LISSABON / JERUSALEM / TEL AVIV (inn) – Es gleicht einer Sensation: Trotz Boykottaufrufen der BDS-Bewegung und kritischer Berichterstattung über Israel gewinnt die Sängerin Netta Barzilai für ihr Land den Eurovision Song Contest (ESC) in Lissabon. Dass dieser Sieg nicht selbstverständlich ist, machte die experimentelle Künstlerin direkt in ihren Dankesworten in der Nacht zum Sonntag klar: „Vielen Dank, dass ihr Unterschiedlichkeit gewählt habt! Vielen Dank, dass ihr Unterschiede akzeptiert! Danke, dass ihr Vielfalt feiert!“ Ihr Lied „Toy“ (Spielzeug) landete mit 529 Punkten – und riesigem Abstand – auf der „Pole-Position“. Damit gewinnt der jüdische Staat zum vierten Mal den Wettbewerb. Fast 100 Punkte waren die Differenz zur Zweitplatzierten Eleni Foureira aus Zypern mit „Fuego“ (436 Punkte).
„Das ist ein großer Moment für mich, für uns als Delegation und für unser Land, das sonst nicht viel Grund zur Freude hat.“ Netta Barzilai
Nun feiert ganz Israel und hieß Netta – wie sie sich als Künstlerin nennt – am Montag bei ihrer Rückkehr herzlich willkommen. Sie landete mit einer „El Al“-Maschine am Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv. Die 25-Jährige sagte bei ihrer Ankunft: „Das ist ein großer Moment für mich, für uns als Delegation und für unser Land, das sonst nicht viel Grund zur Freude hat.“ Dutzende Fans und Fotografen begrüßten sie. Als ihr Gewinn bekanntgegeben wurde, hatte die Künstlerin gesagt: „Nächstes Jahr in Jerusalem“, ein traditioneller Wunsch, der am Schluss des jüdischen Sederabends ausgesprochen wird.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu beglückwünschte Netta erst via Twitter: „Netta, Sie sind ein wahrer Schatz. Sie haben dem Staat Israel viel Ehre gebracht. Nächstes Jahr in Jerusalem!“ Anschließend telefonierte er mit der Gewinnerin noch in der Siegesnacht. „Netta, Sie sind wunderbar!“, sagte er ihr. Sie sei „Israels beste Botschafterin“. Er freue sich auf sie: „Wir warten auf Sie, wir lieben Sie!“ „Danke, Bibi, danke!“, antwortete sie und nannte Netanjahu bei seinem Spitznamen.
Auf dem Weg zur montäglichen Kabinettssitzung machte Netanjahu den „Chicken-Move“, eine Bewegung, die Hühner beim Flügelschlagen nachahmt. Diese Bewegung machte Netta in ihrem Musikvideo und beim ESC-Auftritt. In dem Lied ahmt die Sängerin unter anderem Hühnergegacker nach. Der Premier postete das Video auf Twitter und schrieb anstatt „Boker Tov“, was „Guten Morgen“ heißt, „Boker Toy“, in Anspielung auf Nettas Lied.
Gal Gadot: „Stimmt für Netta ab!“
Die international bekannte israelische Schauspielerin Gal Gadot motivierte auf Instagram ihre mehr als 19 Millionen Follower, für Netta anzurufen und SMS zu senden: „Stimmt für Netta ab!“ Sie postete ein Bild der Sängerin, das überschrieben war mit dem Slogan „Yes she can!“ – übersetzt „Ja, sie kann es!“ oder „Ja, sie schafft es!“ Die Worte sind in leicht abgewandelter Form der Motivationsspruch, den der ehemalige US-Präsident Barack Obama in seinem Wahlkampf nutzte: „Yes, we can!“
Exklusiver Einblick in Jerusalemer Wohnzimmer: So feiern Israelis ESC-Sieg:
Gadot gratulierte im Anschluss Netta via Instagram: „Ich freue mich so für dich.“ Weiter schreibt die „Wonder Woman“-Darstellerin: „Du repräsentierst das wahre Wunder in Frauen: so viel Wahrheit, Selbstbewusstsein und Talent. Du stehst für Verschiedenheit und bringst ein frisches, schönes Licht in die Welt.“ Gadot bedankte sich auch bei allen, die für Netta abgestimmt haben.
Konzert auf dem Rabin-Platz
Um ihren Fans „Dankeschön“ zu sagen, tritt die Sängerin am Montagabend auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv auf – dort, wo zwei Tage zuvor die Menschen begeistert Nettas Sieg feierten. Über Facebook kündigte sie ihren Auftritt für 19.30 Uhr israelischer Zeit an.
Nach dem Sieg feierten Menschen in der Nacht von Samstag auf Sonntag und bis in die frühen Morgenstunden in ganz Israel. Aus fahrenden und hupenden Autos ertönte das Siegeslied „Toy“. Auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv schwenkten Menschen israelische Fahnen, sangen und tanzten, sie sprangen sogar in das Wasserbecken auf dem Platz.
Mit diesem Gewinn bewies die ESC-Gemeinde, dass das Politische keine Rolle bei diesem Wettbewerb spielen soll. Das ist jedoch nicht immer so: In der Vergangenheit passierte es mehrmals, dass Interpreten aufgrund von politischen Aktivitäten ihrer Länder starken Gegenwind und Buhrufe erhielten. Der ESC will zudem Vielfalt repräsentieren. Und so ist es auch möglich, dass ein Mann im Abendkleid und Vollbart – Conchita Wurst im Jahr 2014 – den Wettbewerb gewinnt. Dies gefällt nicht jedem – und auch die aktuelle Gewinnerin stößt teils auf Ablehnung.
Klare Botschaft in Nettas Lied
Auch Israel hatte schon besondere Künstler auf der Bühne stehen – und siegte: Genau vor 20 Jahren gewann Dana International mit ihrem Song „Diva“ für den Contest. Die heute 46-Jährige hatte damals für Furore gesorgt, denn die Transsexuelle wurde als Mann namens Scharon Cohen geboren, und ließ sich vor circa 25 Jahren umoperieren. Sie wurde zu einer Art Galionsfigur der israelischen Schwulen- und Lesbenszene. Sie ebnete den Weg für außergewöhnliche Kandidaten. Ultra-orthodoxe Juden und weitere Konservative sprachen sich damals gegen ihre Teilnahme bei dem Musikereignis aus. Sie trat trotz Kritik auf, gewann den Wettbewerb (ehemals Grand Prix) und brachte die Show nach Jerusalem.
Im Song setzt Netta auf eine klare Botschaft: Frauen sind kein Spielzeug und es geht nicht um das Aussehen und Schönheitsideale, sondern um die inneren Werte. In „Toy“ heißt es: „Look at me, I’m a beautiful creature. I don’t care about your modern-time preachers. […] I’m not your toy, you stupid boy.“ Das bedeutet: „Schaut mich an, ich bin ein schönes Geschöpf. Prediger der modernen Zeit sind mir egal. […] Ich bin nicht dein Spielzeug, du dummer Junge.“
Positive Rückmeldung aus der arabischen Welt
Die arabischsprachige Facebookseite des israelischen Außenministeriums postete das „Toy“-Video auf der Plattform. Es gab neben einigen Hass-Nachrichten viele positive Rückmeldungen. Der Leiter des arabischen Zweigs der digitalen Diplomatiesparte des israelischen Außenministeriums, Jonatan Gonen, erklärte laut der Tageszeitung „Ha’aretz“, dass sich viele Frauen etwa aus Marokko lobend zu Wort gemeldet haben, obwohl die Seite wenige weibliche Follower habe.
Europapolitiker rufen zum Boykott auf
Verteidigungsminister Avigdor Lieberman münzte die Botschaft des Liedes für eine politische Erklärung um. Er schrieb, dass der syrische Machthaber Baschar al-Assad lernen soll, „was heute vor sich geht“. Er solle dem Ajatollah Chamenei, dem obersten Führer des Irans sagen, dass er „nicht dessen Spielzeug“ sei. Der Iran habe in Syrien „nichts zu suchen“.
Zwei Europaparlamentarier aus Irland haben nach Nettas Sieg dazu aufgerufen, den ESC 2019 zu boykottieren. Lynn Boylan, Mitglied der linksgerichteten „Sinn Féin“-Partei, schrieb auf Twitter: „Israel gewinnt den ESC. Also lasst uns BDS 2019 erfolgreicher werden als je zuvor.“
Israel wins #Eurovision so let's make #BDS more successful than ever in 2019 ✊
— Lynn Boylan MEP (@LNBDublin) 12. Mai 2018
Von: mab
LISSABON / JERUSALEM / TEL AVIV (inn) – Es gleicht einer Sensation: Trotz Boykottaufrufen der BDS-Bewegung und kritischer Berichterstattung über Israel gewinnt die Sängerin Netta Barzilai für ihr Land den Eurovision Song Contest (ESC) in Lissabon. Dass dieser Sieg nicht selbstverständlich ist, machte die experimentelle Künstlerin direkt in ihren Dankesworten in der Nacht zum Sonntag klar: „Vielen Dank, dass ihr Unterschiedlichkeit gewählt habt! Vielen Dank, dass ihr Unterschiede akzeptiert! Danke, dass ihr Vielfalt feiert!“ Ihr Lied „Toy“ (Spielzeug) landete mit 529 Punkten – und riesigem Abstand – auf der „Pole-Position“. Damit gewinnt der jüdische Staat zum vierten Mal den Wettbewerb. Fast 100 Punkte waren die Differenz zur Zweitplatzierten Eleni Foureira aus Zypern mit „Fuego“ (436 Punkte).
„Das ist ein großer Moment für mich, für uns als Delegation und für unser Land, das sonst nicht viel Grund zur Freude hat.“ Netta
Nun feiert ganz Israel und hieß Netta – wie sie sich als Künstlerin nennt – am Montag bei ihrer Rückkehr herzlich willkommen. Sie landete mit einer „El Al“-Maschine am Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv. Die 25-Jährige sagte bei ihrer Ankunft: „Das ist ein großer Moment für mich, für uns als Delegation und für unser Land, das sonst nicht viel Grund zur Freude hat.“ Dutzende Fans und Fotografen begrüßten sie. Als ihr Gewinn bekanntgegeben wurde, hatte die Künstlerin gesagt: „Nächstes Jahr in Jerusalem“, ein traditioneller Wunsch, der am Schluss des jüdischen Sederabends ausgesprochen wird.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu beglückwünschte Netta erst via Twitter: „Netta, Sie sind ein wahrer Schatz. Sie haben dem Staat Israel viel Ehre gebracht. Nächstes Jahr in Jerusalem!“ Anschließend telefonierte er mit der Gewinnerin noch in der Siegesnacht. „Netta, Sie sind wunderbar!“, sagte er ihr. Sie sei „Israels beste Botschafterin“. Er freue sich auf sie: „Wir warten auf Sie, wir lieben Sie!“ „Danke, Bibi, danke!“, antwortete sie und nannte Netanjahu bei seinem Spitznamen.
נטע, את כפרה אמיתית. הבאת הרבה כבוד למדינת ישראל! לשנה הבאה בירושלים!
Auf dem Weg zur montäglichen Kabinettssitzung machte Netanjahu den „Chicken-Move“, eine Bewegung, die Hühner beim Flügelschlagen nachahmt. Diese Bewegung machte Netta in ihrem Musikvideo und beim ESC-Auftritt. In dem Lied ahmt die Sängerin unter anderem Hühnergegacker nach. Der Premier postete das Video auf Twitter und schrieb anstatt „Boker Tov“, was „Guten Morgen“ heißt, „Boker Toy“, in Anspielung auf Nettas Lied.
בוקר טוי ישראל!
Gal Gadot: „Stimmt für Netta ab!“
Die international bekannte israelische Schauspielerin Gal Gadot motivierte auf Instagram ihre mehr als 19 Millionen Follower, für Netta anzurufen und SMS zu senden: „Stimmt für Netta ab!“ Sie postete ein Bild der Sängerin, das überschrieben war mit dem Slogan „Yes she can!“ – übersetzt „Ja, sie kann es!“ oder „Ja, sie schafft es!“ Die Worte sind in leicht abgewandelter Form der Motivationsspruch, den der ehemalige US-Präsident Barack Obama in seinem Wahlkampf nutzte: „Yes, we can!“
Exklusiver Einblick in Jerusalemer Wohnzimmer: So feiern Israelis ESC-Sieg:
Gadot gratulierte im Anschluss Netta via Instagram: „Ich freue mich so für dich.“ Weiter schreibt die „Wonder Woman“-Darstellerin: „Du repräsentierst das wahre Wunder in Frauen: so viel Wahrheit, Selbstbewusstsein und Talent. Du stehst für Verschiedenheit und bringst ein frisches, schönes Licht in die Welt.“ Gadot bedankte sich auch bei allen, die für Netta abgestimmt haben.
Konzert auf dem Rabin-Platz
Um ihren Fans „Dankeschön“ zu sagen, tritt die Sängerin am Montagabend auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv auf – dort, wo zwei Tage zuvor die Menschen begeistert Nettas Sieg feierten. Über Facebook kündigte sie ihren Auftritt für 19.30 Uhr israelischer Zeit an.
Nach dem Sieg feierten Menschen in der Nacht von Samstag auf Sonntag und bis in die frühen Morgenstunden in ganz Israel. Aus fahrenden und hupenden Autos ertönte das Siegeslied „Toy“. Auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv schwenkten Menschen israelische Fahnen, sangen und tanzten, sie sprangen sogar in das Wasserbecken auf dem Platz.
Mit diesem Gewinn bewies die ESC-Gemeinde, dass das Politische keine Rolle bei diesem Wettbewerb spielen soll. Das ist jedoch nicht immer so: In der Vergangenheit passierte es mehrmals, dass Interpreten aufgrund von politischen Aktivitäten ihrer Länder starken Gegenwind und Buhrufe erhielten. Der ESC will zudem Vielfalt repräsentieren. Und so ist es auch möglich, dass ein Mann im Abendkleid und Vollbart – Conchita Wurst im Jahr 2014 – den Wettbewerb gewinnt. Dies gefällt nicht jedem – und auch die aktuelle Gewinnerin stößt teils auf Ablehnung.
Klare Botschaft in Nettas Lied
Auch Israel hatte schon besondere Künstler auf der Bühne stehen – und siegte: Genau vor 20 Jahren gewann Dana International mit ihrem Song „Diva“ für den Contest. Die heute 46-Jährige hatte damals für Furore gesorgt, denn die Transsexuelle wurde als Mann namens Scharon Cohen geboren, und ließ sich vor circa 25 Jahren umoperieren. Sie wurde zu einer Art Galionsfigur der israelischen Schwulen- und Lesbenszene. Sie ebnete den Weg für außergewöhnliche Kandidaten. Ultra-orthodoxe Juden und weitere Konservative sprachen sich damals gegen ihre Teilnahme bei dem Musikereignis aus. Sie trat trotz Kritik auf, gewann den Wettbewerb (ehemals Grand Prix) und brachte die Show nach Jerusalem.
Im Song setzt Netta auf eine klare Botschaft: Frauen sind kein Spielzeug und es geht nicht um das Aussehen und Schönheitsideale, sondern um die inneren Werte. In „Toy“ heißt es: „Look at me, I’m a beautiful creature. I don’t care about your modern-time preachers. […] I’m not your toy, you stupid boy.“ Das bedeutet: „Schaut mich an, ich bin ein schönes Geschöpf. Prediger der modernen Zeit sind mir egal. […] Ich bin nicht dein Spielzeug, du dummer Junge.“
Positive Rückmeldung aus der arabischen Welt
Die arabischsprachige Facebookseite des israelischen Außenministeriums postete das „Toy“-Video auf der Plattform. Es gab neben einigen Hass-Nachrichten viele positive Rückmeldungen. Der Leiter des arabischen Zweigs der digitalen Diplomatiesparte des israelischen Außenministeriums, Jonatan Gonen, erklärte laut der Tageszeitung „Ha’aretz“, dass sich viele Frauen etwa aus Marokko lobend zu Wort gemeldet haben, obwohl die Seite wenige weibliche Follower habe.
Europapolitiker rufen zum Boykott auf
Verteidigungsminister Avigdor Lieberman münzte die Botschaft des Liedes für eine politische Erklärung um. Er schrieb, dass der syrische Machthaber Baschar al-Assad lernen soll, „was heute vor sich geht“. Er solle dem Ajatollah Chamenei, dem obersten Führer des Irans sagen, dass er „nicht dessen Spielzeug“ sei. Der Iran habe in Syrien „nichts zu suchen“.
Zwei Europaparlamentarier aus Irland haben nach Nettas Sieg dazu aufgerufen, den ESC 2019 zu boykottieren. Lynn Boylan, Mitglied der linksgerichteten „Sinn Féin“-Partei, schrieb auf Twitter: „Israel gewinnt den ESC. Also lasst uns BDS 2019 erfolgreicher werden als je zuvor.“
Israel wins #Eurovision so let's make #BDS more successful than ever in 2019 ✊
— Lynn Boylan MEP (@LNBDublin) 12. Mai 2018
Von: mab