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Wie sich Frauen in der israelischen Gesellschaft behaupten

Frauen sind laut der israelischen Unabhängigkeitserklärung gleichberechtigte Bürger. Welche Erfahrungen sie diesbezüglich mit ihrem politischen Engagement gemacht haben, erzählen eine Jüdin und eine Araberin bei einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung.
Selbstbewusste Frauen: Bissan Salman (r.) und Jael German (u.) im Gespräch mit Moderatorin Britta Weck

BERLIN (inn) – Die eine war die erste Bürgermeisterin in Israel, die andere hat bereits in jungen Jahren Erfahrung in der Diplomatie. Bei der Friedrich-Naumann-Stiftung kommen die frühere Gesundheitsministerin Jael German und die arabische Menschenrechtlerin Bissan Salman zu einem Videogespräch zusammen. Beide betonen, dass die Unterstützung aus ihrem Umfeld für ihre Karriere sehr wichtig gewesen sei.

Den englischen Webtalk am Mittwoch moderiert Britta Weck. Sie zitiert zur Einführung aus der israelischen Unabhängigkeitserklärung von 1948, die eine Gleichheit der Rechte unabhängig vom Geschlecht vorsieht. Die Gründerväter und -mütter hätten sicherstellen wollen, dass Frauen gleichberechtigt sind. Doch nicht immer stimme die Theorie mit der Praxis überein.

Jael German ist aus Herzlia zugeschaltet. Die 74-Jährige wurde 1998 Bürgermeisterin dieser Stadt, als erste Frau in Israel erhielt sie einen solchen Posten. Damals vertrat sie die linksgerechtete Meretz-Partei. 2013 kandidierte sie für „Jesch Atid“ vom heutigen Außenminister Jair Lapid für die Knesset. Sie erhielt den dritten Listenplatz und wurde Gesundheitsministerin. Ende 2014 endete ihre Amtszeit wegen der Auflösung der Knesset. Danach war sie in der Opposition, 2020 legte sie ihr Mandat aus gesundheitlichen Gründen nieder. Vor einem Monat wurde sie zur neuen Botschafterin für Frankreich ernannt, nach eigenen Angaben fühlt sie sich dafür fit genug.

Bissan Salman lebt derzeit in London, wo sie an der renommierten „School of Economy“ in Wirtschaftswissenschaft ihr Masterstudium absolviert hat. Die 28-Jährige stammt aus Ramle, dort besuchte sie eine „sehr konservative“ christlich-orthodoxe Privatschule, wie sie in dem Gespräch sagt. Studiert hat die Araberin auch an der Bar-Ilan-Universität in Ramat Gan bei Tel Aviv. Sie war bisher unter anderem politische Beraterin für die japanische Botschaft in Israel.

Unerwartet zwei Drittel der Wählerstimmen

German erzählt von ihrem Start in die Politik, der sehr hart gewesen sei. Doch nach Bekanntgabe ihrer Kandidatur für den Bürgermeisterposten kamen zuerst Glückwünsche von Frauen, und dann auch von Männern. Zu Beginn des Wahlkampfes wurden ihr 2 Prozent der Stimmen zugetraut, letztlich erhielt sie 67 Prozent – und blieb mehr als 13 Jahre lang Bürgermeisterin.

Auf die Frage, was sie zum politischen Engagement gebracht habe, spricht German von einer persönlichen Tragödie: Ihr Sohn fiel beim Armeedienst, sie trauerte ein Jahr. Danach habe sie gedacht, es müsse einen Sinn haben, dass „ein 19-Jähriger geht und ich hier bleibe“. Deshalb wollte sie etwas Bedeutungsvolles tun, einen Unterschied machen: ein besseres Leben für jeden ermöglichen – für Frauen, Araber, Homosexuelle, Menschen mit Behinderung, Alte. Den einzigen Weg dorthin sah sie in der Politik. Zunächst trat sie der radikal-säkularen Partei Schinui bei, 1993 kam sie für Meretz in den Stadtrat von Herzlia.

Rezept: Mut und Selbstvertrauen

German wandte sich in der nationalen Politik zu, weil Lapid sie 2013 ansprach: Er gründe eine neue Partei. Sie habe in Herzlia einen Wandel bewirkt. Ob sie sich das auch für Israel vorstellen könne. „Jesch Atid“ erhielt bei den anschließenden Wahlen 19 der 120 Knessetsitze. Als der Parteichef sie dann fragte, welchen Ministerposten sie anstrebe, meldete sie sich fürs Gesundheitsministerium. Dieses Amt habe damals niemand gewollt, es habe als hart gegolten. Sie habe die Herausforderung angenommen, Israels Gesundheitssystem zu verbessern. Ihre Amtszeit als Ministerin wertet sie im Rückblick als kurz, aber erfolgreich.

Mut und Selbstvertrauen seien das Rezept, mit dem Frauen Karriere machen könnten, ergänzt die Politikerin. „Kein Mann auf der Welt wird ein neues Amt ablehnen. Frauen denken immer, sie seien nicht gut oder gebildet genug.“ Doch sie müssten ein Amt ohne Zögern annehmen. Als sie Bürgermeisterin wurde, fühlte es sich so an, „als wäre ich in einen Ozean gesprungen“. Doch sie sei bald an die Wasseroberfläche gekommen und habe die Aufgabe als faszinierend empfunden.

„Zwei Gewichte auf den Schultern“

Salman weist darauf hin, dass sie als arabische Christin in Israel zu einer „Minderheit in der Minderheit“ zähle. Zwei Gewichte lasteten auf ihren Schultern, weil sie Frau und Araberin sei. Sie führe also einen doppelten Kampf, auch wegen des „palästinensischen Teils ihrer Identität“. In Israel werde sie zuerst als Araberin wahrgenommen und dann als Frau.

Zu dem politischen Engagement haben sie unter anderen ihre Eltern inspiriert. Sie arbeiteten in einer Behörde, die für Beziehungen zwischen Arabern und Juden zuständig ist. Schon früh habe sie den Wunsch gehabt, Verantwortung für ihr Volk und ihr Land zu übernehmen. So gebe sie die „Geschichte über die palästinensische Minderheit in Israel“ weiter. Dass sie sowohl von ihrer Familie als auch von der Schule Unterstützung für ihre angestrebte Laufbahn erhielt, bezeichnet sie als „ungewöhnlich“ und als „wichtige Zutat für den Erfolg“. In der Oberschule wurde sie auf internationale Kongresse eingeladen, wo sie auch Vorträge hielt. Derzeit ist sie Direktorin für Entwicklung und Außenbeziehungen bei der Regionalen Organisation für Frieden, Wirtschaft und Sicherheit (ROPES).

Mehr Einsatz für das gleiche Ziel

Einig sind sich die beiden Gesprächsteilnehmerinnen darüber, dass Angehörige von Minderheiten sich immer mehr anstrengen müssen als Vertreter einer Mehrheit. Im Wissen, dass Araber „Bürger zweiter Klasse“ seien, habe sie härter für gleiche Möglichkeiten gearbeitet, sagt Salman. Als sie vor zehn Jahren die Schule abschloss, seien alle aus der Klasse an die Universität gegangen: „Wir wissen, dass Bildung unser Mittel zum Erfolg ist.“

Die junge Frau ist mit den drei Sprachen Arabisch, Hebräisch und Englisch aufgewachsen. Sie hat einen Traum: dass Arabisch offizielle Sprache im israelischen Schulsystem wird. Die jüngste Veränderung mit den neuen Beziehungen zwischen Israel und arabischen Ländern zeige, dass Arabisch an Bedeutung gewinne.

Der Webtalk mit den beiden Israelinnen ist Teil einer Reihe der Friedrich-Naumann-Stiftung: „Frauen an der Spitze …“ Dabei sollen Frauen vorgestellt werden, die in verschiedenen Ländern Spitzenpositionen einnehmen. Die Stiftung will den jeweiligen gesellschaftlichen Rahmen besonders hervorheben.

Von: eh

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