Oppositionsführer Benjamin Netanjahu – daran müssen sich nicht nur Israelis erst einmal gewöhnen. Zwölf Jahre am Stück war der Likud-Chef israelischer Premierminister, und vor 2009 bereits von 1996 bis 1999. Das Ende seiner Amtszeit war dann sang- und klanglos: Netanjahu brachte nicht mehr die notwendige Mehrheit für eine Regierung zusammen – obwohl seine Partei ein Viertel der 120 Knessetsitze erhalten hatte.
Der Auftrag ging an Jair Lapid, dessen Partei „Jesch Atid“ immerhin mit 17 Sitzen (14 Prozent) aufwarten kann. Er schaffte die Regierungsbildung auch deshalb, weil er in einem wichtigen Punkt einen wohltuenden Gegensatz zu Netanjahu bildete: Er nahm sich selbst zurück und verzichtete für zwei Jahre zugunsten des Jamina-Chefs Naftali Bennett auf das Amt des Premierministers – auf die Gefahr hin, dass seine Regierung bis dahin zerbrechen könnte.
Ähnliche Vorstöße Netanjahus wirkten hingegen zumindest auf betroffene Politiker wie seinen Weggefährten Gideon Sa‘ar halbherzig. Dieser hatte bereits dem Likud den Rücken gekehrt und die Partei „Neue Hoffnung“ gegründet. Nun ist er Justizminister unter Bennett. Auch der neue Premier gehörte in früheren Zeiten als Bildungsminister zumindest zu Netanjahus Regierung. Den heutigen Finanzminister Avigdor Lieberman (Israel Beiteinu) hatte der Likud-Chef schon früher verprellt.
Trotz Wählergunst nicht zum Zug gekommen
Netanjahus Verhalten bekommt zusätzlich einen unangenehmen Beigeschmack, weil gegen ihn Ermittlungen wegen Korruption laufen. Er ist noch nicht verurteilt, und das sollten weder Politiker noch Journalisten vorschnell tun. Aber das Vertrauen einiger Weggefährten, die sich später gegen ihn stellten, hätte er durch einen Rücktritt wahren können. Und was hätte dagegen gesprochen, den Posten des Regierungschefs oder auch die Spitzenkandidatur zumindest vorübergehend einem Parteifreund zur Verfügung zu stellen, der zu ihm hält?
So kam Netanjahu letztlich nicht zum Zuge, obwohl noch viele Wähler ihn gern als Premier hätten. Nicht nur deshalb ist es bedauerlich, dass er am Ende fast nebenbei abgewählt wurde. Bei allen Fehlentscheidungen und aller Selbstüberschätzung wird der Abgang auch nicht seinen Errungenschaften gerecht.
Besonders hervorzuheben ist hier sein Beitrag zu den Abraham-Abkommen mit vier arabischen Ländern, die Israel seit September 2020 unterzeichnet hat. Deren Bedeutung zeigt sich auch darin, wie Außenminister Lapid damit umgeht. So äußerte er angesichts der Eröffnung der emiratischen Botschaft in Tel Aviv am 14. Juli: „Wir werden den Kreis von Frieden und Normalisierung noch mehr erweitern.“
Dies war ein Termin, den Netanjahu gern selbst wahrgenommen hätte. Insofern wirkt er wie ein Fußballprofi, der seine Karriere aufgrund einer Verletzung beenden muss. In diesem Fall war Halsstarrigkeit der Grund. Die Nachfolgeregierung um Premier Bennett eint vor allem der Wunsch, Netanjahus Herrschaft ein Ende zu machen. Nun agiert er von der Oppositionsbank aus – und hat sich diesen Posten überwiegend selbst eingebrockt.
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