BERLIN (inn) – Der Autor und Journalist Meir Shalev hat am Donnerstag die deutsche Hauptstadt besucht, um sein neues Buch „Mein Wildgarten“ vorzustellen. Er publiziert unter anderem in der Tageszeitung „Yediot Aharonot“. In seinem aktuellen, teils autobiografischen Buch beschreibt er die Arbeit in seinem Garten. Shalev lebte lange in Jerusalem, zog nun aber aufs Land und widmet sich hobbymäßig dem Gärtnern.
Über diesen neuen Lebensinhalt will der Schriftsteller lieber sprechen als über seine Regierung und den Nahostkonflikt, wie er erklärte: „Überall, wo ich in Europa hingehe, werde ich zu Politik befragt.“ Einem Kanadier würde das so nicht passieren, ist er überzeugt. „Das ist nur, weil ich Israeli bin. Ich möchte aber über meine Literatur sprechen.“
Und dennoch: Manchmal, wenn er in seinem Garten arbeite, denke er über die Zweistaatenlösung nach, erklärte er mit einem Augenzwinkern. Er bezeichnete sich als wenig politisch aktiv. Und das, obwohl er bereits Treffen mit dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und Außenminister Sigmar Gabriel hatte. Zu letzterem erklärte er in Anspielung auf die jüngsten diplomatischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Israel: „Er hat mich zum Essen eingeladen, nachdem Netanjahu ihn nicht mehr treffen wollte, es gab also einen freien Platz am Tisch.“
Das Gärtnern und die Religion
Beim Schreiben inspiriere ihn die Bibel. Aus ihr habe er gelernt, dass der Geist eines Künstlers immer frei sei. Denn sogar die Autoren der Heiligen Schrift hätten den Repressionen der damaligen Zeit widerstanden und ihre Gedanken aufgeschrieben, auch wenn sie nicht systemkonform gewesen seien. Außerdem schätze er, dass die Verfasser der Bibel nicht zu tief in die Psychologie ihrer Charaktere einstiegen. „Das ist ein Phänomen moderner Schriftsteller“, sagte er. Früher hätten die Autoren das Verhalten der Personen in ihren Geschichten nicht im Einzelnen erklärt. Sie hätten es dargestellt und der Leser habe es sich selbst erschließen müssen.
„Man findet überall die religiösen Fanatiker. Auch beim Gärtnern“, ist sich Shalev sicher. Wenn es etwa ums Unkrautrupfen gehe oder ums Kompostieren, gebe es immer jemanden, der einem mit absoluter Gewissheit erkläre, was der beste Weg sei, diesen Teil der Gartenarbeit anzugehen. „Diese Debatten sind wie die zwischen zwei Juden unterschiedlicher Richtungen.“ Beide beteten, aber nicht so wie der andere.
Der Kreislauf von Leben und Tod, der sich jedes Jahr im Garten zeige, erinnere ihn an die griechischen Mythen, aber auch an Jesus. Tod und Auferstehung – das sei in der Natur normal. Das Gärtnern habe ihn geduldig gemacht: Wenn er etwa den Samen einer Mehlzwiebel pflanze, müsse er acht Jahre warten, bis sich die erste Blume zeige. Beim Schreiben sei es ähnlich. Charaktere in seinen Arbeiten entwickelten sich sehr langsam, oft wesentlich langsamer als die Geschichte selbst: „Schicht für Schicht.“
Von: al