. 1930 erlebt.
      Nie war in Israel das extremistisch-religiöse, antidemokratische Lager größer. Es wird also Zeit, diesen Parteien klar zu machen, wo ihre politischen, wirtschaftlichen und militärischen Grenzen sind.
      Dass ausgerechnet Parteien, die bei Sozialpolitik etc. überwiegend auf der empfangen Seite sind, und deren Anhänger kaum in der Armee dienen, zur Durchsetzung von Recht und Ordnung eine separate, nebulös angehauchte Nationalgarde fordern – nun, da kann man nur mit Zynismus reagieren.

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    2. In Israel funktioniert Protest. Ist halt Demokratie die sich wert. Bei palis nach Demo wurden Leute verletzt und umgebracht. In Hass kann ich so ein Protest garnicht vorstellen. In Iran hunderte tote. also träumen sie ihr aussichtslosen Traum der wahr wird.

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  4. Es spricht nicht für den israelischen Ministerpräsidenten, dass nun auch er das Aussetzen der Justizreform damit begründet, dass ein Bürgerkrieg verhindert werden müsse. Netanjahu selbst hat das Land an diesen Abgrund geführt, denn er hat über Wochen versucht, die Reform gegen massiven politischen und gesellschaftlichen Widerstand durchzusetzen.

    Seine Koalition hat die Mehrheit, und das sollte in der Demokratie ausschlaggebend sein. Wer grundlegende Umbauten am Staatsaufbau vorhat, der sucht aber besser einen breiten Konsens. Netanjahus Bündnis hat die Reform nie in diesem Sinne betrieben. Sie war angelegt als Kulturkampf der (religiösen) Rechten gegen eine als links empfundene Richterschaft, auch als Aufstand abgehängter Juden orientalischer Abstammung gegen privilegierte Aschkenasen europäischer Herkunft. (Quelle: faz vom 28.3.23)

    15
  5. Ja, dann können wir dem Land und Volk nur viel Glück wünschen und hoffentlich keine plötzlichen externen Unanehmlichkeiten, da sonst diese Reformen so wichtig gewesen wären.
    Manchmal wird man erst durch Schaden klug. Wäre das Volk schon vorher klug, könnte es sich den Schaden sparen.
    Also: Viel Glück und Schalom!

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