JERUSALEM (inn) – Ein neuer Polit-Star hat 2018 eine Partei gegründet, um Benjamin Netanjahu zu entthronen: Nachdem sich Ex-Generalstabschef Benny Gantz lange in Schweigen hüllte, hat er Ende Januar seine außen- und innenpolitische Vision skizziert. Seitdem sprechen israelische Medien vom „Gantz-Effekt“. Einer am Montag erschienenen Umfrage zufolge könnte seine Partei Starkes Israel 22 Sitze in der Knesset ergattern, wenn jetzt Wahlen wären. Vorherige Prognosen hatten zwischen 19 und 21 Sitze vorausgesagt.
Damit liegt er allerdings immer noch hinter Benjamin Netanjahus Likud, der mit 30 Sitzen stärkste Fraktion würde. Die Partei von Gantz ersetzt gewissermaßen die Arbeitspartei Avoda. Diese hatte bei den letzten Wahlen noch 24 Sitze erreicht. Nun droht sie in der Versenkung zu verschwinden.
Gantz will sich keinem politischen Spektrum zuordnen. Netanjahu sagte dazu auf Twitter: „Jeder, der angibt, weder links noch recht zu sein, ist links.“ Die Umfragen zeigen, dass die Israelis Gantz die behauptete Neutralität nicht abkaufen: 67 Prozent halten ihn für „links“. Das Rennen zwischen seiner Partei und dem Likud scheint somit ein klassischer Lagerwahlkampf zu sein.
Auf der Suche nach Verbündeten
Beide Parteien sind auf Koalitionspartner angewiesen. Die amerikanische Nachrichtenseite „Jewish Press” bemerkt, dass Gantz‘ Erfolg zulasten anderer linker Parteien geht und er sich somit die Koalitionspartner dezimiert. Netanjahu hat es komfortabler: Er könnte auf die im Dezember gegründete „Neue Rechte“ zählen. Ihr gehören Bildungsminister Naftali Bennett und Justizministerin Ajelet Schaked an. Die Partei käme auf sieben Sitze. Die nationalreligiöse Partei Jüdisches Haus käme auf sechs Sitze. Zusammen mit den ultra-orthodoxen Parteien Vereinigtes Tora-Judentum und Schass könnte Netanjahu eine Koalition mit 52 von 120 Sitzen erhalten.
Gantz muss dagegen zittern: Die Jesch Atid („Es gibt eine Zukunft“) des ehemaligen Finanzministers Jair Lapid käme nur noch auf neun statt wie bei den vergangenen Wahlen auf elf Sitze. Die Arbeitspartei Avoda erhielte statt 18 nur noch fünf Sitze. Damit könnte Gantz einen Mitte-Links-Block aus 36 Sitzen bilden. Er kann aber wohl mit Zustimmung der links-grünen Meretz („Energie”) und den zwei arabischen Parteien rechnen, womit er auch 52 beisammen hätte und unter Duldung der genannten drei eine Minderheitsregierung führen könnte. Sie haben bereits ihre Präferenz für Gantz ausgedrückt. Netanjahu kann ihnen aber größere Stabilität bieten und braucht nur zwei von ihnen für eine Regierung.
Damit werden drei „Springer“ wichtig: Die national-säkulare Israel Beiteinu („Unser Haus Israel”) von Avigdor Lieberman, die in den Umfragen auf fünf Sitze kommt, sowie Kulanu („Wir Alle”) und Gescher („Brücke”) aus der politischen Mitte mit fünf, beziehungsweise vier Sitzen. Beobachter erwarten, dass beide Kandidaten um sie buhlen werden.
Von: tk