Der Abend des 9. Februar ist der Vorabend des 15. Schvat. An diesem Tag feiern Juden das Rosch HaSchana LaIlanot, das Neujahrsfest der Bäume. Benannt ist der kleine jüdische Feiertag nach seinem Datum: In der jüdischen Tradition hat jeder Buchstabe des hebräischen Alphabets einen Zahlenwert. Das Prinzip ist Europäern vornehmlich von der römischen Zahlschrift bekannt.
So steht im Hebräischen der erste Buchstabe des Alphabets Alef für die Zahl eins, Bet für zwei, Jod für zehn und Jod Alef für elf. Weil die Zahlenwerte zehn und fünf Elementen aus dem vierbuchstabigen Gottesnamen entsprechen würden – und der wegen seiner Heiligkeit im Judentum nicht ausgesprochen wird, gibt es eine andere Lösung: Wer die Werte der Ziffern 9 (Tet) und 6 (Waw) addiert, erhält 15 und steht damit nicht im Verdacht, den Gottesnamen zu missbrauchen. Waw kann wie V oder wie U ausgesprochen werden, in dem Fall ergibt sich die Aussprache TU.
Als Fest wird TU BiSchvat erst mit dem Talmud eingeführt, doch hat es seinen Ursprung in der Bibel: In 3. Mose 19,23ff. steht: „Wenn ihr in das Land der Bäume kommt, und allerlei Bäume pflanzt, von denen man isst, so lasst ihre ersten Früchte stehen, als wären sie unrein wie Unbeschnittene. Drei Jahre lang sollen euch die Früchte wie unbeschnitten gelten; sie dürfen nicht gegessen werden; im vierten Jahr sollen alle ihre Früchte unter Jubel dem HERRN geweiht werden; erst im fünften Jahr sollt ihr ihre Früchte essen, auf dass sie euch weiter ihren Ertrag geben; ich bin der HERR, euer Gott.“
Bäume pflanzen zur fruchtbarsten Zeit
Ejal, ein Tourguide, der Schüler durch das ganze Land führt, erklärt: „In einer Jahreszeit, wo die großen Regenfälle vorüber, aber noch weitere kleinere Regenfälle zu erwarten sind, freuen wir uns an der wiederergrünenden Natur. In dieser Zeit bietet das Land optimale Bedingungen, Bäume zu pflanzen. Der ganze Monat Schvat steht unter dem Eindruck dieses Festes.“ Der Mittzwanziger erinnert sich: „Schon im Kindergarten haben wir viele Lieder gesungen. Dadurch wurde unsere Liebe zum Land gefestigt.“
Traditionell werden in Israel in diesen Tagen viele Bäume gepflanzt. Entweder im eigenen Garten oder mit Baumpflanzaktionen, die im gesamten Land organisiert werden. Auch wenn der Tag in Israel kein offizieller Feiertag ist, nehmen sich gerade junge Leute und Eltern von Kindern Zeit, um ins Grüne zu fahren und Bäume zu pflanzen.
Wie keine andere Organisation steht der Jüdische Nationalfonds (JNF) für die Aufforstung des Landes und damit auch symbolisch für das Fest TU BiSchvat. Nach eigenen Angaben hat er seit seiner Gründung 1901 etwa 240 Millionen Bäume gepflanzt. Dieses Ergebnis ist die Folge von vielen treuen Spendern, die auch in diesem Jahr wieder durch eine besondere Aktion angelockt werden sollen: wer – zum reduzierten Preis – einen Baum spendet, für den pflanzt der JNF einen weiteren.
Die sieben Arten
Traditionelle Früchte des Landes sind die sieben Arten: sieben Pflanzen, die in 5. Mose 8,7f. als kennzeichnend für das Land Israel genannt werden: „Denn der HERR, dein Gott, führt dich in ein gutes Land, …, ein Land, darin Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel wachsen, ein Land, darin es Ölbäume und Honig gibt …“ Diese Pflanzen haben in der jüdischen Tradition und Kunst einen besonderen Stellenwert, sie begegnen dem Besucher in unterschiedlichen Kontexten, auch, weil die Erstlingsfrüchte dieser Arten zu Zeiten des Tempels als Opfer gebracht wurden. In biblischen Zeiten bezeichnete der TU BiSchvat den Beginn des neuen Steuerjahres. Zu TU BiSchvat bringen sie keinen Ertrag, deshalb isst man vermehrt Trockenfrüchte, die an jeder Ecke zu erwerben sind oder die sich in praktisch und hübsch eingepackten Kisten verschenken lassen.
Weil das Fest für die Wiederbelebung der Natur steht, haben auch viele israelische Institutionen dieses Datum für ihre Einweihung gewählt. So wurde TU BiSchvat 1918 etwa der Grundstein für die Hebräische Universität Jerusalem gelegt, 1925 für das Technion in Haifa und 1949 für die Knesset.
Gotteslob für die Fruchtbarkeit
In 5. Mose 8,10 lesen wir: „Wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den HERRN, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat.“ Ging es in der Bibel also darum, die Früchte „dem HERRN zu weihen“ und ihn zu loben, steht das Fest heute bei vielen Israelis für Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Es gibt sogar verschiedene Arten des Seder, eine Art liturgischer Ablauf, wie sich ein solcher Abend gestalten lässt und der auf diese „grünen Themen“, wie es die Israelis nennen, aufmerksam macht. Es bestehen also viele Möglichkeiten, das Fest zu gestalten und im Gegensatz zu anderen jüdischen Festen wenig festgelegte Abläufe.
Eine Sache ist für religiöse Juden aber wichtig: Für den Verzehr jedes Lebensmittels gibt es einen bestimmten Segen. Und so wird auch bei Obst unterschieden, ob man es ganzjährig essen kann oder nicht. Beim Verzehr von Früchten, die das ganze Jahr verfügbar sind, sprechen Juden den Segen „Gepriesen seist du, HERR, unser Gott, König der Welt, der du die Früchte des Baumes geschaffen hast.“ Zu TU BiSchvat gilt es vielen religiösen Juden als geboten, eine Frucht zu essen, die man in diesem Jahr zum ersten Mal verzehrt.
Für Ereignisse, die im weitesten Sinne etwas mit Zeit zu tun haben, gibt es einen besonderen Segen, der in seiner Kurzform als „schehechjanu“ bezeichnet wird. Auch zu TU BiSchvat wird er daher von vielen Juden gesprochen: „Gepriesen seist du, HERR, unser Gott, König der Welt, der du uns hast Leben und Erhaltung gegeben und uns hast diese Zeit erreichen lassen.“
Von: mh