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Der Buchliebhaber

Zahlreichen Büchern, die Einwanderer einst aus Deutschland mitbrachten, droht die Vernichtung. Ein Liebhaber mit deutschen Wurzeln unternimmt etwas dagegen.
Von Ulrich W. Sahm

Gabriel Goldwein will in Israel ein weiteres „Paradies“ schaffen. Es soll ein lukratives Ziel für deutsche Buchliebhaber werden. Der 77-Jährige ist Nachfahre deutscher Juden. Sein Vater stammt aus dem Meimbressen im Landkreis Kassel und seine Mutter aus der Gegend von Nürnberg. In seinem Berufsleben war er Schmuckhändler. Er mietete in Haifa ein Haus, um darin Berge deutscher Bücher vor der Entsorgung in der Papierfabrik von Hadera zu retten.

Viele emanzipierte deutsche Juden stillten Anfang des 20. Jahrhunderts ihren vom Judentum mitgebrachten Wissensdurst, indem sie sich modernen Wissenschaften oder der Kunst zuwandten. Juden stellten in Deutschland zu Beginn der Nazizeit viele Ärzte, etwa an der Charité in Berlin, Regisseure und namhafte Buchautoren, darunter Martin Buber.

Während Hitler um die Macht rang, gelang es vielen dieser deutschen Juden, Einreisevisa für das unter britischer Herrschaft stehende Palästina zu ergattern. Sie organisierten sogar Umzüge per Schiffsfracht mit ihrem wertvollsten Besitz, ihren Bibliotheken. Die Reichspogromnacht am 9. November 1938 war für viele ein letztes Zeichen dafür, dass sie in Deutschland nicht überleben könnten.

In Palästina gab es jedoch keine richtige Infrastruktur, um die rund 60.000 deutschen Flüchtlinge mit ihrer Habe aufzunehmen. So füllten sie winzige Wohnungen und kleine Hütten in Kibbutzim und Gemeinschaftsdörfern mit ihren Bücherschränken.

Enkelkinder haben keinen Bedarf

Die Enkelkinder verstehen kaum noch ein Wort Deutsch und können die in gotischen Lettern gedruckten und in Leder gebundenen Gesamtausgaben von Goethe, Schiller und Lessing aus dem 19. Jahrhundert nicht einmal mehr entziffern. Sie benötigen den engen Wohnraum jetzt als Kinderzimmer oder Büros und können es sich nicht mehr leisten, alle Wände mit Bücherregalen gefüllt zu sehen. Also muss das alles entsorgt werden.

Den Besitzern dieser Bücherhalden bleibt kaum eine Alternative, als sie in gebrauchte Gemüsekisten zu packen und zur Papierfabrik in Hadera zu schicken. Dort werden die Bücher geschreddert und das gewonnene Papier zu neuen Produkten weiterverarbeitet.

Goldwein bereist in seinem Privatauto das ganze Land und besucht Besitzer von Bibliotheken, die vor der Auflösung stehen. Deutschsprachige Forschungsinstitute und kirchliche Stellen winken ab, ohne die Bücher gesehen zu haben. Sie sind überschwemmt und können in ihren Regalen nichts mehr aufnehmen.

Überraschende Schätze

Bei einem dieser Besuche sieht Goldwein eine Broschüre über einen mittelalterlichen Künstler aus Mitteldeutschland. Er berührt das Buch und lächelt. Auf der Rückseite des Deckels klebt ein Ex-Libris der Nationalbibliothek. Die hat in den 1990er Jahren gelegentlich „öffentliche Versteigerungen“ veranstaltet. Studenten und andere Interessierte konnten sich melden und gegen eine lächerliche Gebühr meterweise Gesamtausgaben der größten deutschen Klassiker abstauben. Die Nationalbibliothek benötigte Platz für Neuzugänge und entledigte sich jener Bücher, die sie schon in mehrfachen Ausgaben besaß.

Ihren wahren Wert hat Goldwein lange nicht bemerkt. Denn sie stammte aus dem Nachlass eines berühmten Israelis, dessen Bibliothek seinerzeit der Nationalbibliothek vererbt worden war. Für einen deutschen Bücherliebhaber dürfte allein diese Broschüre von großer Bedeutung sein. Vielleicht könnte er sie gar bei einem entsprechenden Buchhändler in Deutschland vergolden.

Solche und andere Schätze sammelt Goldwein in dem von ihm geschaffenen Israelischen Zentrum für Bücher auf Deutsch in Haifa, in der Jaffastraße 152. Er lädt Liebhaber deutscher Bücher ein, sich bei ihm an Werktagen anzumelden (noga97@actcom.net.il) und sein „Museum“ zu besuchen.

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Eine Antwort

  1. Ich habe volles Verständnis dafür, dass in Israel deutsche Bücher kaum gelesen werden. Umso wichtiger diese Aktion, die ich voll unterstütze. Denn was können deutsche Autoren dafür, dass sie auf Deutsch schreiben müssen?

    1

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