TEL AVIV (inn) – In der teuersten Stadt Israels ist auch das Wohnen teuer. In Tel Aviv leben laut der Stadtverwaltung rund 1.100 Menschen auf der Straße. Damit zumindest einigen von ihnen geholfen werden kann, hat die Stadt eine neue Obdachlosenunterkunft gebaut. Nach der Bauzeit von einem Jahr wurde sie Mitte August eröffnet. 144 Menschen sollen dort einen sicheren Ort finden und sich auch erholen können.
Wie die israelische Onlinezeitung „Times of Israel“ berichtet, erstreckt sich die Unterkunft über drei Etagen und umfasst 19 Schlafsäle. Dort sollen 144 Personen einen Platz zum Schlafen finden. Derzeit ist die Unterkunft nur für Männer angedacht. Der Tel Aviver Architekt Joav Messer hat das Gebäude mit Blick auf das Mittelmeer entworfen.
Von der Planung bis zur Fertigstellung, samt Einrichtung, kostete die Unterkunft rund 11 Millionen Euro. Die Stadt hat das Projekt „HaGagon“ (Das Vordach), zu Ehren des 2019 verstorbenen Rabbi Jechiel Eckstein benannt. Er war Gründer der jüdisch-christlichen Organisation „International Fellowship of Christians and Jews“ (IFCJ). Eckstein bot bedürftigen Menschen eine Unterkunft an, daher der Name. Mit diesem Verein finanzierte Tel Aviv die Unterkunft. Auch die israelische Wohltätigkeitsorganisation „La’sova“ beteiligt sich.
Würdevolles Leben
„HaGagon“ ist täglich ab 15 Uhr bis 9 Uhr am nächsten Morgen geöffnet. In den sechs Stunden dazwischen sollen sich die Männer in der Umgebung selbst beschäftigen und versuchen, sich ein geregeltes Leben aufzubauen. Ziel der Einrichtung sei es, den Menschen „das Vertrauen in ihre Fähigkeit zur Rückkehr in einen geregelten Alltag zu stärken“, heißt es in der israelischen Zeitung „Jerusalem Post“.
Die Obdachlosen werden mit dem Nötigsten versorgt. Bei einer Übernachtung erhalten sie Bettwäsche, Handtücher und ein Schließfach für ihre persönlichen Gegenstände. Alle haben Zugang zu Duschen, sanitären Einrichtungen, Küchen und Esszimmern. Für die Wohnungslosen gibt es regelmäßige Mahlzeiten. Hinzu kommen Bereiche zum Entspannen, in denen auch Gruppenaktivitäten stattfinden oder Interessierte fernsehen oder lesen können.
Der Bürgermeister von Tel Aviv, Ron Huldai (Die Israelis), betonte bei der Eröffnung den Wert des würdevollen Lebens. „Jeder Mensch in Tel Aviv hat das Recht, gut behandelt und versorgt zu sein“, sagte er. Nach diesem Leitmotiv habe die Stadt „HaGagon“ errichtet.
Sozialarbeiter sind während der Öffnungszeiten ansprechbar und bieten den Menschen Hilfe an, sei es durch praktische Tätigkeiten oder soziale Unterstützung. Ebenso ist medizinisches Personal zugegen, das Suchtbehandlungen durchführen kann. Auch Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen seien herzlich willkommen.
Obdachlosigkeit ein Problem
„HaGagon“ soll eine Unterkunft für Obdachlose ersetzen, die vor drei Jahren von der Stadt abgerissen werden musste. Da Experten von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, sei der Platz für Wohnungslose in Tel Aviv viel zu gering, sagen Sozialarbeiter der neuen Einrichtung.
Landesweit ist Obdachlosigkeit ein Problem. Laut eines jüngst erschienenen Parlamentsberichts gab es nach Behördenangaben im Jahr 2020 etwa 3.500 obdachlose Personen in Israel. Auch hier gehen Experten von einer weitaus höheren Anzahl aus. Oftmals landen Israelis wegen Suchtverhaltens, psychischer Probleme oder chronischer Krankheiten auf der Straße. (joh)