„Wenn ich Präsident werde, sind die Tage der Behandlung Israels als Bürger zweiter Klasse vorüber – von Tag eins an!“ Als Präsidentschaftskandidat schillerte Donald Trump mit klaren Positionen wie diesen zu Israel. Gerade vor Organisationen wie dem „Amerikanisch-Israelischen Ausschuss für öffentliche Angelegenheiten“ (AIPAC) konnte er sich so als politischer Messias präsentieren, der der Nahostpolitik seines Amtsvorgängers Barack Obama den Garaus macht.
Ob Botschaftsumzug nach Jerusalem oder Ende des Iran-Deals – Trump ließ kein heißes Eisen aus. Was er davon wirklich umsetzen kann, wird freilich erst seine Amtszeit zeigen. Zumal seine Kabinettsmitglieder bei den Senatsanhörungen in manchen Positionen bereits eine andere Meinung vertraten als er. Der damals designierte Außenminister Rex Tillerson sagte etwa, er wolle den Iran-Deal zwar überprüfen, er lehne ihn aber nicht von vornherein ab.
Botschaftsumzug anvisiert
Nicht völlig unrealistisch ist die angekündigte Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Die treibende Kraft hinter diesem Projekt scheint Trumps Tochter Ivanka zu sein. Diese sagte bereits Ende Oktober 2015 vor Zuhörern in einer Synagoge in Florida, ihr Vater würde die Botschaft „zu 100 Prozent“ verlegen. Trump zog in dieser Hinsicht erst nach. Denn im Dezember sah er noch davon ab, Jerusalem die ungeteilte Hauptstadt Israels zu nennen. Aber schon im Januar 2016 sprach er von Jerusalem als der „ewigen Hauptstadt“ Israels; „zu 100 Prozent“ würde er die Botschaft dorthin verlegen.
Der symbolträchtige Schritt wäre vergleichsweise einfach umzusetzen. Denn die Verlegung fordert ein bereits 1995 verabschiedetes US-Gesetz, das zudem Jerusalem als ungeteilte Hauptstadt Israels vorsieht. Das Gesetz wurde jedoch nie angewendet, da sämtliche Präsidenten bislang sicherheitspolitische Bedenken hatten. Die Palästinenser erheben Anspruch auf Ostjerusalem als Hauptstadt; eine Verlegung der Botschaft würde Verhandlungen erschweren, lautet das Kalkül.
Iran-Deal hat Vorrang
Allerdings räumen weder Trump noch die israelische Regierung der Botschaftsverlegung Priorität ein. „Das ist zwar sehr wichtig, aber es gibt auch andere Dinge“, winkte etwa der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman Anfang Dezember ab. Priorität hat nach den Worten Trumps der Iran-Deal. Dieser sei „katastrophal“ für die USA und für den Nahen Osten. „Wir haben den Terror-Unterstützer Nummer eins mit 150 Milliarden US-Dollar belohnt, und im Gegenzug nichts erhalten.“
Auf der formalen Ebene ergeben sich hier Möglichkeiten für Trump. Der Deal ist kein Staatsvertrag, sondern ein Abkommen zwischen Regierungen. Er gilt, solange sich alle Beteiligten daran halten. Genau so machte es auch das US-Außenministerium unter Obama deutlich. Die Westmächte haben nun bereits moniert, dass der Iran mit Raketentests im März 2016 gegen Vereinbarungen verstoßen habe.
Ob Trump diese Möglichkeiten auch nutzt, steht auf einem anderen Blatt. In einem „Bild“-Interview vier Tage vor seiner Amtseinführung sprach er nicht mehr von einem „Ende“ des Deals; er sei lediglich „unglücklich“ damit. Was genau er nun vorhat, wollte er nicht mehr sagen – angeblich aus taktischen Gründen. Die Aufkündigung des Deals könnte Beobachtern zufolge Probleme mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mit sich bringen, mit dem Trump eigentlich zusammenarbeiten will.
Lust auf Verhandlungen
Auch in der Frage der Siedlungen rückte Trump im Wahlkampf von der üblichen Position der Weltgemeinschaft ab. Israel solle den Siedlungsbau fortführen, sagte er im März 2016 der britischen Nachrichtenseite „Daily Mail“. Die Palästinenser hätten tausende Raketen auf Israel abgefeuert, gab er als Begründung an. Zugleich sagte er, er würde es „lieben“, ein dauerhaftes Abkommen zwischen Israelis und Palästinensern auszuhandeln. „Das wären die Verhandlungen meines Lebens.“
Offen bleibt dabei, ob die Palästinser in Trump einen Vermittler sehen. Immerhin haben sie sich schon angesichts des möglichen Botschaftsumzugs an Russland gewandt. Doch ohnehin haben sie es zunächst mit Trumps Schwiegersohn Jared Kushner zu tun: Dieser soll als Berater im Weißen Haus unter anderem für Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern zuständig sein. Die Palästinenser haben diese Personalie bereits begrüßt.
Anders als die Palästinenser blickt die israelische Regierung hoffnungsfroh auf Trumps Amtszeit, sieht gar den Anbruch eines neuen Zeitalters. Die Mitte Januar, also wenige Tage vor Trumps Amtseinführung abgehaltene „Friedenskonferenz für den Nahen Osten“ in Paris nannte Israels Premier Benjamin Netanjahu „Zuckungen einer vergangenen Welt“. Die zukünftige Welt werde anders sein – „und sie ist sehr nahe“.
Von: Daniel Frick