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Viel Lärm um nichts?

Es war ein höchst ungewöhnlicher Anblick: Die gelben Fatah-Flaggen und Bilder von Mahmud Abbas säumten die Straßen, als eine Delegation hochrangiger Fatah-Politiker im Oktober zum ersten Mal seit Jahren wieder in den Gazastreifen kam. Der Besuch ist Teil der Versöhnungsbemühungen zwischen den Lagern. Zuletzt sind derartige Initiativen reihenweise gescheitert. Kommt es dieses Mal ganz anders?
Nach der Aussöhnung zwischen Fatah und Hamas sind verschiedene Szenarien denkbar

Die Initiative der aktuellen Aussöhnungsbemühungen ging von der Hamas aus. Im Hintergrund agierte Ägypten als Strippenzieher. Die Delegationen von Hamas und Fatah trafen sich am 9. Oktober zu Gesprächen in Kairo; bereits drei Tage später verkündeten sie ein befristetes Abkommen. Die Hamas verpflichtete sich, die Regierungsverantwortung über den Gazastreifen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) zu übergeben. Des Weiteren einigten sich die Parteien, eine Einheitsregierung zu etablieren und Wahlen durchzuführen.

Neue Kompromissbereitschaft

Die Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen regiert, war in jüngster Zeit von mehreren Seiten unter Druck geraten. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung wächst; das Regierungsexperiment der Islamisten ist gescheitert. Elektrizität für wenige Stunden am Tag, überforderte Abwassersysteme, Wohnungsnotstand, hohe Arbeitslosigkeit und ökologische Probleme sind nur einige Aspekte, die die Bewohner Gazas plagen. Anstatt Abhilfe zu schaffen, steckt die Hamas die knappen Mittel in den Bau von Raketen und Tunneln für einen sinnlosen Kampf gegen Israel. Außerdem hat Abbas in den vergangenen Monaten die Daumenschrauben angezogen: Er reduzierte die Löhne an die PA-Beschäftigten im Gazastreifen und die Zahlungen für die Energieversorgung.

Auch auf der internationalen Ebene ist die Position der Hamas prekär geworden. Das ägyptische Regime betrachtete die Hamas als Sicherheitsbedrohung und ging vehement gegen die Schmuggeltunnel in den Gazastreifen vor. Jüngst führte die Isolation Katars zum Verlust eines wichtigen Geldgebers der Hamas.

Offene Fragen

Wie stehen die Erfolgsaussichten? Einerseits bestand die Aussöhnung mit der Übernahme der Grenzübergänge nach Ägypten und Israel durch die PA ab dem 1. November den ersten Praxistest. Andererseits stimmen einige Faktoren skeptisch. Über zentrale Streitpunkte sind sich die Parteien noch uneinig.

Es stellt sich die Frage, was mit den über 40.000 Angestellten im öffentlichen Dienst geschieht, die die Hamas mit loyalen Anhängern besetzte. Die Islamisten beharren darauf, dass die PA sie übernimmt. Wenn Ramallah aber lediglich auf Ministerebene die Macht übernimmt, wird die PA allenfalls deklaratorisch die Kontrolle haben. Am problematischsten ist der Status der 25.000 Mann starken Hamas-Miliz – der Al-Kassam-Brigaden. Die Hamas strebt eine ähnliche Stellung wie die Hisbollah im Libanon an – als Staat im Staate gestützt auf eine Miliz außerhalb der Regierungsgewalt. Für die PA ist dies inakzeptabel.

Wie reagiert Jerusalem?

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte, dass Israel das Versöhnungsabkommen nicht anerkennen oder akzeptieren würde, aber dessen Umsetzung nicht verhindern und die Beziehungen zur PA nicht abbrechen werde. Als skeptisches Abwarten lässt sich Jerusalems Haltung derzeit zusammenfassen.

Letztlich sind drei Szenarien denkbar: (1) Die bereits vereinbarten Punkte werden umgesetzt und die ungeregelten Aspekte bleiben offen; beide Parteien wollen aber an der Zusammenarbeit festhalten. Aufgrund der schlagkräftigen Al-Kassam-Brigaden könnte die Hamas in Gaza weiterhin ungehindert schalten und walten. (2) Die ungeklärten Punkte führen zum Zusammenbruch des Abkommens. (3) Die Parteien kommen zu einer vollständigen Einigung. Mit Blick auf die Geschichte bildet dies allerdings das unwahrscheinlichste Szenario.

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe 6/2017 des Israelnetz Magazins. Sie können die Zeitschrift kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/915152, via E-Mail an info@israelnetz.com oder online.

Von: Marcel Serr

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