„Israel kommt zurück nach Afrika, Afrika kommt zurück nach Israel.“ Unter diesem Motto hat Israels Premierminister Benjamin Netanjahu 2016 eine diplomatische Initiative gestartet. Die Stärkung der Beziehungen zwischen dem jüdischen Staat und den afrikanischen Ländern südlich der Sahara hatte er zu einer Priorität der Außenpolitik erklärt. Seinen Worten ließ der Regierungschef und Außenminister Taten folgen: Anfang Juli 2016 reiste er nach Uganda, Kenia, Ruanda und Äthiopien. Damit war er nach fast 30 Jahren der erste israelische Premier in der Subsahara. Im September traf sich Netanjahu am Rande der UNO-Vollversammlung in New York mit 15 afrikanischen Führern. Unter ihnen waren auch Staatschefs von mehrheitlich muslimischen Ländern.
Im Dezember 2016 kamen Minister und Vertreter aus mehr als zwölf afrikanischen Ländern für eine Landwirtschaftskonferenz nach Jerusalem. Netanjahus Bemühungen trugen weitere Früchte: Als erster nichtafrikanischer Regierungschef erhielt er eine Einladung zum Treffen der „Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft“ ECOWAS in die liberianische Hauptstadt Monrovia. Medien in Israel und Afrika berichteten vom „Anbruch einer neuen Ära der Beziehungen“. Marokkos König Mohammed VI., der der Staatengemeinschaft beitreten möchte, sagte daraufhin prompt seine Teilnahme an dem Gipfel ab. Versöhnlicher gab sich der Präsident von Mali, Boubacar Keita. Er traf sich während der Konferenz mit Netanjahu, obwohl sein Land keine Beziehungen mit Israel hat.
Araber warnen vor „Infiltration“
Solche Entwicklungen lassen die Palästinenser nervös werden. Bei allen Annäherungen an Israel dürfe Afrika die Palästinenser nicht vergessen, mahnte der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, Anfang dieses Jahres auf dem 28. Gipfel der Afrikanischen Union im äthiopischen Addis Abeba. Das palästinensische Volk benötige weiterhin Hilfe aus Afrika gegen die „abscheuliche israelische Besatzung“, erklärte Abbas. Angesichts der diplomatischen Erfolge Israels sah sich die Arabische Liga im Juni gezwungen, das Thema aufzugreifen. Bei einem Treffen in Kairo warnte der palästinensische Vertreter, Dschamal al-Schubaki, vor den „Gefahren der wachsenden israelischen Infiltration in Afrika“. Israel habe mittlerweile Beziehungen zu etwa 45 von 55 afrikanischen Staaten. Es könnte diese Länder beeinflussen, bei den Vereinten Nationen gegen Resolutionen zu stimmen, die die palästinensische Sache unterstützten, sagte Al-Schubaki.
Abstimmgewohnheiten ändern
Derweil macht Netanjahu keinen Hehl daraus, dass genau dies eines der erklärten Ziele von Israels Afrika-Politik ist: die Stimmgewohnheiten afrikanischer Staaten bei den Vereinten Nationen zu verändern. Denn obwohl Israel wieder diplomatische Beziehungen mit vielen afrikanischen Staaten hat, stimmt die Mehrheit dieser Länder regelmäßig bei der UNO gegen den jüdischen Staat.
Doch Israel hat auch weitere Interessen in Afrika: Jerusalem weiß, dass es sich nicht allein auf Partner wie die USA und Europa verlassen kann. Die Regierung setzt daher auf neue Verbündete in Asien und Afrika.
Christentum lässt Israel hoffen
Der israelische Autor Gabi Rosenberg weist in einem Artikel für die Tageszeitung „Jerusalem Post“ darauf hin, dass sich das Christentum in Afrika schneller ausbreitet als in allen anderen Teilen der Welt. Es werde 2025 der Kontinent mit der größten christlichen Bevölkerung sein, schreibt Rosenberg und betont: „Auch wenn es in der Geschichte große Spannungen zwischen dem Christentum und dem Judentum gab, so waren die stärksten Unterstützer Israels in den vergangenen Jahrzehnten unter Christen zu finden.“ Europa gelte zwar als Kontinent mit einer christlichen Mehrheit, doch die meisten europäischen Christen seien säkular – in Afrika sei das Gegenteil der Fall.
Ferner sieht Israel Afrika als wichtigen Absatzmarkt und möchte den Handel ausbauen. Es kann dringend benötigte Technologien liefern wie Entsalzungsanlagen gegen Wassermangel, Lösungen zur Steigerung der Ernteerträge, Wissen und Mittel im Kampf gegen den radikalen Islam. Allein eine Milliarde Dollar für erneuerbare Energien hat Netanjahu Westafrika auf dem ECOWAS-Gipfel zugesagt.
Was eine Beziehung mit Israel bringen kann, konnten viele afrikanische Staaten bereits in den 60er Jahren erfahren. Israels damalige Außenministerin Golda Meir rief nach ihrer Afrika-Reise 1958 ein systematisches Entwicklungshilfeprogramm für die neu gegründeten Staaten ins Leben. In ihrer Autobiographie schrieb sie dazu: „Wie sie hatten wir die fremde Herrschaft abgeschüttelt; wie sie mussten wir für uns selbst lernen, wie man das Land zurückerobert, wie man die Erträge der Ernten vermehrt, wie man bewässert, wie man Geflügel züchtet, wie man zusammen wohnt und wie wir uns verteidigen können.“ Israel könnte ein Vorbild sein, weil es „gezwungen war, Lösungen für die Art von Problemen zu finden, die große, wohlhabende, mächtige Staaten niemals erlebt hatten“, schrieb Meir.
Und so begannen die Beziehungen zu blühen. Hunderte Israelis kamen als Entwicklungs- und Militärhelfer nach Afrika. Umgekehrt besuchten Tausende Afrikaner Aus- und Weiterbildungskurse in Israel. Das Magazin „Der Spiegel“ zitierte den ehemaligen muslimischen Präsidenten Malis, Modibo Keita, in einem Artikel vom August 1969 mit den Worten: Israel sei „ein Pilgerzentrum für afrikanische Völker geworden, die Inspirationen für den eigenen Aufbau suchen“. Anfang der 70er Jahre hatte Israel volle diplomatische Beziehungen zu 33 afrikanischen Staaten.
Der große Bruch
Doch nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 und dem Jom-Kippur-Krieg 1973 kam es zum Bruch: Arabische Staaten hatten die schwarzafrikanischen Länder massiv unter Druck gesetzt. Die meisten brachen ihre diplomatischen Beziehungen zu Israel ab. Zu Beginn der 80er Jahre gab es dann erste Kursänderungen. Ende der 90er Jahre hatten bereits 39 der afrikanischen Staaten der Subsahara diplomatische Beziehungen mit Israel. Die Araber hatten den Bruch gefordert und vor allem Libyen und Saudi-Arabien warben mit finanzieller Unterstützung und preiswertem Öl für ihre Anti-Israel-Politik. Doch auf die Dauer boten sie Afrika keinen Ersatz für die Wirtschafts- und nicht immer unumstrittenen Militärhilfen aus Israel. Vor allem können sie im Gegensatz zum jüdischen Staat nichts zur Lösung der drängenden Probleme wie Wasser- und Nahrungsmangel oder Terrorismus bieten.
Die Entwicklungen der vergangenen Jahre zeigen: Viele afrikanische Länder wollen wieder stärker mit Israel kooperieren. Zuletzt hatte Guinea nach 50 Jahren mit Amara Camara wieder einen Diplomaten für die Beziehungen mit Israel ernannt. Das mehrheitlich muslimische Land hatte die Verbindung nach dem Sechs-Tage-Krieg abgebrochen. „Ich habe die Geschichte Ihres Volkes verfolgt. Sie können ein Licht für die Nationen sein“, sagte Camara bei seinem Antrittsbesuch bei Israels Staatspräsident Reuven Rivlin im August.
Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die afrikanischen Staaten tatsächlich den Mut haben, sich auch auf internationaler Bühne auf die Seite Israels zu stellen, und unabhängig von den Forderungen der nordafrikanischen Länder zu handeln. Dann könnten die Beziehungen wieder blühen und die Erfolge der 60er Jahre übertreffen.
Von: Dana Nowak