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Nahostexpertin als Außenminsterin

Karin Kneissl gilt als eine profunde Kennerin des Nahen Ostens. Nun hat sie als Außenministerin den Höhepunkt ihrer beruflichen Laufbahn erreicht, aber auch mit einer umstrittenen Aussage zum Zionismus für Aufsehen gesorgt. Von Raffael Reithofer
Seit dem 18. Dezember im Amt: Österreichs neue Außenministerin Kneissl

Seit dem 18. Dezember steht in Österreich das Regierungsbündnis der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Die FPÖ ist nach dem Zweiten Weltkrieg als Sammelbecken ehemaliger Nationalsozialisten entstanden, distanziert sich heute aber vom Antisemitismus. Sowohl in Österreich als auch in Israel gibt es unterschiedliche Einschätzungen darüber, inwiefern die Distanzierung glaubwürdig ist.

Im gemeinsamen Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ findet sich ein „Bekenntnis zu Israel als jüdischem Staat mit dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung, die Israel in dauerhaft sicheren Grenzen und einen lebensfähigen palästinensischen Staat ermöglicht“. Außerdem soll die internationale Staatengemeinschaft unterstützt werden, um eine „Friedenslösung im Nahen Osten, mit besonderer Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen Israels“, zu finden.

Nichtsdestotrotz hat Israel verkündet, den Kontakt auf politischer Ebene zu den neuen FPÖ-Ministern vorerst zu boykottieren. Das betrifft auch die offiziell parteilose Außenministerin Karin Kneissl, die am 18. Januar 53 Jahre alt wird. Kneissl gilt als Nahostexpertin, spricht Arabisch – und hat mit einer strittigen Äußerung zum Zionismus die Debatte auf sich gezogen.

Frühes Interesse

Das Interesse für den Nahen Osten ist Karin Kneissl gleichsam in die Wiege gelegt worden. Ihr Vater Gerhard war einst Pilot des jordanischen Königs Hussein, wodurch sie einen Teil ihrer Kindheit in Jordaniens Hauptstadt Amman verbrachte. In Vorbereitung auf ihre Matura (das österreichische Abitur) erwarb sie sich die ersten Grundlagen über den Nahostkonflikt. Noch als Schülerin schrieb sie dem damaligen libanesischen Präsidenten Amin Gemajel einen Brief – er antworte und mit der Zeit entwickelte sich eine persönliche Freundschaft zwischen den beiden.

Karin Kneissl studierte Jura und Arabistik in Wien, mit nur 23 Jahren promovierte sie – an der Hebräischen Universität in Jerusalem und an einer Universität in Amman. 1990 trat sie in den diplomatischen Dienst im österreichischen Außenministerium ein.

Danach arbeitete sie unter anderem als freie Journalistin und Lektorin an diversen Hochschulen und Akademien. Als Publizistin war Kneissl bekannt für ihre klaren Worte und kontroversen Aussagen.

Ein Nebensatz als Stein des Anstoßes

Bei der strittigen Äußerung handelt es sich um einen Nebensatz in Kneissls 2014 veröffentlichtem Buch „Mein Naher Osten“, in dem sie über ihre Erfahrungen im arabischen Raum und in Israel erzählt und das mit politischen Aussagen zum Nahen Osten und seinen Konflikten verbindet. Der Kontext ist die Erinnerung Kneissls an ihre Zeit an der Hebräischen Universität als junge Doktorandin 1988. Vierzig Jahre nach der Staatsgründung Israels war die Archivsperre im Büro des Premierministers aufgehoben worden und die junge Kneissl konnte als eine der ersten die Originalakten aus dem Umfeld David Ben-Gurions studieren, was sich für sie als „eine wahre Fundgrube“ erwies. Neben den Recherchen für ihre Doktorarbeit im Völkerrecht („Der Grenzbegriff der Konfliktparteien im Nahen Osten“) besuchte Kneissl aber auch einige Vorlesungen der Hebräischen Universität, darunter den Kurs von „Mosche Nissim, ein Nationalreligiöser [Israeli, Anmerkung der Redaktion], wie er im Buche steht“.

Ihre Erfahrung im Kurs mit dem bibelfesten Professor beschrieb sie als „Gehirnwäsche“: „Mir gefiel sein interdisziplinärer Zugang, zudem war er von allem, was er dozierte beziehungsweise beinahe predigte, tief überzeugt.“ Hier nun der strittige Satz: „Mehr als einmal fragte ich mich, wie ich reagiert hätte, wenn ich jüdische Vorfahren gehabt hätte. Wäre ich zum Beispiel im Land geblieben, hätte ich gar den Likud, also die Rechte gewählt? Der Unterricht und das gesamte Umfeld waren so ansprechend gestaltet, dass man sich als junger Mensch für diese Blut-und-Boden-Ideologie des Zionismus begeistern konnte.“

Und genau dieses vierteilige Bindestrichmonster „Blut-und-Boden-Ideologie“ hat die Nahostexpertin nun als Politikerin in die Bredouille gebracht. Der Begriff bezeichnet die Auffassung, dass ein Volk („Blut“) mit einem Staatsgebiet („Boden“) eine Einheit bildet. Im Dritten Reich wurde der Begriff zu einem zentralen Schlagwort, auch wenn er keine Erfindung des Nationalsozialismus ist. Auf Nachfrage erklärt Kneissl in der Politiksendung „Report“ des Österreichischen Rundfunks (ORF), dass ihre Beschreibung des Zionismus als „Blut-und-Boden-Ideologie“ keinesfalls im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus zu verstehen sei, sondern im Zusammenhang mit dem deutschen Nationalismus des 19. Jahrhunderts, durch den „Theodor Herzl, mit dem ich mich relativ eingehend in meiner Dissertation beschäftigt habe“, als Gründer der zionistischen Bewegung beeinflusst worden sei.

Durchweg differenzierte Expertin

Karin Kneissls Distanzierung von einem Vergleich des Zionismus mit dem Nationalsozialismus im ORF wirkt glaubwürdig, dennoch bleibt angesichts der Tatsache, dass sie den Zionismus in „Mein Naher Osten“ mit einem im Nationalsozialismus geprägten Begriff abwertet, ein schaler Nachgeschmack. Eine mehr als unglückliche Wortwahl jedenfalls – und dass österreichische, deutsche und israelische Medien in den letzten Wochen darüber berichtet haben, hat Kneissls Ansehen als Außenministerin sicherlich geschadet – noch bevor ihr bisheriger Karrierehöhepunkt als Außenministerin so richtig begonnen hat.

Dennoch wäre es falsch, Karin Kneissl – die sich als profunde Kennerin des Nahen Ostens in Österreich einen Namen gemacht hat – als Israelgegnerin zu bezeichnen. Im Allgemeinen ist sie eine durchweg differenzierte Expertin, die allerdings allein aufgrund ihres Werdegangs der arabischen Seite des Nahostkonflikts mehr abgewinnen kann als der israelischen. Nichtsdestotrotz hat die nunmehrige Politikerin „einen offenen Draht zu Israel und ist nicht dogmatisch“, wie es ein namentlich nicht genannter israelischer Beamter in der israelischen Tageszeitung „Yediot Aharonot“ ausdrückt.

Man darf also hoffen, dass eine österreichische Außenministerin, die den Nahen Osten durch und durch kennt, fließend Arabisch spricht und über Hebräischkenntnisse verfügt, bei aller berechtigten Kritik an ihren früheren Aussagen einen konstruktiven Beitrag zur europäischen Nahostpolitik leisten wird.

Von: Raffael Reithofer

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