GAZA (inn) – Die Proteste im Gazastreifen sind am Freitagabend außer Kontrolle geraten. Palästinensische Randalierer haben die Anlagen im Warenübergang Kerem Schalom zwischen Israel und dem Gazastreifen eigenhändig zerstört. Fließbänder, Sicherheitskameras und vor allem der Terminal für Benzin, Dieselöl und Kochgas wurden verbrannt und zerschlagen.
Die den Gazastreifen kontrollierende Hamas-Organisation wollte nicht eingreifen, nach eigenen Angaben, „um Blutvergießen zu verhindern“. Am Samstagnachmittag verkündete Israel, den Übergang aus Sicherheitsgründen „bis auf Weiteres“ zu schließen. Nun können keinerlei Waren mehr in den Küstenstreifen mit etwa zwei Millionen Einwohnern transportiert werden, nicht einmal lebensnotwendige Medikamente oder Nahrungsmittel. Damit ist der Gazastreifen offiziell von der Außenwelt abgeschnitten.
Geschichte der mutwilligen Zerstörung
Die mutwillige Zerstörung der Grenzübergänge durch die Hamas hat eine lange Geschichte. Bis zum Ausbruch der sogenannten Zweiten Intifada im Herbst 2000 wechselten täglich Zehntausende Palästinenser aus dem Gazastreifen zur Arbeit nach Israel. Doch wegen Selbstmordattentaten und anderen Terroranschlägen sperrten die Israelis ihre Grenze.
Nahe dem bis heute bestehenden Eres-Übergang für Diplomaten, Journalisten und palästinensische Patienten auf dem Weg zu Krankenhäusern in Israel gab es bis 2004 ein blühendes gemeinsames Industriegebiet. Israelische Investoren und Produzenten hatten dort Werkstätten errichtet, in denen Tausende Palästinenser aus dem Gazastreifen Arbeit fanden. Die palästinensischen Arbeiter fanden dort Beschäftigung und erhielten den im Gazastreifen üblichen Lohn, während die Israelis von den niedrigeren Löhnen profitierten.
Nachdem keine Gastarbeiter mehr nach Israel eingelassen wurden, war der Hamas diese Kooperation mit den Israelis ein Dorn in Auge. Sie beschoss die 183 Betriebe mit Raketen und sorgte für eine Schließung des Industrieparks. 5.000 Palästinenser wurden arbeitslos. Nachdem beobachtet worden war, wie Palästinenserführer Jasser Arafat 2004 mit seinem Privatjet mehrmals in der Woche illegal Waffen nach Gaza transportiert hatte, wurde der Dahanijah-Flughafen durch Israel zerstört.
Ägypten hält seinen Grenzübergang in Rafah an der elf Kilometer langen gemeinsamen Grenze seit 2007 weitestgehend verschlossen. Der Hafen von Gaza ist gesperrt, weil die Israelis keine Möglichkeit sahen, den Waffenschmuggel durch Frachtschiffe zu unterbinden.
Auch auf den Grenzübergang Eres gab es mehrere Anschläge. Einmal warteten dort hunderte Christen in einem Saal, nachdem Israel ihnen eine Sondergenehmigung für die Einreise zu Weihnachten gegeben hatte. Eine Rakete der Hamas durchschlug das Dach, explodierte aber nicht. Dieser Anschlag hätte den wenigen verbliebenen Christen im Gazastreifen das Leben gekostet. Trotz mehrerer weiterer Mordanschläge ist Eres für Menschenverkehr immer noch offen.
Warenterminal Karni
Der riesige Terminal Karni war zunächst der einzige Weg, Waren von und nach Gaza zu transportieren. Treibstoffe und andere Flüssigkeiten wurden durch „Löcher“ in der Betonwand gepumpt, indem Lastwagen auf beiden Seiten vorfuhren. Die Lastwagenfahrer konnten sich nicht sehen, sondern kommunizierten per Telefon. Für den Transport von Weizen gab es Fließbänder und gepanzerte Schleusen für anderen Warenverkehr. Doch die Hamas griff diesen Terminal mit Autobomben, Selbstmordattentätern und Raketen an.
Weil die Israelis nicht mehr die Sicherheit ihrer Mitarbeiter garantieren konnten, wurde Karni 2011 geschlossen. Die Hamas wollte die Schließung von Karni aus wirtschaftlichen Gründen. Damals gab es noch die Schmugglertunnel zwischen dem ägyptischen Sinai und dem Gazastreifen. Die Hamas zog dort Zölle ein, was sie bei den aus Israel importierten Waren nicht tun konnte.
Kerem Schalom
Der letzte Warenterminal zwischen Israel und dem Gazastreifen, in Kerem Schalom, nahe der ägyptischen Grenze ganz im Süden des Gazastreifens, wurde 2010 für 20 Millionen Euro eingerichtet. Als er fertig war, rumpelten täglich bis zu 900 Lastwagen und schwere Sattelschlepper über die engen Landstraßen. Auf Israels Autobahnen konnte man lange bewachte Konvois mit arabischen Kennzeichen aus Jordanien und Katar sehen, währende einige mit türkischen Flaggen geschmückt waren. So gelangten Spenden aus der arabischen Welt in den Gazastreifen. Die Lieferungen gingen sogar während der Militäroperationen, der sogenannten „Gaza-Kriege“ 2009 und 2014, weiter. Israel lieferte Strom, obgleich die Hamas mit Raketen das Rutenberg-Kraftwerk bei Aschkelon beschossen hat und mehrere Masten von Hochspannungsleitungen zerstörte.
Doch nachdem jetzt randalierende Palästinenser aus dem von der Hamas-Organisation kontrollierten Gazastreifen mit Kerem Schalom den letzten verbliebenen Warenübergang eigenhändig zerstört haben, weiß zur Zeit niemand, auf welchem Weg künftig die zwei Millionen Bewohner des Küstenstreifens mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderen lebensnotwendigen Waren versorgt werden können.
Von: Ulrich W. Sahm