BE’ER SCHEVA (inn) – Das Bezirksgericht im südisraelischen Be’er Scheva hat einen Mitarbeiter des internationalen Hilfswerkes World Vision der Terror-Unterstützung für schuldig befunden. Der Palästinenser, Muhammad el-Halabi, war im August 2016 verhaftet worden. Er war seit 2014 Direktor der christlichen Organisation im Gazastreifen.
El-Halabi wird unter anderem vorgeworfen, Gelder an die Terror-Organisation Hamas weitergegeben zu haben. Die israelischen Richter bezogen sich bei ihrem Urteil vom Mittwoch auf die Ermittlungen des Inlandsgeheimdienstes Schabak, in deren Verlauf El-Halabi die Vorwürfe gegen ihn zugegeben habe.
„Wir sprechen von einem Geständnis, das eine zusammenhängende Geschichte mit vielen Einzelheiten und Personen mit unterschiedlichen Rollen darstellt, mit einer Verbindung zu den sicherheitsrelevanten Vorfällen, die sich ereigneten“, zitiert die Zeitung „Yediot Aharonot“ die Richter. „Wir sprechen von einem sehr vertrauenswürdigen Geständnis, das von vielen äußeren Zeugen gestützt wird – und das unmöglich vom Schabak oder anhand einer Falschaussage erfunden worden sein kann.“
Nach Einschätzung des Bezirksgerichtes ist der Palästinenser in mehreren Anklagepunkten schuldig: Mitgliedschaft bei einer Terror-Organisation, Weitergabe von Informationen an eine Terrorgruppe, Beteiligung an verbotenen Militärübungen und Tragen einer Waffe.
Unabhängige Untersuchung: Keine Beweise für El-Halabis Schuld
Das Blatt verweist allerdings auf eine unabhängige forensische Untersuchung vor fast fünf Jahren, die keine Beweise gegen El-Halabi zutage gebracht habe. Stattdessen habe sie erbracht, dass er sich dafür eingesetzt habe, dass Gelder von World Vision gerade nicht in die Hände der Hamas geraten. Die australische Regierung, einer der größten Geldgeber der Hilfsorganisation, sieht ebenfalls keine Beweise für die Schuld des palästinensischen Mitarbeiters.
Kritiker werfen Israel vor, sich zu oft auf fragwürdige Informanten zu verlassen. Es benachteilige Gruppen, die Palästinensern helfen, ihren Anspruch auf Land durchzusetzen, das seit 55 Jahren unter israelischer Kontrolle sei – und das die Palästinenser für einen Staat haben wollten.
Israelische Behörden haben die Hamas wiederholt beschuldigt, World Vision infiltriert zu haben. Auf diese Weise seien Gelder, die für bedürftige Menschen in Gaza bestimmt waren, zweckentfremdet worden.
UN-Gremium kritisiert Urteil
Kritik an dem israelischen Urteil und dem Gerichtsprozess überhaupt kam von den Vereinten Nationen. Das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) veröffentlichte am Donnerstag eine Stellungnahme. Darin werfen Menschenrechtsexperten Israel vor, den Anti-Terror-Kampf zu benutzen, um Verteidiger von Menschenrechten ins Visier zu nehmen und zum Schweigen zu bringen.
Die Verurteilung sei eine „klare Verletzung von Israels Verpflichtung, das Recht auf einen fairen Prozess zu respektieren“, schreiben die UN-Experten. Ebenso verstoße Israel gegen seine Pflichten als Besatzungsmacht unter internationalem Menschenrecht. El-Halabi habe nur eingeschränkt mit seinem Verteidiger kommunizieren können. Zudem sei die Anklage hinausgezögert worden. Überdies ist von „haltlosen ‚Terror‘-Anschuldigungen“ die Rede.
Das Büro des OHCHR sieht ferner „Misshandlung“, Einzelhaft und Zwang zu einem Geständnis. „All das könnte auf Folter hinauslaufen.“ El-Halabi habe fortwährend seine Unschuld beteuert.
„Einer von 4.700 inhaftierten Palästinensern“
Die UN-Experten schließen von dem speziellen Fall auf andere: „Herr El-Halabi ist nur einer von 4.700 Palästinensern, die in israelischen Gefängnissen festgehalten werden. Sein Fall scheint symbolisch für einen Trend zu sein, in dem Verteidiger von Menschenrechten und humanitäre Arbeiter von israelischen Behörden für ausgedehnte Zeiträume inhaftiert und verschiedenen Formen von Druck ausgesetzt werden, damit sie sich ohne zwingende Beweise schuldig bekennen, als Versuch, ihre Menschenrechte und ihre humanitäre Arbeit zu einzudämmen.“
Unterzeichnet hat die Erklärung die „Sonderberichterstatterin für die Situation der Menschenrechte im palästinensischen Gebiet, das seit 1967 besetzt ist“, Francesca Albanese. Hinzu kommen die Sonderberichterstattung zur Förderung und Schutz von Menschenrechten und grundlegenden Freiheiten im Anti-Terror-Kampf, Fionnuala Ní Aoláin, und der Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit von Gerichten und Anwälten, Diego García-Sayán.
World Vision: Erhebliche Bedenken
Das Pressebüro der deutschen Abteilung von World Vision wollte auf Anfrage von Israelnetz keine Fragen beantworten – und verwies auf eine offizielle Stellungnahme. Darin reagierte das Hilfswerk mit „Enttäuschung“ auf das Urteil.
Die Organisation teilte mit: „Wir haben bereits zuvor unsere erheblichen Bedenken zu diesem Fall geäußert, wie in unseren früheren Erklärungen dargelegt. Unserer Ansicht nach gab es Unregelmäßigkeiten im Prozess und einen Mangel an stichhaltigen, öffentlich zugänglichen Beweisen. Wir unterstützen Mohammads Absicht, gegen die Entscheidung Berufung einzulegen, und fordern ein faires und transparentes Berufungsverfahren auf der Grundlage der Fakten des Falles.“
Das christliche Hilfswerk betonte: „Wir legen größten Wert auf einen sorgfältigen Umgang mit uns anvertrauten Mitteln und fühlen uns den Kindern und Familien, denen wir helfen, sowie den Spenderinnen und Spendern in höchstem Maße rechenschaftspflichtig.“ Weiter heißt es: „Wir verurteilen auf das Schärfste jeden terroristischen Akt oder die Unterstützung solcher Aktivitäten und lehnen jeden Versuch ab, humanitäre Ressourcen umzuleiten oder die Arbeit von humanitären Organisationen, die irgendwo tätig sind, auszunutzen.“
Arbeit im Gazastreifen ausgesetzt
World Vision bekundete seine Traurigkeit darüber, „dass unsere Arbeit zur Unterstützung der bedürftigsten Kinder im Gazastreifen seit so langer Zeit unterbrochen ist“.
In einer Erklärung nach der Festnahme hatte die Hilfsorganisation geschrieben: „Wir sind schockiert über die Vorwürfe und drängen auf eine schnelle Aufklärung.“
World Vision „geht allen Hinweisen mit größter Sorgfalt nach und hat erste Schritte unternommen“, hieß es in der Stellungnahme vom August 2016. „Bis zur Aufklärung der Vorwürfe hat World Vision Deutschland alle Überweisungen an die Projekte in Gaza vorerst gestoppt und arbeitet mit Auswärtigem Amt und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zusammen.“ Eine weitere Maßnahme war „eine ausführliche interne Prüfung“, um den
Vorwürfen nachzugehen. (eh)
4 Antworten
Nach sechs Jahren Folter würde wohl jeder alles gestehen.
Schön, können Sie das nachweisen?
Haben Sie eigentlich ein Problem damit, dass Geld das World Vision für die wirklich bedürftigen Bewohner des Gazastreifens zur Verfügung gestellt hat, bei den Terroristen landet? Eine zweite Villa für Hanije ist natürlich wichtiger wie für den Normalbürger eine bescheidene Unterkunft. Man muss ja seine Prioritäten setzen, Ilse.
Waren sie dabei?
Israel foltert nicht wie Islamisten.
Ist mittlerweile etwas über die ausführliche interne Überprüfung bekannt? Oder bedeutet das nur, dass man wartet, bis Gras über die Sache gewachsen ist, um dann Business as usual weiterzumachen?!