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Hamas im Aufwind

Mit Unterstützung des Iran rüstet die Hamas militärisch auf. Dank einer neuen Front im Südlibanon kann die Terror-Organisation flexibler gegen Israel vorgehen.
Von Daniel Frick
Die Hamas will durch finanzielle Unterstützung Anreize für Terroranschläge schaffen

Für die Terror-Organisation Hamas ist 2021 insgesamt ein gutes Jahr gewesen. Vor allem mit dem Konflikt im Mai konnte sie sich profilieren und strategisch positionieren: Die Raketenangriffe auf Jerusalem zeigten den Palästinensern und der Welt, wer wirklich der Verteidiger der Stadt gegen den jüdischen Zugriff ist. Elf Tage lang hielt die Hamas das israelische Militär durch wahllosen Beschuss auf israelische Wohngebiete in Atem.

Auf der Verhandlungsebene ist der Konflikt noch lange nicht vorbei. Auch hier kann die Hamas Erfolge vorweisen: Entgegen der ursprünglichen Absicht lockerte die israelische Regierung Ende Dezember etwa die Kontrollen für die Wareneinfuhr. Auch Güter mit „doppeltem Verwendungszweck“ sind zugelassen. Gemeint sind damit Güter, die für Terrorzwecke zweckentfremdet werden können, wie etwa Drohnen. Eigentlich hatte die Regierung von Naftali Bennett (Jamina) die Freigabe der Leichname von Hadar Goldin und Oron Schaul zur Bedingung für eine Lockerung der Gaza-Restriktionen gemacht. Die beiden Soldaten waren im Konflikt 2014 im Gazastreifen gefallen. Die Hamas hält sie bis heute zurück. Mit dem Entgegenkommen erhofft sich die Jerusalemer Regierung Ruhe. In den Monaten zuvor hatte es wieder Angriffe mit Brandballons gegeben. Und im August war ein Soldat an der Grenze zum Gazastreifen getötet worden.

Starke Präsenz im Westjordanland

Das Momentum scheint derzeit auf der Seite der Hamas zu liegen. Und das ist nicht nur ein Problem für Israel, sondern auch für die Fatah-­Partei von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Denn die Hamas ist längst nicht mehr nur im Gazastreifen eine Nummer. Dass sie im Westjordanland Rückhalt hat, ist keine Neuigkeit. Doch zuletzt trat die Terrorgruppe hier zunehmend konfrontativer auf: Sie hielt Paraden in Städten wie Dschenin ab. Und sie zeigte trotz Verbotes der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) im wahrsten Sinn des Wortes Flagge. In Universitäten tragen Studenten Hamas-­Uniformen und führen mitunter Waffen mit sich.

Wie stark die Präsenz der Hamas ist, zeigt für Kobi Michaeli vom „Institut für Nationale Sicherheitsstudien“ auch der Anstieg an vereitelten Terrorakten durch Israel und durch Sicherheitskräfte der PA – oder einfach durch Glück. Israelischen Medienberichten zufolge hatte ein etwa 16-jähriges Hamas-Mitglied einen Anschlag mit einer Maschinenpistole in der Siedlung Efrat bei Bethlehem geplant. Die Waffe stockte aber, und er floh. Den Vorfall beschreiben israelische Sicherheitsbehörden als Weckruf und Hinweis, dass die Hamas ihre Terror-­Infrastruktur im Westjordanland aufbaut. Gegen Ende des Jahres wurde dann bekannt, dass israelische Sicherheitskräfte in mehreren Razzien, den größten der vergangenen Jahre, rund 200 Hamas-Mitglieder festgenommen haben. Sie waren nach Auskunft des Inlandsgeheimdienstes Schabak in Terrorzellen aktiv und planten Anschläge im Westjordanland und im staatlichen Israel.

Front im Norden

Doch selbst im Libanon ist die Hamas inzwischen präsent – und tritt dort ebenfalls immer stärker in Erscheinung. Auch hier wird das zu einem Problem für die Fatah: In den palästinensischen Flüchtlingslagern war sie bislang die dominante Bewegung, aber nun sucht sich die Hamas Rekruten aus den rund 200.000 Palästinensern in dem Zedernstaat.

Die Hamas

Als Organisation trat die Hamas seit Ende der 1980er Jahre in Erscheinung. Das in ihrer Charta festgeschriebene Ziel ist die Zerstörung Israels. Im Jahr 2007 übernahm sie nach gewonnenen Wahlen in einem blutigen Konflikt mit der Fatah die Macht im Gazastreifen. Seither ist es zu vier größeren militärischen Konflikten mit Israel gekommen. In den vergangenen Jahren operierten ihre Führer auch von Katar und der Türkei aus.

Zuletzt hatte die Hamas dort unfreiwillig die Blicke auf sich gelenkt: In dem von der UN-­Organisation für Palästina-­Flüchtlinge (UNRWA) betriebenen Lager Burdsch al-­Schimali bei Tyros kam es am 10. Dezember zu einer Explosion in einem Waffendepot, das sich unter einer Moschee befindet. Vermutlich handelte es sich um einen „Arbeitsunfall“, also um falschen Umgang mit den Waffen. Ein Hamas-­Ingenieur starb. Bei dessen Begräbnis kam es zu einem Feuergefecht mit Mitgliedern der Fatah, das vier Tote zur Folge hatte. Beobachter gehen davon aus, dass das kein spontanes Scharmützel war, sondern beabsichtigt: Die Fatah will der Hamas Grenzen aufzeigen – was wiederum bedeutet, dass sie sich durch die Präsenz im Libanon bedroht fühlt.

Die Etablierung der Libanon-Front ist eine bewusste Strategie, die einem Hauptziel dient: der Vernichtung Israels. Beobachter der Szene wissen von einem „Arbeitsplan“ aus dem Jahr 2018, der den Aufbau von Kampffähigkeiten vorsieht. Die Rede ist von Präzisionsraketen, die sich per GPS lenken lassen. Zu dem vorgesehenenen Inventar sowie von Sprengstroffdrohnen und Mörsern, die sich über Fernsteuerung abfeuern lassen. Mehrere hundert Kämpfer sollen dem Plan zufolge in zwei Kampfeinheiten organisiert werden.

Die Absicht, im Libanon Fuß zu fassen, bestand offenkundig schon länger. Ein von der libanesischen Terrormiliz Hisbollah bereits im Jahr 2017 verbreitetes Bild zeigt den Vizechef der Hamas, Saleh al-Aruri, bei einem Treffen mit Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah. Der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad soll im Januar 2018 in Sidon einen Anschlag auf Hamas-Mitglied Mohammed Hamdan verübt haben, den dieser aber überlebte. In Sidon hat die Hamas ihren „Landessitz“.

Unterstützung aus Teheran

Hamdan gilt als der Verbindungsmann zum Iran. Tatsächlich billigt das Regime in Tehe­ran den Aufbau einer Hamas-Front im Libanon nicht nur, sondern fördert ihn auch: Die Revolutionsgarden bringen dort den Hamas-­Rekruten den Bau von Präzisionsraketen und Kampfdrohnen bei. Dem Iran kommt die Präsenz der Hamas entgegen: Neben der Hisbollah kann er eine „zweite Karte“ spielen. Während des jüngsten Gaza-Konfliktes im Mai 2021 fanden sich Vertreter der Hamas, der Hisbollah und der Revolutionsgarden gar in einem gemeinsamen Lagezentrum in Beirut zusammen. An drei Tagen dieses Konfliktes wurden auch Raketen aus dem Libanon auf Israel gefeuert. Für das israelische Alma-Zentrum, das die Sicherheitslage im Norden beobachtet und analysiert, ist es wahrscheinlich, dass die Hamas dahintersteckte.

Im Verlauf des Jahres 2021, im Juli und August, kam es zu zwei weiteren, eher begrenzten Beschüssen aus dem Libanon. Laut dem Alma-Zentrum folgte die Hamas damit der Maßgabe einer „neuen Gleichung“, die Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah am 25. Mai ausgerufen hatte: Israelische „Verletzungen“ in Jerusalem werden mit einem „regionalen Krieg“ beantwortet, der die Zerstörung Israels als Ziel hat. Die Hamas und andere vom Iran geförderte Terrorgruppen – die Huthis im Jemen und im Irak die Hisbollah-Brigaden-Miliz – gaben bekannt, dass sie sich hinter diese Maßgabe stellen.

Im Juli handelte es sich bei besagten „Verletzungen“ um Tempelberg-­Besuche von Juden, die am Trauertag Tischa BeAv dort beten wollten. Die Hamas feuerte kurz darauf zwei Raketen auf Israel. Eine davon fing das Abwehrsystem Eisenkuppel eine ab, eine weitere schlug auf offenem Feld ein.

Bei alledem stellt sich auch die Frage, wie die Hisbollah die neuen Nachbarn sieht. Bilder und Berichte über eine Zusammenarbeit sind in der Öffentlichkeit vorhanden. Völlig konfliktfrei ist die Beziehung jedoch nicht. Als die Israelis im August auf Raketenbeschuss aus dem Libanon reagierten, feuerte die Hisbollah mit 19 Geschossen zurück – vermutlich unfreiwillig. Die Hamas operiert also auch im Norden relativ eigenständig und zieht die Hisbollah womöglich in ungewollte Konflikte mit Israel hinein.

Der Umgang mit dem Monster

Ohne Frage bedeuten diese Entwicklungen für Israel eine zusätzliche Herausforderung. Die Hamas war bislang schon wenig zimperlich, was Gewalt und Terror gegen Israel angeht. Doch für den Analysten Joni Ben Menachem vom „Jerusalemer Zentrum für Öffentliche Angelegenheiten“ wächst sie erst jetzt zu einem „militärischen Monster“ heran. Seiner Auffassung nach muss Israel mit Überraschungsangriffen dagegen vorgehen – und vor allem den militärischen Kopf im Libanon, Al-Aruri, ausschalten.

Andere Experten wie Kobi Michaeli sehen ebenfalls gewachsene Herausforderungen: „Die Hamas ist ein noch gefährlicherer Feind geworden“, schreibt er. Und er rät, die palästinensische Organisation trotz der regionalen Aufspaltung als Einheit zu sehen: Auf Raketenangriffe aus dem Libanon müsste dann etwa auch eine Reaktion im Gazastreifen erfolgen.

Israelnetz Magazin

Dieser Artikel ist in einer Ausgabe des Israelnetz Magazins erschienen. Sie können die Zeitschrift hier kostenlos und unverbindlich bestellen. Gern können Sie auch mehrere Exemplare zum Weitergeben oder Auslegen anfordern.

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3 Antworten

  1. „Gott setzt Könige ab und setzt Könige ein“ aus Daniel 2,21

    wenn das nicht stimmen würde, müssten wir verzweifeln.

    10
    1. Ich staune wieder einmal, Frau Hofmann. Nicht ein einziges Wort Bezugnahme auf den recht informativen Artikel, welchen die Redaktion einstellte. Aber 8 Voten für einen, Sie gestatten, Allgemeinplatz. Der auch nicht dadurch hier weniger deplaziert erscheint, weil er im Tanach resp. dem Alten Testament auftaucht.

      Danke für den interessanten Bericht. Dass die Hamas ihren Fuss schon so fest in den Resten des Libanons hat, das war mir neu.

      8
  2. Ich dachte die Hamas ist eine Welt weite Tarnorganisation. Dann sollten auch die Länder, die diese Organisation unterstützen mit gleichbleibenden Sanktionen belegt werden wie sie zur Zeit bei dem Russland- Ukraine Konflikt herrschen.

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