Ein Freitagmittag Ende Mai 2018 in Jerusalem. Auf dem Ölberg ist es erstaunlich ruhig, nur wenige Dutzend Touristen genießen den Traumblick über jüdischen Friedhof und Garten Gethsemane hinweg, hinüber auf die prächtige Altstadt mit den Kuppeln von Felsendom, Grabeskirche und Hurva-Synagoge.
Am linken Rand der Besucherterrasse baut sich ein groß gewachsener, gut aussehender Mann um die 60 auf. Strahlende Augen, sehr dunkler Teint, charmantes Lächeln. Mit dem Rücken zur Altstadt spricht er routiniert in eine Handykamera hinein – in seiner Muttersprache Telugu. Rund 75 Millionen Menschen im Süden Indiens sprechen diese Sprache. Ein guter Teil von ihnen kennt diesen Mann vom Sehen: Dr. Singh Komanapalli, Bischof der Nethanja-Kirche, predigt regelmäßig im Fernsehen und erreicht so eine unübersehbar große Zahl von Zuschauern.
Erst gestern, am Tag vor der Aufnahme auf dem Ölberg, hat er das wieder einmal erlebt. Am Strand des Toten Meeres kam ein indisches Ehepaar auf ihn zu, das ihn nur vom Fernsehen kannte. Man verbeugte sich, grüßte voller Respekt und bat den Fernsehprediger um zwei Dinge: Um ein gemeinsames Selfie. Und darum, von ihm gesegnet zu werden.
Singh Komanapalli schmunzelt, wenn er von dieser Begegnung berichtet. Er weiß, dass seine Kanzel groß ist. Aber es verblüfft ihn doch sehr, dass er am tiefsten Punkt der Erde, Tausende von Kilometern entfernt von seiner Heimatstadt Vishakhapatnam, im Gewühl von Reisegruppen und Wellness-Touristen erkannt wird. Und noch mehr freut er sich darüber, dass er nicht als „Promi“ angegafft wird, sondern als geistlicher Vater und Seelsorger den Segen Gottes weitergeben soll. Und das ausgerechnet hier im Heiligen Land.
Zu Israel hat Singh Komanapalli nämlich schon von Kindesbeinen an eine ganz besondere Beziehung. Sein Vater (Politiker, Geschäftsmann und engagierter Christ) betete regelmäßig für den damals noch jungen Staat Israel. In seinen Predigten und Andachten sprach der Vater gerne und oft über die Stammväter des Volkes Israel. So wuchs Singh ganz selbstverständlich mit Persönlichkeiten wie Mose, Abraham, Jakob und Isaak auf. Israel ist für ihn eine zweite Heimat.
Als er zwölf Jahre alt ist – im Jahr 1967 –, berichtet sein Vater besorgt: „Israel muss Krieg gegen seine Nachbarn führen!“ Für die ganze Familie bedeutet das: fasten und beten. „Gemeinsam haben wir uns hingekniet und lange gebetet, mein Vater, meine Mutter, meine Geschwister und ich. Wir hatten große Angst um Israel. Und so beteten wir voller Inbrunst: ‚Gott, lass dein Land diesen Krieg nicht verlieren!‘“
Nach zwei Tagen mit Fasten und Gebet überbringt der Vater freudestrahlend die Nachricht: „Der Krieg ist vorbei. Israel hat gewonnen.“ Jetzt wird fröhlich gefeiert, in der Familie Komanapalli, aber auch in der Gemeinde.
Grundstein für eine tiefe Liebe
Noch einmal 13 Jahre später, als junger Pastor Mitte 20, kann Singh Komanpalli dann selbst seinen Fuß auf „Heiliges Land“ setzen (wie er es empfindet). Zusammen mit einer Gruppe junger Leute aus dem Schwarzwald besucht er Israel. Nach der Landung laufen in der El-Al-Maschine typisch israelische Volkslieder. Der junge Mann aus Indien ist tief bewegt: „Endlich durfte ich in Israel sein, in dem Land der Bibel, in dem Land, in dem Gott so viele Wunder getan und uns Menschen so viel Wertvolles gesagt hat. Ganz tief in mir spürte ich eine große Dankbarkeit und Freude!“
Aus dem jungen Israelfreund von damals ist heute ein gestandener Bischof geworden. Ein Kirchenführer, der auch seiner Gemeinde die Liebe zu Israel mitgeben will. Mit „Shabbat Shalom“ begrüßen sich am Freitagnachmittag die Mitarbeiter und auch die Kinder aus den Heimen und Schulen der Nethanja-Kirche. Jeden Freitagabend betet eine aktive Gruppe der Gemeinde für Jerusalem und Israel. Wenn aus Israel konkrete Informationen und Gebetsanliegen nach Indien gelangen, dann bittet die Gebetsgruppe in Indien zum Beispiel um Regen für das trockene Land. Ihr wichtigstes Anliegen aber ist der Friede in Jerusalem. Und für den wird viel und intensiv gebetet in vielen Gemeinden der Ne- thanja-Kirche. Im Dschungel und in der Millionenstadt, im Slum wie in kleinen Dörfern auf dem Land.
Auch bei seiner aktuellen Reise (seine fünfte nach Israel) hat Bischof Singh seine Gemeinde in Indien im Blick. Eigentlich wollte er drei leitende Mitarbeiter mitbringen und mit ihnen Israel bereisen. Doch ohne Angabe von Gründen hat die israelische Botschaft in Indien nur ihm ein Visum erteilt – seine Mitarbeiter durften nicht einreisen. Nun versucht er, sie und viele weitere Gemeindeglieder auf andere Weise mit einzubeziehen: Er kauft kleine Kreuze aus Olivenholz, Salböl und den in Olivenholz geschnitzten Gruß „Shalom“ als Geschenke ein.
Er legt sich einen farbenfrohen Talar zu, den er zuhause bei besonderen Anlässen tragen wird. „Meine Gemeinde wird sich freuen, dass der Talar aus Jerusalem stammt“, sagt er. Er macht viele Fotos, die er im Gottesdienst, im Kinderheim und in der Bibelschule einsetzen wird. Die besten der Bilder werden im Nethanja-Kalender abgedruckt werden, der in großer Auflage erscheint und den jeder der etwa 120.000 Gottesdienstbesucher in rund 1.000 Gemeinden geschenkt bekommt.
Und deshalb denkt Singh Komanapalli eben auch an sein Fernsehpublikum zuhause und will ihm Israel so nahe wie möglich bringen. Ohne lange nachzudenken, hat er sich sein Handy geschnappt, die Videofunktion eingestellt und sich spontan einen „Kameramann“ gesucht, der ihn und seine Botschaft aufnehmen kann. Nach seiner Rückkehr nach Indien wird dieser Gruß aus Jerusalem dann in eine seiner Fernsehsendungen eingebaut werden.
Was genau er seiner TV-Gemeinde sagen will? Singh Komanapalli muss sich darüber nicht viele Gedanken machen, er kommt ohne Notizen aus. In den acht Tagen, die er nun schon mit einer Gruppe aus Deutschland durch Israel fährt, hat er so vieles erlebt, dass sein Herz übervoll ist.
Er kann es einfach fließen lassen und erzählen: von der intensiven Zeit vor der „Kirche der Seligpreisungen“, wo ihm beim Zuhören die starken Sätze Jesu ganz besonders nahe kamen. Von der schlichten Abendmahlsfeier am See Genezareth (nahe bei der „Brotvermehrungskirche“ in Tabgha), die sein Herz berührte. Von der Tauferinnerung am Jordan, wo ein großer Teil der deutschen Gruppe sich ohne Absprache wie selbstverständlich vom Bischof aus dem fernen Indien segnen ließ.
Gebetszeit im Garten Gethsemane
Besonders bewegt und ermutigt aber habe ihn die Gebetszeit im Garten Gethsemane, berichtet Singh Komanapalli. In dem abgetrennten Teil des Gartens, an dem die Touristenströme vorbeigelotst werden und der Zeit für Ruhe und Einkehr bietet.
„Erst habe ich versucht mir vorzustellen, wie Jesus hier gebetet hat“, erzählt er. „Doch dann habe ich mich einfach unter einen der alten Olivenbäume gesetzt. Ich habe mich selbst vergessen und angefangen, für Menschen zu beten, die mir am Herzen liegen. Ich sah es wie einen Film vor meinem inneren Auge, wie Menschen mir ihre Anliegen anvertrauten und ich für sie betete. Das war eine ganz besondere Erfahrung für mich. Und ich kann mir seitdem ein bisschen besser vorstellen, wie Jesus dort an alle Menschen gedacht und für sie gebetet hat.“
Zurück auf den Ölberg. Die erste Aufnahme ist beendet. Eine gute Minute nur, ein Gruß aus dem Heiligen Land, überbracht von einem Fernsehprofi mit Ausstrahlung und innerer Überzeugung. Singh Komanapalli sieht sich das Video sofort kritisch an, achtet darauf, ob Jerusalem im Hintergrund gut zu erkennen ist, ob jedes seiner Worte verstanden wird. Dann nickt er und bittet seinen „Kameramann“, die Aufnahme zur Sicherheit noch einmal zu wiederholen.
Noch einmal wiederholt er auf Telugu den Shalom-Gruß aus der Heiligen Stadt und verknüpft ihn mit der Zusage Jesu aus Matthäus 28,20: „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt!“ Diese Botschaft aus Israel soll auf jeden Fall in Indien ankommen!
Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe 5/2018 des Israelnetz Magazins. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/915152, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online.
Von: Christoph Zehendner