TEL AVIV (inn) – Es ist die weltweit erste wissenschaftliche Studie zur Sauerstofftherapie bei einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Wissenschaftler der Universität Tel Aviv haben jahrelang geforscht und veröffentlichten nun ihre erstaunlichen Ergebnisse: Eine Therapie mit Sauerstoff kann PTBS-Symptome deutlich reduzieren. Einige Probanden der Studie gelten nach der Behandlung als geheilt.
Weg von der Psychologie
Eine Posttraumatische Belastungsstörung tritt als eine verzögerte psychische Reaktion auf ein extrem belastendes Ereignis, eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes auf. Symptome sind unter anderem Panikattacken, Trauma oder auch eine Überregtheit. Bislang setzte die Behandlung bei der Psyche des Menschen an. Oftmals kann dies auch helfen, allerdings nicht jedem. Die Wissenschaftler aus Tel Aviv verfolgten erstmals eine rein körperliche Behandlung.
Gegenüber der israelischen Onlinezeitung „Times of Israel“ verwies die Forscherin Keren Doenjas-Barak auf die neuartige Herangehensweise. Es werde versucht, biologische „Veränderungen im Gehirn zu beeinflussen“. „Dieser Ansatz verlässt sich nicht auf psychologische Werkzeuge“, ergänzte sie.
PTSB wird durch ein dramatisches Erlebnis ausgelöst. Das Gehirn kann dies nicht vollständig verarbeiten und wird überregt. Die Elastizität des Gehirns wird beeinträchtigt. Eine Sauerstofftherapie setzt dort an: In der Überdruckkammer kommt es zum Anstieg der Gehirnaktivität des Frontallappens. Dort verarbeitet der Mensch emotionale Erlebnisse. Im Hippocampus, wo das Gedächtnis sitzt, kommt es folgend ebenfalls zu einer höheren Aktivität. Beides erhöht die Elastizität des Gehirns, und die Wunden im Gehirngewebe können heilen.
Untersuchung bei Soldaten
Da das Gehirn sowohl psychisch als auch physisch arbeitet, erleichtert es die Forscher, die Verbindungen aus beidem zu nutzen. Schai Efrati, der Leiter des Tel Aviver Forscherteams, hofft darauf, dass sie Möglichkeiten finden, wie sie den PTBS-Leidenden helfen können: „Derzeit führen wir fortlaufende Forschungen durch, um den biologischen Fingerabdruck von PTBS zu identifizieren. Dies kann letztendlich die Entwicklung innovativer Diagnosewerkzeuge ermöglichen.“
Die Forscher aus Israel hatten für ihre Studie 35 israelische Armeeveteranen gewinnen können, die allesamt an PTBS litten. Sowohl Psychotherapie, wie auch Medikamente brachten keinen Erfolg. Die Soldaten wurden in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Untersuchungs- und eine Kontrollgruppe. Während der Therapie nahmen alle weiter an ihrer Psychotherapie teil. Mit 18 von ihnen wurde eine Sauerstofftherapie durchgeführt. Fünf Tage die Woche mussten sie in die Überdruckkammer. Insgesamt wurden 60 Sitzungen abgeschlossen. Bei der Kontrollgruppe, die keine Therapie mit Sauerstoff erhielt, blieben die Symptome gleich. Bei den 18 Veteranen gingen die Symptome hingegen stark zurück. Die Hälfte der Teilnehmer galt nach der Sauerstoff-Behandlung als geheilt.
Efrati sieht den Erfolg durch die Sauerstofftherapie begründet: „Die Reaktivierung von Stammzellen sowie die Bildung neuer Blutgefäße erhöhte die Gehirnaktivität. Letztendlich wird die Funktionalität des verwundeten Gewebes wiederhergestellt.“
Die Studie sorgt in Israel und weltweit für Aufsehen. Die israelische Neuwissenschaftlerin Hermona Soreq war nicht an der Forschung beteiligt. Sie misst den Ergebnissen große Relevanz zu: „Dies könnte der Anfang sein.“ Soreq weist auf die Dringlichkeit einer effizienten Behandlung hin: „PTBS ist in vielen Gesellschaften, einschließlich Israel, ein wachsendes Problem. Es verursacht langfristige physische Schäden am menschlichen Gehirn, was die Notwendigkeit neuer Behandlungen unterstreicht.“ Rund 5 bis 8 Prozent der globalen Bevölkerung leidet an einer PTBS. Der neue israelische Ansatz könne vielen helfen, da sind sich die Tel Aviver Forscher einig. (joh)