BEIRUT / JERUSALEM (inn) – Nach der verheerenden Explosion in Beirut am Dienstag hat Israel seine Hilfe angeboten. Das Außenministerium teilte noch am Abend mit, es habe zu diesem Zweck auf geheime und internationale Kanäle zurückgegriffen. Israel und der Libanon haben keine diplomatischen Beziehungen und befinden sich offiziell im Kriegszustand.
Der israelische Premier Benjamin Netanjahu genehmigte nach eigenen Angaben medizinische und humanitäre Hilfen für den Nachbarstaat. Der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates, Meir Ben-Schabbat, soll auf Anweisung Netanjahus mit dem UN-Gesandten für Nahost-Verhandlungen Nickolay Mladenov klären, wie Israel darüber hinaus helfen kann.
Staatspräsident Reuven Rivlin bekundete am Abend auf Twitter sein Beileid: „Wir teilen den Schmerz des libanesischen Volkes und wenden ihm uns aufrichtig zu, um unsere Hilfe in dieser schwierigen Zeit anzubieten.“ Am Mittwoch schloss sich Netanjahu den Beileidsbekundungen an. In einem Tweet auf Arabisch bekräftigte er den Willen der israelischen Regierung, dem Libanon Unterstützung zukommen zu lassen.
Irritierender Tweet
Für Stirnrunzeln sorgte indes ein Tweet des Ko-Vorsitzenden der in Berlin ansässigen, nach eigener Darstellung „paneuropäischen“ Denkfabrik „European Council on Foreign Relations“ (ECFR). Der frühere schwedische Premier Carl Bildt schrieb, „sogar“ Israel habe zügig Hilfe angeboten.
Die israelische Abgeordnete Orit Farkasch Hacohen (Blau-Weiß) schrieb als Reaktion auf den Tweet, Israel biete regelmäßig Hilfe an. Sie listete einige Beispiele auf, darunter die Hilfen für Syrer. Der „Amerikanisch-Jüdische Ausschuss“ (AJC) forderte von Bildt eine Entschuldigung. „Müssen wir Sie daran erinnnern, dass es der Libanon ist, der Israels Existenz ablehnt?“, schrieb die Organisation dazu. Eine Anfrage von Israelnetz, wie das „sogar“ zu verstehen sei, blieb bislang unbeantwortet.
Mutmaßungen über Ursache
Laut Mitteilung des libanesischen Roten Kreuzes vom Mittwochmorgen sind mehr als 100 Menschen durch die Explosion getötet worden. Mehr als 4.000 seien verwundet. Das Hilfswerk rechne mit weiteren Opfern, sagte der Sprecher George Kettaneh laut der Nachrichtenseite „Times of Israel“. „Unsere Teams führen noch immer Such- und Bergungsaktionen durch.“
Unterdessen gehen Politiker und Experten der Frage nach dem Auslöser der Explosion nach. Der libanesische Präsident Michel Aun twitterte, es sei „inakzeptabel“, dass in dem Gebäude 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat unsicher gelagert waren. Der Stoff wird unter anderem für die Herstellung von Dünger verwendet, aber auch für Sprengstoff, etwa in militärischen Raketen.
US-Präsident Donald Trump sprach unter Berufung auf amerikanische Militärs von einem Angriff durch eine Bombe. Der israelische Journalist Ronen Bergman verbreitete die Vermutung, die libanesische Terrormiliz Hisbollah habe das explodierte Gebäude für die Lagerung von Raketenteilen genutzt. Er berief sich auf eine „hochrangige israelische Quelle“ und ergänzte: „Wenn dem so ist, könnte der Vorfall die Hisbollah und (Hisbollah-Chef Hassan) Nasrallah im Libanon schwer beschädigen.“
Sorge um Haifa
Der Vorfall lässt an die Drohungen von Nasrallah aus den vergangenen Jahren denken. Im Februar 2016 sagte er etwa, Israel könne durch Beschuss der inzwischen geschlossenen Ammoniak-Lagertanks in der Küstenstadt Haifa besiegt werden. Ein solcher Angriff wäre mit einem Nuklearschlag vergleichbar. Tatsächlich galt der Tank, in dem 12.000 Tonnen des Stoffes lagerten, in Israel als Sicherheitsrisiko. Im Jahr 2017 untersagte ein Gericht den weiteren Betrieb.
Die israelische Umweltministerin Gila Gamliel (Likud) fordert unter dem Eindruck der Explosion in Beirut jedoch weitere Maßnahmen für die Küstenstadt. „Wir müssen gefährliche Chemikalien aus der Bucht von Haifa entfernen“, sagte sie am Mittwochmorgen. Dies müsse innerhalb von fünf Jahren geschehen, weitere fünf Jahre seien für die Reinigung nötig.
Sicherheitsexperten warnen seit Jahren, dass Haifa wegen seiner Ansammlung an Lagerstätten für gefährliche chemische Stoffe in der Nähe von Wohngegenden ein Sicherheitsrisiko darstellt. Das städtische Zentrum für Umweltforschung drängt daher darauf, Industrieeinrichtungen mit entzündlichen und explosiven Materialien zu schließen. So befinde sich eine Fabrik zur Herstellung von Dünger mit einem Ammoniak-Lager von 15 Tonnen in der Nähe des Stadtzentrums.
Von: df