Archäologen der Universität in Tel Aviv haben herausgefunden, was die einfachen Menschen in Jerusalem vor etwa 2.000 Jahren gegessen haben: viele Schafe und Ziegen, weniger Hühner und Rindfleisch, keine Schweine.
Analysiert wurden über 5.000 Tierknochen einer alten Deponie im Bereich des Nationalparks der Davidstadt, des ältesten Teils Jerusalems. Tiere wie Tauben und Schweine wurden demnach nicht gegessen. Diese sind nicht koscher, entsprechend der schon damals geltenden biblischen Vorschriften.
Die Forschung führte die Doktorandin Abra Sapiciarich aus, unter der Leitung von Juval Gadot und Lidar Sapir-Hen. „Wir verbrachten drei Jahre damit, weggeworfene Tierknochen aus der alten Deponie zu sammeln“, erklärte Sapir-Hen. „Das waren die Reste der Mahlzeiten einfacher Jerusalemer. So konnten wir mehr über deren Lebensweise erfahren. Jene, die ihre Abfälle in die Deponie geworfen haben, gehörten nicht zur wohlhabenden Elite der Stadt. Münzen und Architektur lehren uns wenig über das tägliche Leben der Menschen in der alten Zeit. Knochen dienen jedoch als seltenes soziales und kulturelles Fenster in die Zeit.“
Zartes Fleisch für die Elite
Weiter haben die Forscher herausgefunden, dass die „armen Leute“ damals überwiegend ältere Tiere verspeisten. Anhand der Knochen konnten sie erkennen, dass zartes, qualitativ hochwertiges Fleisch oder erstklassige Schnitte eher der reichen Elite vorbehalten blieben. Entsprechende Knochenreste wurde in Deponien näher am Tempel gefunden, wo die „Vornehmen“ wohnten. Dort wurden auch Taubenknochen gefunden, die offenbar für die Opfer im Tempel verwendet wurden.
Sapir-Hen betonte, dass Müll viel über die Menschen aussage. So erfährt man dabei etwas über soziale Offenheit oder über den Handel. Ebenso lässt sich festmachen, wie Ideologien, Philosophien und Dogmen unsere Ernährungsgewohnheiten gestalten (Vegetarismus, Veganismus, koscher essen) und sogar, ob wir eine verschwenderische Gesellschaft sind.
Weinkelche aus Sandstein beim letzten Abendmahl
Im vornehmsten Teil der Davidstadt wurden schon vor über 20 Jahren die Essensgewohnheiten erforscht. In der Villa des Achiel, die am 9. des jüdischen Monats Av im Jahr 586 vor Christus zusammen mit dem Tempel des Salomo zerstört wurde, hatten die Archäologen eine steinerne Toilette in einem separaten kleinen Kämmerlein entdeckt. Das Erdreich unter dem gewissen Örtchen wurde zur Untersuchung in ein Labor in den USA geschickt. Heraus kam, dass der biblische Achiel Kleinvieh aus seinem Hinterhof genossen hat. Ebenso entdeckten die Amerikaner Spuren von 32 Kräutern, die bis heute in der Gegend wild am Straßenrand wachsen, darunter Ysop, Thymian, Rosmarin und Salbei. Mit den Kräutern, Zwiebeln, Knoblauch und Olivenöl wurde das Fleisch erst mariniert und dann gegrillt oder sogar roh gegessen.
Derartige Forschungen haben in Jerusalem eine besondere Bedeutung. Denn so kann rekonstruiert werden, was zum Beispiel bei der berühmtesten Mahlzeit aller Zeiten aufgetischt worden ist: dem letzten Abendmahl Jesu. Im Neuen Testament sind bekanntlich weder das Menü noch die Rezepte erhalten geblieben. Aus anderen Grabungen ist bekannt, dass Jesus den Wein nicht über einem silbernen oder goldenen mit Edelsteinen geschmückten Kelch gesegnet hat. Damals, vor 2.000 Jahren, verwendete man aus Sandstein grob gehauene wenig ansehnliche Trinkgefäße mit zwei Henkeln, weil für Wein allein Stein als koscher galt.
Der Speisezettel im Hause Luther
Abfallgruben und die Hinterlassenschaften aus Toiletten begeistern nicht nur in Jerusalem die Archäologen. Bei Tiefbaumaßnahmen im Harzstädtchen Mansfeld wurde in der Lutherstraße 24-26 das Anwesen von Margarethe und Hans Luder (später Luther) entdeckt, den Eltern des Reformators. Neben Mauerzügen stieß das Landesamt auch auf eine unscheinbare Grube, in der die Ausgräber 260 Silbermünzen, Keramik und viel organischen Abfall fanden. Martin Luther verbrachte in dem Haus seine Kindheit. Dank der Funde konnten nicht nur das Essgeschirr und die Küchengeräte rekonstruiert werden, sondern auch überraschende Zubereitungsarten und letztlich der Speisezettel der Luthers. Irdene Kugeltöpfe waren seit dem Mittelalter üblich, doch auf der Innenseite glasierte Gefäße zeugten von Offenheit für Innovationen im Hause Luther.
Die Familie Luther ließ es sich gut gehen mit importierten Früchten, selbst angebautem Weizen, ganzen Gänsen, Hasen, Birkhuhn, frischem Barsch und gefüllten Eiern. „Ich fresse wie ein Böhme und saufe wie ein Deutscher. Dafür sei Gott gedankt“, wird da Luther zitiert. Sämtliche Rezepte erschienen 2008 im Band „Zu Tisch bei Martin Luther“ im Stuttgarter Konrad Theiss Verlag.
Von: Ulrich W. Sahm