WASHINGTON / JERUSALEM (inn) – Die US-Regierung betrachtet den israelischen Siedlungsbau nicht länger als illegal. Das hat Außenminister Mike Pompeo am Montag in Washington mitgeteilt. Er betonte dabei, die rechtliche Debatte habe den israelisch-palästinensischen Konflikt einer Lösung nicht nähergebracht. Das Problem sei nicht juristisch, sondern politisch durch Verhandlungen zu lösen.
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu begrüßte den Schritt. Noch am Montag teilte er mit, Donald Trump habe eine „historische Ungerechtigkeit“ beseitigt. Dies habe er Trump in einem Telefonat mitgeteilt. „Ich sagte Präsident Trump, dass wir nicht in einem fremden Land sind. Das ist seit 3.000 Jahren unser Heimatland. Wir werden ‚Juden‘ genannt, weil wir aus Judäa kommen.“ Das Gebiet, in dem die israelischen Siedlungen stehen, wird gemeinhin als Westjordanland bezeichnet. Die biblisch-historische Bezeichnung lautet Judäa und Samaria.
Der israelische Justizminister Amir Ohana sagte, der Schritt „erkennt die Verbindung der israelischen Nation zum Land Israel an“. Der Gesandte des Siedlungsrates, Oded Revivi, sagte der Onlinezeitung „Times of Israel“, der amerikanische Botschafter in Israel, David Friedman, habe großen Anteil an dem Politikwechsel. Vor seinem Amtsantritt als Botschafter war Friedman Vorsitzender der Amerikanischen Freunde von Beit El, einer 1977 gegründeten Siedlung nördlich von Jerusalem.
Palästinenser: Siedlungsbau „eindeutig illegal“
Die Palästinenser kritisierten die Entscheidung der USA. Der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Saeb Erekat, teilte mit, nach internationalem Recht seien Siedlungen „eindeutig illegal“. „Israelische Siedlungen stehlen den Palästinensern Land, beschlagnahmen und nutzen palästinensische Ressourcen. Sie trennen und verscheuchen Palästinenser und schränken deren Bewegungsfreiheit ein.“
Auch die Terror-Organisation Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, äußerte sich zu der Entscheidung der USA. Der Schritt zeige, dass sich die USA daran beteiligen, „palästinensische Rechte anzugreifen“, sagte Hamas-Sprecher Hasem Kasem. Aus seiner Stellungnahme geht hervor, dass die Hamas nicht nur die Siedlungen im Westjordanland, sondern ganz Israel als illegal betrachtet: „Die israelischen Siedlungen sind illegal, und die Palästinenser werden weiterhin gegen die israelische Besatzung kämpfen, bis sie zu ihren Heimatstädten und Dörfern zurückgekehrt sind, von denen sie 1948 vertrieben wurden.“
Die scheidende Außenbeauftragte des Staatenverbundes Europäische Union, Federica Mogherini, betonte indes, ihre Haltung nicht zu ändern: „Jegliche Siedlungsaktivität ist dem internationalen Recht nach illegal und höhlt eine lebensfähige Zwei-Staaten-Lösung und die Aussicht auf dauerhaften Frieden aus.“ Die Italienerin rief Israel dazu auf, „alle Siedlungsaktivitäten zu beenden“. Die Zwei-Staaten-Lösung sei der „einzige realistische und tragfähige Weg“, um den „legitimen Forderungen beider Seiten“ nachzukommen.
Pompeo: Einzigartige Situation
Pompeo erklärte in seiner Stellungnahme zu der Entscheidung, dass die USA damit nicht den rechtlichen Status einzelner Siedlungen bewerteten; es gehe um den Siedlungsbau „an sich“. So hätten israelische Gerichte manche Siedlungen als legitim anerkannt, andere nicht. Mit dem Schritt legten die USA zudem nicht den Status des Westjordanlandes fest; dies sei Sache der Israelis und der Palästinenser.
Der amerikanische Außenminister führte weiter aus, die Schlussfolgerung, Siedlungsbau sei an sich nicht illegal, beruhe auf der einzigartigen Situation vor Ort. Faktoren wie die Geschichte des Landes und die Bedingungen, unter denen die Siedlungen entstanden, kämen dabei in Betracht. Die Schlussfolgerung könne nicht ohne weiteres auf andere Gebiete dieser Welt übertragen werden.
Die USA haben seit dem Amtsantritt von US-Präsident Trump im Januar 2017 eine entschieden pro-israelische Außenpolitik betrieben. Den Anfang bildete dabei die Anerkennung Jerusalems als israelischer Hauptstadt im Dezember 2017. Im Mai 2018 folgte die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Im März dieses Jahres erkannten die USA die israelische Annexion der Golanhöhen an.
Pompeo ging in seiner Stellungnahme explizit auf das amerikanische Abstimmungsverhalten im Weltsicherheitsrat im Dezember 2016 ein. Die USA hatten damals darauf verzichtet, ihr Veto gegen die Resolution 2334 einzulegen. Diese verurteilt den Siedlungsbau als „abscheuliche Verletzung unter internationalem Recht“. Für Pompeo haben die USA damit die „angebliche Illegalität der Siedlungen bestätigt“ und ihre bislang über Jahrzehnte gültige ausgewogene Politik bezüglich dieser Thematik verändert.
Streit um Rechtsstatus
Der rechtliche Status der Siedlungen gilt als umstritten. Wer die Ortschaften als „illegal nach internationalem Recht“ einstuft, beruft sich meist auf die Vierte Genfer Konvention von 1949, die den Umgang mit Zivilisten in Kriegszeiten festlegt. Dort heißt es in Artikel 49, eine Besatzungsmacht dürfe die eigene Bevölkerung nicht in das besetzte Gebiet transferieren oder deportieren.
Dem entgegnen andere, dass Israel keine Deportationen durchgeführt hat. Vielmehr sei nach dem Sechs-Tage-Krieg Siedlungsbewegung entstanden; alle Israelis, die heute in diesen Gebieten wohnen, sind freiwillig dorthin gezogen, am Anfang auch gegen den Willen der israelischen Regierung.
Abgesehen davon ist auch strittig, ob Israel eine Besatzungsmacht im eigentlichen Sinne darstellt: Dies setzt nach dem III. Abschnitt des Haager Abkommens voraus, dass das im Sechs-Tage-Krieg eroberte Westjordanland einem anderen Staat gehörte – dies war aber nicht der Fall. Faktisch gilt das Westjordanland als „besetztes Gebiet“, da es nicht unter der Souveränität eines Staates steht.
Von: df