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Rivlin: Durch kleine Schritte zu mehr Stabilität

BRÜSSEL (inn) – Beim Nahostkonflikt mangelt es vor allem an Vertrauen auf beiden Seiten. Diese Ansicht hat der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin in seiner Rede vor dem EU-Parlament geäußert. Statt der französischen Friedensinitiative schlug er eine gemeinsame Strategie in kleinen Schritten vor.
Im Europäischen Parlament: Staatspräsident Rivlin hat am Mittwoch eine Rede gehalten
Israel und Europa verbindet ein unzertrennbares Bündnis. Das befand der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin am Mittwoch bei seiner Rede vor dem Europäischen Parlament in Brüssel. Laut einer Mitteilung des israelischen Präsidialamtes meinte Rivlin damit auch die gegenseitigen kulturellen Einflüsse, die er mit so berühmten Juden wie Moses Maimonides, Baruch Spinoza, Sigmund Freud und Albert Einstein unterstrich: „Die gemeinsamen Interessen und Werte formen unsere Gegenwart und prägen unsere Zukunft.“ Ohne Plato, Thomas von Aquin, Galileo Galilei, Martin Luther und Marie Curie wäre Menschlichkeit nicht denkbar. Rivlin nahm Stellung zu teilweise massiver europäischer Kritik am heutigen Israel. Sie resultiere aus dem Missverständnis und einer gewissen Ungeduld gegenüber der existentiellen Notwendigkeit einer jüdischen Nation und dem Staat Israel. Diese wachsende Ungeduld sieht Rivlin aber auch in seiner Bevölkerung gegenüber Europa: „Es gibt Wut und Frustration bei einigen Israelis im Bezug auf bestimmte europäische Handlungsweisen, weil die Menschen das Gefühl haben, dass mit zweierlei Maß gemessen wird.“ Rivlin bat um Verständnis für israelische Entscheidungen: „Wir können nicht in jedem Punkt übereinstimmen.“ Aber für Freunde und Verbündete sei Geduld das richtige Rezept. Das oberste Gebot seines Staates sei es, die eigenen Bürger zu schützen. Seit dem Oslo-Abkommen im Jahr 1993 seien israelische Regierungen im Nahostkonflikt für eine Zwei-Staaten-Lösung gewesen. Rivlin wies aber auch darauf hin – so schmerzvoll diese Erkenntnis auch sei –, dass die Menschen der Realität ins Auge blicken müssten: „Unter den aktuellen Bedingungen zeichnet sich zwischen Israelis und Palästinensern kein dauerhaftes Friedensabkommen ab.“

Es fehlt Vertrauen zwischen beiden Parteien

Für ein solches Abkommen brauche es eine effektive politische Führung. Die palästinensische Seite sei aber mit der Hamas im Gazastreifen und der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland mindestens in zwei Lager gespalten. „Zudem strebt die Hamas-Führung offen die Vernichtung Israels an“, sagte Rivlin. Auch die chaotische Lage im Nahen Osten, die von Terrorgruppen wie dem „Islamischen Staat“ und der Hisbollah an den israelischen Grenzen verkörpert werde, trage nicht zu einer stabilen Infrastruktur in der Region bei. Hinzu komme Armut und mangelnde Infrastruktur in den palästinensischen Autonomiegebieten. Beides destabilisiere und ziehe Gewalt heran: „Vor allem aber fehlt Vertrauen zwischen beiden Parteien.“ Rivlin ging auch auf die lancierte Friedensinitiative der Franzosen ein, die erst am Montag von den EU-Institutionen angenommen wurde. Verhandlungen um der Verhandlungen willen bringe die Parteien nicht näher zu einer lange erwarteten Lösung, sondern führe sie weiter davon weg. „Das Scheitern ist vorhersehbar“, sagte Rivlin. Es führe zu Verzweiflung. Und Verzweiflung sei die „Brutstätte“ für Extremismus. Wenn die internationale Gemeinschaft ernsthaft bei einem Friedensprozess helfen wolle, müsse sie auf Vertrauensbildung zwischen beiden Parteien setzen.

In vier Punkten zu mehr Stabilität

Vier Punkte für Vertrauensbildung zählte Rivlin auf: Erstens solle die internationale Gemeinschaft die moderaten Kräfte der Region einspannen. Damit meinte er vor allem die Zusammenarbeit mit Jordanien und Ägypten. Zweitens müsse die palästinensische Wirtschaft so entwickelt werden, dass in den Autonomiegebieten eine vernünftige Lebensqualität erreicht werde. Drittens rief Rivlin dazu auf, in gesellschaftlich verbindende Unternehmen zu investieren. Gemeinsame wirtschaftliche Interessen bei Israelis und Palästinensern könnten die politische Stabilität in der Region verstärken. Am wichtigsten sei aber als vierter Punkt die Bildung. Friede werde nicht nur zwischen politischen Führern, sondern auch den Menschen gemacht. Tief verwurzelter Hass könne nur durch Aufklärung bekämpft werden. Rivlin bedankte sich beim Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz, für die Einladung nach Brüssel. Dass er in der selben Woche wie der Präsident der Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, ins Parlament eingeladen wurde, sah Rivlin als kleinen, wenn auch richtigen Schritt zu mehr Vertrauen zwischen den beiden Parteien an: „Helft uns, gemeinsam weitere Schritte vorwärts zu machen.“

Abbas: Hegemonie aufgeben

Abbas traf vor seiner Rede im EU-Parlament am Mittwoch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Wie die Tageszeitung „Jerusalem Post“ berichtet, soll Abbas Israel auf der Pressekonferenz aufgefordert haben, die „regionale Dominanz“ zu beenden: „Wenn Israel Frieden will, soll es die Hegemonie in der Region aufgeben und aufhören, die Rechte der Menschen zu verletzen.“ Nur dann sei die Weiterführung der arabischen Friedensinitiative aus dem Jahr 2002 möglich. Mogherini wies auf den bald erwarteten Bericht des sogenannten Nahostquartetts hin, das eine Analyse vorlegen soll, warum frühere Friedensinitiativen zwischen Israelis und Palästinensern gescheitert sind: „Die internationale Gemeinschaft hat eine Verantwortung, die richtigen Rahmenbedingungen für Verhandlungen einer Zwei-Staaten-Lösung zu gewährleisten.“ Sie forderte ein Ende der Siedlungsaktivitäten, die Zerstörung palästinensischer Häuser, der Gewalt und Aufhetzung. (mm)

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