AUSCHWITZ (inn) – Etwa 2.500 Menschen aus 25 Ländern haben am Donnerstag in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau am „Marsch der Lebenden“ teilgenommen. Sie marschierten vom Tor mit der zynischen Parole „Arbeit macht frei“ 3,2 Kilometer über das Gelände. Damit empfanden sie die Todesmärsche nach, die zahlreiche Juden während der Nazizeit auf dem Weg zu den Gaskammern durchlitten hatten. Anlass war der israelische Holocaustgedenktag, Jom HaScho’ah.
Acht Überlebende der Scho’ah führten den Zug an. Mit ihnen marschierte der polnische Staatspräsident Andrzej Duda (PIS). Er sagte laut der Online-Zeitung „Times of Israel“: „Wir sind hierher gekommen, um zu zeigen: Im Zweiten Weltkrieg schaffte es Nazideutschland, mein Land von der Landkarte zu wischen und Polen, darunter auch polnische Juden, zu ermorden. Wir werden nie mehr zulassen, dass so etwas noch einmal geschieht.“
An dem Marsch beteiligten sich auch ukrainische Flüchtlinge. Es gab eine Schweigeminute für Ukrainer, die bei russischen Angriffen seit dem 24. Februar ums Leben gekommen sind. Darauf nahm das polnische Staatsoberhaupt Bezug: „Wir sind auch hier, um zu zeigen, dass es absolut keinen Konsens zu dem Versuch gibt, der ukrainischen Nation ungestraft die Freiheit zu nehmen und sie zu töten, wie es heute in den besetzten Gebieten der Ukraine geschieht.“
Herzog: In jedem Menschen Gottes Ebenbild sehen
Der israelische Präsident Jitzchak Herzog meldete sich mit einer Videobotschaft. Darin äußerte er sich zu den Gedenkveranstaltungen während der Corona-Pandemie: „In den vergangenen zwei Jahren traten wir einen Schritt von dem Horror zurück. Wir trauerten in unseren Häusern und verbanden uns durch Bildschirme und Zoom. Aber heute, Gott sei Dank, spreche ich zu ihnen von Jerusalem, der Hauptstadt des jüdischen, demokratischen Staates Israel, während Sie in dem Lager sind und wieder marschieren.“
Herzog bezeichnete den Marsch als eine Erklärung, „dass die Todesmärsche von vor 80 Jahren nie mehr geschehen werden und nie vergessen werden“. Erinnern heiße, in jedem Menschen Gottes Ebenbild zu sehen.
Der Auschwitz-Überlebende Edward Mosberg sagte, er könne „den Barbaren, die meine Familie ermordeten“, nicht vergeben. Unter den Opfern war damals auch seine Mutter. „Wir werden nicht vergessen“, betonte er. „Vielleicht kann nur der Tod vergeben. Aber solange ich lebe, ist es meine Pflicht, von dem zu erzählen, was meiner Familie und sechs Millionen Juden passiert ist.“
Teilnehmer aus den Emiraten, Syrien und dem Libanon
Den „Marsch der Lebenden“ gibt es seit 1988. Für den diesjährigen Marsch war erstmals eine offizielle Delegation der Vereinigten Arabischen Emirate nach Polen gereist. Sie wurde von Ahmed Obaid al-Mansuri angeführt. Er hatte im vorigen Jahr in Dubai eine ständige Holocaust-Ausstellung eröffnet.
Teilnehmer kamen außerdem aus weiteren arabischen Ländern, mit denen Israel diplomatische Beziehungen hat: Jordanien, Ägypten und Marokko. Auch die Türkei beteiligte sich.
Selbst Länder, die keine normalen Beziehungen zu Israel pflegen, waren in Auschwitz vertreten. Dazu gehörten Syrien, der Libanon und Saudi-Arabien, schreibt die „Times of Israel“.
Israelische Araber besuchen Auschwitz
Eine Gruppe von 27 arabischen Israelis flog ebenfalls für den Marsch nach Polen. Zunächst besuchte sie die jüdische Gemeinde in Krakau; die Stadt ist ungefähr 50 Kilometer vom ehemaligen Vernichtungslager entfernt.
Im Vorfeld der Reise sprach die israelische Zeitung „Ha’aretz“ mit zwei Teilnehmerinnen aus Jaffa: der 42 Jahre alten Nadia Ibrahim Asisi und ihrer 36-jährigen Schwester Janet Sury. Zur Vorbereitung hatten sie die Jerusalemer Holocaustgedenkstätte Yad Vashem besucht.
Ibrahim Asisi sagte dem Blatt, sie seien zwar in christlichen Schulen ausgebildet worden und hätten an Koexistenzprogrammen teilgenommen. Sie hätten sich auf auf einer weltweiten Ebene mit dem Holocaust befasst. „Aber wir sahen nie wirklich die Bilder und verstanden das Ausmaß des Leidens nicht. Im Museum hatten wir beide Tränen in den Augen und waren sprachlos.“
Holocaust Arabern zugänglich machen
Die Gruppe setzt sich aus israelischen Muslimen, Christen und Drusen zusammen. Deren Reise hatte die Organisation „Together – Vouch for Each Other“ („Gemeinsam – Füreinander Einstehen“) angeregt. Sie wurde 2018 gegründet mit dem Ziel, „Lücken zwischen Arabern und Juden in der israelischen Gesellschaft schließen“.
„Ha’aretz“ zitiert den Leiter der Organisation, Joseph Haddad, mit den Worten: „Es ist uns wichtig, die Erinnerung an den Holocaust der israelisch-arabischen Gesellschaft und der arabischen Welt zugänglich zu machen. Denn jeder Mensch muss von diesem schockierenden Ereignis in der Menschheitsgeschichte wissen und darüber und daraus lernen.“
Haddad hat dem Bericht zufolge trotz pandemiebedingter Einschränkungen Versammlungen in der arabischen Gesellschaft organisiert. Dort hörten israelische Araber Zeugnisse von Überlebenden. Hinzu kamen Videokonferenzen mit Teilnehmern in arabischen Ländern.
Nach Aussage von Sury brachte Haddad eine Saite zum Klingen, als er fragte, ob sie mitfahren wollten: „Wie können wir als Araber mit den Juden existieren, wenn wir ihre Geschichte nicht kennen?“
Skepsis bei Freunden
Die Schwestern stießen bei ihren Freunden auf gemischte Reaktionen, als sie von ihrem Vorhaben erzählten. Asis Ibrahim erzählte: „Jüdische Freunde fragten mich, warum ich gehen wollte. Sie machten Witze, dass ich konvertieren könnte, weil ich jüdischer sei als sie. Natürlich gab es auch Freunde, die es erstaunlich fanden und mir Glück wünschten. Und ich hatte arabische Freunde auf beiden Seiten: Manche unterstützten mich und andere fragten: ‚Warum sollest du das tun?‘“
Auch Sury erlebte es, dass manche Araber ihre Teilnahme in Frage stellten. Sie hätten auf die aktuellen Spannungen in Jerusalem wegen des Zugang zu heiligen Stätten verwiesen und gefragt: „Wie kann eine jüdische Bevölkerung, die all diesen Horror durchgemacht hat, grausam zu den Palästinensern sein?“
Doch die beiden Araberinnen wollen die Dinge voneinander trennen. Sury sagte: „Wir können mit vielen Dingen, die unser Land tut, nicht einverstanden sein. Dabei können wir uns gleichzeitig als Araber ansehen, die unser Land und sein Volk lieben.“ Ihre Schwester ergänzte, es gebe immer Extremisten von allen Seiten. „Wir werden die Extremisten nicht siegen lassen.“
Israels Geschichtsdarstellung verstehen
Die vor drei Jahren gegründete arabisch-israelische Organisation „Atidna“ wiederum schickte 120 Jugendliche zum „Marsch der Lebenden“. Coleiterin Dalia Fadila sprach von einer „einmaligen und außerordentlichen Erfahrung, wenn man bedenkt, was in Israel jetzt vor sich geht, und angesichts all der Spannungen“.
Es sei eine starke Aussage, fügte Fadila hinzu: „Wir sind hier, wir kümmern uns um unsere Heimat. Wir wollen die Geschichtsdarstellung von Israel und dem jüdischen Volk verstehen. Es ist auch eine Gelegenheit, unsere eigene Geschichtsdarstellung zu überprüfen.“ (eh)
Eine Antwort
Schön, wenn Araber sich über Ihren Horizont Ihre eigenen Geschichte hinwegtrauen.
Sie merken gar bald, dass die Linien Ihrer eigenen und derer israelischen Geschichte zusammen laufen.
Warum sind die Linien auseinander getriftet? Weil Neid und Bosheit im Spiel war. Man wollte teilhaben am Erbteil. Man wollte nicht der Sohn der Magd heißen, sondern der Sohn der Verheißung. Man wollte angesehen und hoch in Ehren gehalten werden in den kurzen Tagen des Erdendaseins. Dafür war man bereit Aggressionen einzugehen, um seine Ziele für sich zu verwirklichen. Dies wurde zu Gefahr und die Trennung musste erfolgen. Die Linien gingen auseinander. Und so bleibt es bis heute. Die Aggressoren sprechen anderen Ihr Erbteil ab, obwohl sie selbst genug Raum haben. Sie folgen der Linie Ihrer Vorfahren und driften weiter ab. Die Trennung muss daher bleiben und vertieft sich, sobald die Agressionen zunehmen um die Vernichtung Israels im Jahr 2041/42 voranzutreiben. Diejenigen aber, die dieser Arroganz absprechen finden heraus, dass auch ihr Vater Abraham heißt und finden ebenfalls heraus, dass Ihr Gott sie liebt, genauso wie er auch Israel liebt. Durch gegenseitigen Respekt ohne das Streben nach eigener Größe und Ehre fallen auch Bedürfnisse für sämtliche Aggressionen weg. Da finden die Linien wieder zusammen. Dann wird der Wohlstand und die Freude auch keine Grenzen mehr kennen.
Viel Erfolg beim Forschen und viel Glück!