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Britischer Politiker Livingstone für ein Jahr aus Labour ausgeschlossen

Ein Jahr nach seiner antisemitischen Äußerung suspendiert die Labour-Partei den britischen Politiker Livingstone vorübergehend. Die Maßnahme geht jüdischen Vertretern nicht weit genug.
Ist sich keiner Schuld bewusst: Ken Livingstone (Archivbild)

LONDON (inn) – Die britische Labour-Partei hat den ehemaligen Londoner Bürgermeister Ken Livingstone am Dienstag für ein weiteres Jahr suspendiert. Anlass für die Maßnahme waren Bemerkungen, in denen der Politiker vor einem Jahr eine Zusammenarbeit von Adolf Hitler und Zionisten unterstellt hatte. Bereits damals war er vorübergehend seiner Ämter enthoben worden – bis der zuständige Ausschuss eine Entscheidung fällt.

Am 27. April 2016 entzog die Labour-Partei ihrer Abgeordneten Naz Shah die Mitgliedschaft. Zuvor waren frühere Äußerungen von ihr bekannt geworden – auf Facebook hatte sie einst gefordert, Juden sollten in die USA „umgesiedelt“ werden. Livingstone stellte sich hinter seine ehemalige Parteigenossin. Ihre Einschätzung sei nicht antisemitisch, sagte er am folgenden Tag. „Es gab eine gut organisierte Kampagne durch die Israel-Lobby, jeden, der israelische Politik kritisiert, als antisemitisch anzuschmieren.“ Er ergänzte: „Erinnern wir uns, als Hitler 1932 seine Wahl gewann, war es seine Politik, dass Juden nach Israel gebracht werden sollten. Er unterstützte Zionismus – das war, bevor er verrückt wurde und letztlich sechs Millionen Juden tötete.“

Daraufhin forderten 39 Labour-Abgeordnete seinen Ausschluss aus der Partei. Auch der jetzige Londoner Bürgermeister, Sadiq Khan, schloss sich der Kritik an. Der israelische Botschafter Mark Regev sagte: „Ich bin nicht sicher, was schlimmer ist, absichtlich Hitlers Ziele zu verzerren oder seine jüdischen Opfer zu beschuldigen, seine Partner gewesen zu sein.“ Labour-Chef Jeremy Corbyn indes bestand darauf, dass seine Partei keine Probleme mit Antisemitismus habe.

Der damalige Londoner Bürgermeister und jetzige Außenminister Boris Johnson merkte an: „Was mir Sorge bereitet, ist, dass das offensichtliche Schwanken von Jeremy Corbyn die Befürchtungen der jüdischen Gemeinde stärkt, ob er wirklich verpflichtet ist, Antisemitismus entgegenzutreten.“ Der Konservative fügte an: „Sie haben einige sehr heftige Ansichten über Israel. Wenn man sich manche Dinge anhört, die über Israel und über das, was Israel passieren sollte, gesagt werden, geht das aus meiner Sicht in Antisemitismus über.“

Livingstone sieht keinen Anlass für Entschuldigung

Trotz der Kritik auch aus den eigenen Reihen hat sich Labour nun dagegen entschieden, Livingstone völlig auszuschließen. Der zuständige Ausschuss begründete dies mit den Verdiensten um die Partei während fast 50 Jahren Mitgliedschaft. Er suspendierte ihn für insgesamt zwei Jahre, von denen eines schon fast verstrichen ist. Die Maßnahme endet am 27. April 2018.

Livingstone zeigte keinerlei Verständnis für das Verfahren gegen ihn: „Wenn ich gesagt hätte, dass Hitler ein Zionist war, täte es mir leid. Man kann sich nicht dafür entschuldigen, die Wahrheit gesagt zu haben. Ich entschuldige mich für das Ärgernis, das durch jene Labour-Abgeordnete verursacht wurde, die gelogen haben.“ Das Disziplinarverfahren habe sich angefühlt, „als wäre man in Nordkorea“. Er sprach von „doppelten Standards“ – Politiker, die ihn als Nazi-Verteidiger anklagten, seien nicht suspendiert worden.

Die Entscheidung, ihn nicht völlig auszuschließen, stieß auf Kritik. Der Präsident des Abgeordnetenausschusses der britischen Juden, Jonathan Arkush, sagte, die Beziehungen zwischen Labour und der jüdischen Gemeinde „haben ein neues Allzeittief erreicht“. „Ein Jahr ist seit Ken Livingstones abscheulichen Bemerkungen über Hitler und Zionismus vergangen. Nach zwölf Monaten Unschlüssigkeit hat die Labour-Partei, obwohl sie ihn in allen drei Anklagepunkten für schuldig befand, entschieden, ihn für nur ein Jahr von seinem Amt zu suspendieren – trotz seiner schamlosen, schändlichen und tendenziösen Versuche, Zionismus auf eine Ebene mit Nazismus zu stellen“, zitiert ihn die britsche Tageszeitung „The Guardian“.

Der britische Oberrabbiner Ephraim Mirvis schloss sich dem an: „Leider hat es die Partei erneut versäumt, zu zeigen, dass sie ausreichend ernsthaft die Geißel des Antisemitismus anpacken möchte.“ Auch Labour-Abgeordnete äußerten ihren Unmut über das Ende des Verfahrens. Die einstige Kandidatin für den Parteivorsitz, Yvette Cooper, forderte, die Entscheidung müsse überdacht werden. „Es reicht nicht aus, die Worte ‚Null Toleranz gegenüber Antisemitismus‘ auszusprechen – Labour muss sie in die Praxis umsetzen.“ Sie sprach von einer „beschämenden Entscheidung“.

Studie: Livingstone will „Juden dämonisieren“

Eine aktuelle Studie der Jüdischen Labour-Bewegung wirft Livingstone vor, er mache „verunglimpfende, ungenaue und aus dem Kontext gerissene Bemerkungen“ über Juden und über die Entstehung des Staates Israel und Zionismus. Die „Schaffung einer losen historischen Verbindung zwischen Israel und Nazismus“ solle die Wirklichkeit trüben und „Juden dämonisieren“.

In der vergangenen Woche sagte Livingstone vor Journalisten, die Nazis hätten den zionistischen Kämpfern Waffen verkauft und Trainingslager eingerichtet, um Juden zu helfen, sich an das Leben in einem anderen Land anzupassen. „Also hatte man bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges eine echte Zusammenarbeit.“ Damit bezog er sich auf das Ha’avara-Abkommen vom August 1933. Dieses hatte die Umsiedelung einiger Juden nach Palästina erleichtert, bevor das Dritte Reich die Kampagne der Massenvernichtung begann.

Bereits im Jahr 2005 hatte der Politiker den Likud, dessen Vorsitz der damalige israelische Premier Ariel Scharon hatte, mit der radikal-islamischen Terrorgruppe Hamas gleichgesetzt. Der britische Außenminister Jack Straw verurteilte die Äußerung seinerzeit scharf.

Von: eh

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