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Koscheres aus Chemnitz

Das jüdische Restaurant SCHALOM in der künftigen europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz ist seit über 20 Jahren ein Treffpunkt für Künstler, Literaten und Politiker. Sie kommen auch aus Israel.
Uwe Dziuballa vor seinem Lokal SCHALOM in Chemnitz, einem beliebten Treffpunkt für Vertreter aus der israelischen Politik- und Kulturszene

Ein Hauch von Israel, dazu viele jüdische Speisen und ein weltoffenes Klima – auf diese Melange trifft der Besucher, sobald er das Restaurant SCHALOM in der Chemnitzer Heinrich-Zille-Straße 15 betreten und seine Garderobe am Eingang abgegeben hat. Ab 2025 wird Chemnitz den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ tragen. Der Duft nach gutem Essen vermischt sich im SCHALOM auch an diesem Herbsttag mit den warmen Farben von dunklem Eichenholz und dem – dank hoher Decken – nie zu lauten, niemals unangenehmen Vielstimmenklang der Gäste. Ein wandfüllendes, expressionistisch anmutendes Gemälde in Blau- und Orangetönen mit Motiven aus dem Heiligen Land und Chemnitz zieht die Blicke auf sich, derweil der Besucher die Atmosphäre des Raumes verändern kann, bloß indem er ihn betritt.

Fast immer täglich ab 17 Uhr ist das SCHALOM geöffnet. Es gibt Vorträge und Live-Musik. „Der Kunde ist bei uns König“, sagt Uwe Dziuballa. Auf der Speisekarte stehen nur koschere Mahlzeiten, darunter Falafel auf Tahina, Kartoffelkugeln und Bulgur-Wurzelgemüse mit Reis und Bohnen; ebenso Steinbeißer mit Rote-Beete-Risotto und Johannisbeere-Vanille-Sauce.

Pilot und Mäzen

Dziuballa ist eigentlich Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik. Er gilt als begnadeter Kommunikator und Netzwerker; einer, von dem behauptet wird, er besäße sogar die private Handynummer Angela Merkels und des israelischen Premierministers. Vor zwei Jahren war die langjährige CDU-Kanzlerin tatsächlich bei ihm zu Gast, wie auf Bildern zu sehen ist, ebenso Sozialministerin Petra Köpping (SPD) und der Historiker Julius H. Schoeps, der zu seinen Freunden zählt. Das SCHALOM ist zudem ein beliebter Treffpunkt für israelische Politiker, Diplomaten und Künstler, immer wenn sie Termine in der ostdeutschen Provinz haben, heißt es. Denn mit seinem explizit jüdischen Restaurant hat Dziuballa zwischen Ostsee und Erzgebirge fast eine Monopolstellung.

Der Besuch von Bundeskanzlerin Merkel vom März 2019 ist im Restaurant präsent Foto: Benedikt Vallendar
Der Besuch von Bundeskanzlerin Merkel vom März 2019 ist im Restaurant präsent

In der DDR wurde Dziuballa bei der Nationalen Volksarmee zum Piloten ausgebildet und flog zeitweilig Rettungshubschrauber. Seit 1986 befand er sich in einer Kaderreserve für die Entsendung nach Israel, wozu es aber nicht mehr kam, weil am 9. November 1989 in Berlin die Mauer fiel und der selbst ernannte Arbeiter- und Bauernstaat kurze Zeit später Geschichte war. Stattdessen machte Dziuballa, 1965 im damaligen Karl-Marx-Stadt geboren, Karriere bei der Deutschen Bank und lebte einige Zeit in den USA, bevor er sich um die Jahrtausendwende und nach dem frühen Krebstod seines Vaters entschied, etwas „Eigenes“ aufzuziehen.

Heute betreibt Dziuballa neben dem SCHALOM, knapp zehn Minuten Fußweg vom Chemnitzer Hauptbahnhof entfernt, noch zwei weitere Unternehmen, eine PR-Agentur und eine Firma für Gebäudesicherheit. Sein Liebe gelte der Literatur und Kunst, heißt es, was allein schon die vielen bunten Bilder an den Wänden beweisen. Dziuballa gilt in Chemnitz als Institution innerhalb der jüdischen Community, als Persönlichkeit der Stadtgesellschaft und Mäzen auch für weniger bekannte Künstler; meist einsame Individualisten mit Hinterhofatelier, denen er schon mal Bilder weit über Wert abkaufe, da die ja schließlich „auch von irgendwas leben müssen“, wie Dziuballa es ausdrückt.

Bildung oben an

Und: Uwe Dziuballa trägt seine jüdische Kippa aus Überzeugung, sagt er, wirkt auf den ersten Eindruck ein wenig kühl, fast distanziert und hat doch ein großes Herz für Menschen, die es schwerer haben als andere, wie viele aus seinem Umfeld bestätigen. Mitte der neunziger Jahre habe ihn das fast in eine finanzielle Schieflage gebracht, sagt Dziuballa, nachdem er aus seinem Privatvermögen Sozialarbeiter und Betreuer für jüdische Kontingentflüchtlinge aus der früheren Sowjetunion bezahlt hatte. Bis es finanziell einfach nicht mehr ging und der Staat für diese Menschen in die Bresche sprang.

Das wurde zur Erfolgsgeschichte, da die meisten jüdischen Einwanderer von damals heute in gut bezahlten Berufen arbeiten und Deutschland halfen, sein Gesicht als weltoffenes Land zu stärken, auch wenn die Zuwanderungsmöglichkeiten seit 2015 massiv eingeschränkt worden sind.

Dziuballa trägt bewusst eine Kippa Foto: Benedikt Vallendar
Dziuballa trägt bewusst eine Kippa

Bildung steht für Dziuballa, der in dritter Ehe mit einer ehemaligen Schulleiterin verheiratet ist, ganz oben an, sagt er. Ein gebildeter Mensch komme schließlich „immer wieder auf die Beine“, soll er einmal gegenüber einem Lokalpolitiker geäußert haben, als es um die im Bundesvergleich damals noch geringen Lehrergehälter im Freistaat ging. 1983 hat Dziuballa mit „exzellenten Noten“ sein Abitur bestanden, so dass ihm viele Wege offenstanden. Das heutige Gymnasium war damals eine „Erweiterte Oberschule“ (EOS), in der neben Fachwissen auch Marxismus-Leninismus auf dem Stundenplan stand, was aber „kaum wer ernst genommen“ habe, wie sich ein ehemaliger Weggefährte aus DDR-Zeiten erinnert.

Keine Adresse für Opfertouristen

Hinzu kam: Wegen verwandtschaftlicher Kontakte in den Westen besaß Uwe Dziuballa einen roten DDR-Reisepass, mit dem er zu Mauerzeiten ungehindert in die bunte Wunderwelt des Westens reiste, um sich dort mit Platten zu versorgen, wie der Musikfan mit schelmischem Unterton bekennt. Und dann waren da noch die langen „Mitbringlisten seiner Kommilitonen“, die er immer fleißig und zuverlässig abgearbeitet habe, woran sich viele aus seinem Umfeld noch heute dankbar erinnern.

In die Schlagzeilen geriet sein Restaurant 2018, als eine Gruppe Schläger Steine auf ihn warfen und einer der Täter, ein vorbestrafter Drogendealer und bekennender Osama-Bin-Laden-Fan aus Niedersachsen, zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Es sei nicht das erste Mal gewesen, dass er wegen seiner jüdischen Herkunft attackiert wurde, sagte Dziuballa damals gegenüber Journalisten.

Er wolle jedoch verhindern, dass sich in seinem Umfeld eine künstlich aufgesetzte Betroffenheitsstimmung breitmache, die ihn „einfach nur nerve“. Er wolle nicht seiner Religion wegen zum Opfer stilisiert werden, sagt Dzibulla. Menschen, so genannten „Opfertouristen“, die ihn nur aufsuchten, um mit ihm über Deutschlands braune Vergangenheit zu weinen, setze er deutliche Grenzen. Auch Schulklassenbesuche sehe er inzwischen kritisch, da dabei oft eine klammheimliche bis halboffene Schadenfreude für das den Juden angetane Unrecht zu bemerken sei, ergänzt er.

Noch am Tag der letzten Bundestagswahl warnte die Tageszeitung „Die Welt“ vor wachsendem Judenhass auf muslimischer Seite, was er nur bestätigen könne, sagt Dziuballa. Hinzu komme der landauf landab zu hörende Kampf gegen „Antisemitismus und Rassismus“, der in Deutschland fast schon Züge einer Staatsdoktrin habe, wie einst der von oben verordnete „Antifaschismus“ in der DDR. Offenbar immer weniger jüdische Einrichtungen, vor allem in Ostdeutschland wollen sich dafür vereinnahmen lassen. Das gilt auch für Uwe Dziuballa. Besser wäre es, jüdisches Leben würde in Deutschland wieder zur Normalität werden, wozu auch das Tragen der jüdischen Kopfbedeckung in der Öffentlichkeit gehöre, sagt Dziuballa, während er auf sein fast im Minutentakt blinkendes Handy schaut, und es mit fast stoischer Ruhe liegen lässt, weil heute Schabbat ist und einem Juden damit alle dem Einkommenserwerb dienenden Tätigkeiten untersagt sind.

Von: Benedikt Vallendar

Dr. Benedikt Vallendar arbeitet als freier Publizist und ist Berichterstatter der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt am Main. 2004 promovierte er an der FU Berlin im Fach Neuere Geschichte.

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2 Antworten

  1. „Wegen verwandtschaftlicher Kontakte in den Westen besaß Uwe Dziuballa einen roten DDR-Reisepass, mit dem er zu Mauerzeiten ungehindert in die bunte Wunderwelt des Westens reiste, … “ – Erstaunlich, denn ein großer Teil der DDR-Bürger hatte Verwandtschaft im Westen, aber keinen DDR-Reisepass. (Wie kam es also zu der Sonderregelung für Herrn Dziuballa?) Reisen gen Westen durfte Bürger im Rentenalter mit 15 (fünfzehn) DM in der Tasche. Wie der Mann mit diesem Betrag sich „dort mit Platten versorgen“ konnte, ist mir unerklärlich. Und dann waren da noch die langen „Mitbringlisten seiner Kommilitonen“, die er immer fleißig und zuverlässig abgearbeitet habe … In meinen Augen ist das ominös. Das gilt auch hinsichtlich der „Kaderreserve für die Entsendung nach Israel, wozu es aber nicht mehr kam, weil am 9. November 1989 in Berlin die Mauer fiel“. Der ostdeutsche Staat war der Hauptunterstützer der PLO und damit von Arafat. Sicherlich verfolgte die DDR- Regierung noch ein weiteres Ziel: Mithilfe Israels und jüdischer Organisationen sollte das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika verbessert werden. Wenn Herr Dziuballa in diesem Rahmen ALS PRIVILEGIERTER DES SYSTEMS, geboren in Belgrad, mitmischen sollte, dann sollten Sie, Herr Dr. Vallendar, auch so darlegen. Schönredend ist zudem folgender Satz: „1983 hat Dziuballa mit „exzellenten Noten“ sein Abitur bestanden, so dass ihm viele Wege offenstanden.“ In der DDR standen niemandem viele Wege offen. Zugelassen zur EOS wurden bevorzugt die Kinder systemtreuer Eltern.

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  2. Jungen wurden häufig in die Offizierskarriere bei der NVA gedrängt und Studienplätze wurden nach einem Schlüssel vergeben, die Abiturnote als solche war ein drittrangiges Immatrikulationskriterium. Gläubigen wurde in den meisten Fällen der Zugang zur EOS verwehrt, geschweige denn, ein Studium in Aussicht gestellt. – Ich möchte nun wissen, wie es kam, dass ein Uwe Dziuballa in den Genuss aller dieser Ausnahmeregelungen kam. Wer waren dessen Eltern? Waren sie treue SED-Mitglieder und ergebene Staatsdiener? Wie war die Einstellung des jungen Dziballa der Diktatur gegenüber? Hinzu kommt, dass Anfang der 1990er Jahre die Chemnitzer Jüdische Gemeinde nur noch aus 10 – 20 Angehörigen bestanden haben soll. Gehörte die Familie Dzibulla dazu? Mit anderen Worten: Dieses Porträt überzeugt mich nicht.

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