Klaus Kinkel hatte eine engere Beziehung zu Israel als die meisten anderen deutschen Politiker. Seine Tochter Andrea trat zum Judentum über, weil sie sich in einen Israeli verliebt hatte. Als sein Amtsvorgänger als Außenminister, Hans-Dietrich Genscher, die Martin-Buber-Plakette bekam, hielt Kinkel die Laudatio. Dabei sagte er, ihn verbinde vieles mit Israel und dem Judentum – und „nicht zuletzt meine zwei jüdischen Enkelkinder“. Auf diesen Umstand weist die Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“ in einem Nachruf auf den FDP-Politiker hin, der am Montag im Alter von 82 Jahren verstorben ist.
„Als Freund des Landes bekannt“
Die „Zeit“ schrieb im November 1992 über einen Israelbesuch des damaligen Außenministers. Der Artikel beginnt mit Worten, die an aktuelle Ereignisse denken lassen: „Die Juden überall in der Welt sind alarmiert, mit zunehmender Nervosität sehen sie auf Deutschland, nicht zuletzt die Juden in Israel.“ Konkret ging es um „rechtsextremistische Gewalt, dreistes Auftreten neonazistischer Organisationen und Terrorgruppen, bestürzende Unsicherheit der Regierenden“.
Diese angespannte Lage habe Kinkel in Jerusalem selbst zur Sprache gebracht. Seine israelischen Gesprächspartner hätten von sich aus möglicherweise darüber geschwiegen, merkte die Wochenzeitung an: „Er schäme sich dafür, sagte er. Die Gastgeber, voran Kinkels Kollege Schimon Peres und Ministerpräsident Jitzhak Rabin, dankten es ihm mit Zurückhaltung und Milde.“ Und die „Zeit“ ergänzte: „Ohnehin ist dieser deutsche Außenminister, auch wenn er noch kein persönliches internationales Profil aufweist, als Freund des Landes bekannt.“ Die Zeitung kritisierte allerdings auch, dass sich Kinkel in eine „besondere Form der Selbstberuhigung“ geflüchtet habe, indem er beteuerte, „die ausländerfeindlichen Ausschreitungen seien nur zu einem geringen Prozentsatz antisemitisch“.
Im März 2009 sagte Kinkel, damals sportpolitischer Sprecher der FDP im Bundestag, der „Jüdischen Allgemeinen“ in einem Interview, in dem es um Boykottbestrebungen gegen israelische Sportler ging: „Der Ausschluss israelischer Sportler unter fadenscheinigen Gründen ist inakzeptabel. Man darf nicht zulassen, dass der Sport zur Bühne für politische Auseinandersetzungen wird.“ Und er wurde noch deutlicher: „Die internationale Gemeinschaft muss unmissverständlich klarmachen, dass sie solche Verstöße gegen internationales Recht und gegen den Geist des Sports nicht duldet. Da muss es einen Aufschrei geben. Wer israelische Sportler ausschließt, muss selbst mit Sanktionen rechnen.“
Verständnis für israelische Haltung zum Iran-Deal
Dem Deutschlandfunk gab Kinkel ein Interview zum umstrittenen Atomabkommen mit dem Iran, das am 1. April 2009 veröffentlicht wurde. Darin äußerte er Verständnis für die israelischen Befürchtungen: „Israel ist ja total gegen dieses Atomabkommen, aus zum Teil verständlichen Gründen, die aber wahrscheinlich zurückstehen müssen im Gesamtinteresse.“
Auf Rückfrage führte er aus: „Benjamin Netanjahu führt ein Land, das umgeben ist von islamischem Terror, führt ein Land, das natürlich im Iran zwangsläufig einen der Hauptgegner sehen muss, sogar mit der Sorge eines atomaren Angriffs, wenn der Iran dann tatsächlich die Atombombe hat. Und natürlich muss man auf der anderen Seite sehen, dass sich da ja auch in der Welt alles Mögliche abspielt um Israel herum, beispielsweise der Krieg in Syrien, der inzwischen natürlich ein Religionskrieg ist.“ Es gehe um die Zukunft des Islam.
Gleichzeitig kritisierte der Politiker das Verhalten von Premier Netanjahu, der in den USA Stimmung gegen das Abkommen gemacht hatte. „Inhaltlich nachvollziehbar. Der Stil war nicht okay“, kommentierte Kinkel den Schritt.
Von: eh