Zwischen 2011 und 2014 hat die Deutsch-Israelische Schulbuchkommission deutsche und israelische Schulbücher der Fächer Geschichte, Geographie und Sozialkunde im Hinblick der Darstellung des jeweils anderen Landes hin untersucht. Der
Bericht, im August 2015 vorgelegt vom Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchförderung für den Zeitraum 2011 bis 2014, fördert zutage, dass in deutschen Schulbüchern Israel oft einseitig als Aggressor dargestellt wird und Fakten zum Verständnis der Geschichte des Landes nicht berücksichtigt oder falsch dargestellt werden. In dem Bericht heißt es unter anderem: „Verkürzungen und Verzerrungen sind die Folge. Israel erscheint primär als kriegführender Krisenstaat im Nahen Osten.“
In den untersuchten Schulbüchern würden die „historische Entwicklung der israelischen Gesellschaft, die Errungenschaften des jüdischen Staates auf sozialem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet und die Besonderheit Israels als liberale Demokratie in einem nicht demokratisch geprägten regionalen Umfeld“ weitgehend ausgeblendet. Bereits 1985 war eine entsprechende Untersuchung durchgeführt worden. Auch vor 30 Jahren hatte sich bereits ein ähnliches Bild der Darstellung in den deutschen Schulbücher abgezeichnet. Auf israelischer Seite hat sich unterdessen die Darstellung Deutschlands in den Schulbüchern verbessert und endete nicht mit dem Holocaust, sondern berücksichtigt auch die jüngste Geschichte Deutschlands in Europa.
Kein religiöses, sondern ein politisch-kulturelles Problem
2015 haben etwas 500.000 Menschen Asyl in Deutschland beantragt. „Eine signifikant hohe Zahl dieser akzeptierten Flüchtlinge kommen aus dem Nahen Osten. Das ist deshalb relevant, weil andere Untersuchungen von Schulbüchern in Syrien oder den palästinensischen Gebieten festgestellt haben, dass dort ein antisemitisches und antizionistisches Weltbild vermittelt wird“, erklärte Maya Zehden, Präsidiumsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, am Dienstag auf der Veranstaltung im Auswärtigen Amt in Berlin. Ein Teil der so erzogenen Bevölkerung gehöre dann zu Deutschland. Bereits vor der Einwanderungswelle habe man „einige beängstigende Vorfälle“ mit Menschen aus diesem Kulturkreis an jüdischen Personen registriert.
Zehden sieht darin kein religiöses, sondern ein politisch-kulturelles Problem, das jedoch von einigen Imamen hier gefördert würde. Auf Einladung des „Mideast Freedom Forum Berlin“, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und der „Scholars for Peace in the Middle East“ haben Experten aus Bildungspolitik, Schulbuchforschung und dem Verlagswesen für Schulbücher im Auswärtigen Amt über den Bericht, die Darstellung Israels in deutschen Schulbüchern und Lösungen diskutiert. Dabei kam heraus, dass das Land oft einseitig als Aggressor dargestellt wird und wichtige Fakten für das Verständnis der Geschichte und des Friedensprozesses in den Büchern weitgehend unterschlagen wird.
Kirsten Tenhafen, Mitglied der „Scholars for Peace in the Middle East“ und Vorstandsmitglied des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus, verdeutlichte die Problematik anhand von Beispielen aus Schulbüchern. „In einem Schulbuch fehlt komplett die Information, dass es sich bei dem Täter um ein Mitglied der Hamas handelt. Mit dem Fehlen dieser Information wird im Schulbuch der Eindruck erweckt, der Täter handle aus Empörung gegen die Unterdrücker.“ Deutlich werde, dass das „Auslassen von Informationen ein verzerrtes Bild erzeugt“, sagte Tenhafen. Bildungsziel müsse sein, dass „Terror grundsätzlich kein Mittel der politischen Auseinandersetzung ist“. Dies sei wichtig für die demokratische Erziehung in Deutschland. In den Darstellungen des israelisch-palästinensischen Konfliktes fehlten wichtige historische Fakten und Zusammenhänge, es gebe „Falschdarstellungen“ und „Behauptungen“. Bei der Beschreibung der innerisraelischen Sicherheitsanlagen werde nicht erwähnt, dass dadurch der Terror in Israel um 90 Prozent zurückgegangen sei, stattdessen würden die Anlagen als „Sperranlagen“ oder „Trennmauer“ bezeichnet. Quellen und Quellentexte können nach Auffassung Tenhafens von den Schülern nicht korrekt eingeordnet werden. „Aussagen bleiben unhinterfragt stehen.“
Wenig Veränderung seit 1985
Dirk Sadowski, wissenschaftlicher Koordinator der Deutsch-Israelischen Schulbuchkommission des Georg Eckert-Instituts – Leibniz-Instituts für internationale Schulbuchforschung, hat die Studie verantwortlich geleitet. Sadowski konstatierte, dass sich in den letzten 30 Jahren wenig geändert habe, das Ergebnis der Studie sei „negativ“, es habe sich „im Prinzip nichts, oder nur sehr wenig geändert an der Israeldarstellung“. Es habe sich eine starke Vereinseitigung des Bildes von Israel offenbart. In den wenigsten Büchern werde dargestellt, dass das Land die einzige Demokratie im Nahen Osten sei. Auch die deutsch-israelischen Beziehungen fehlten nahezu komplett in den Büchern.
Zudem hätten die Forscher eine „Engführung“ auf den israelisch-palästinensischen Konflikt festgestellt, der losgelöst der Probleme in der arabischen Welt dargestellt werde. „Die Geschichte des Konflikts wird dadurch unzulässig verkürzt“, sagte Sadowski. Die Veranstaltung im Auswärtigen Amt stand unter dem Thema „Pädagogik des Ressentiments – Das Israelbild in deutschen Schulbüchern“.
Martin Kloke, Verlagsredakteur des Cornelsen-Schulbuchverlages in Berlin, erkannte den Vorwurf über Verkürzungen in den Darstellungen an. Kloke verwies auf den „Beutelsbacher Konsens“, in dem Grundsätze für die politische Bildung festgelegt sind. Das, was in der Gesellschaft umstritten sei, müsse sich entsprechend auch in einem Schulbuch widerspiegeln. Gegensätze dürften nicht ignoriert werden. Gleichzeitig gelte das Überwältigungsverbot, das verbiete, Schüler für eine bestimmte Position zu instrumentalisieren. Die internen Qualtätskontrollen könnten Fehler „im permanenten Prozess der Optimierung“ nicht ausschließen. Es dauere mitunter zehn Jahre, bis ein Buch neu aufgelegt werde. Zehden wünschte eine Rückrufmöglichkeit für Bücher, bei denen offensichtlich Mängel festgestellt worden seien.
Götz Bieber, Direktor des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg, appellierte an die Verlage, das, „was in der Schulbuchforschung heraus gekommen ist, differenziert aufzuarbeiten“. Bieber wollte den Autoren der Schulbücher keinen Vorwurf machen, sie brächten stattdessen „Anleitung zur weiteren Entwicklung der Materialien“.
Forderung nach hohen Qualitätsstandards
Jörg Rensmann, Vorstandsmitglied des „Mideast Freedom Forums“, erklärte: „Schulbücher sind noch immer ein wichtiges Medium der Wissensvermittlung für unsere Kinder. Das Stichwort Demokratie ist dabei enorm wichtig. Wenn wir uns mit dem Nahost-Konflikt befassen, sollten wir sowohl was die Sachtexte, als auch was die Auswahl von Quellen angeht, nach hohen Qualitätsstandards arbeiten.“ Es müsse darauf geachtet werden, dass es nicht zu Darstellungen komme, die möglicherweise antisemitische Vorurteile anknüpfen können. Etwa das Nichterklären, dass die Hamas eine auf Vernichtung ausgerichtete antizionistische-Terror-Organisation sei, mit einer entsprechenden Charta.
Auch dürfe nicht verschwiegen werden, dass es auf die historische Abfolge von Ereignissen ankomme. „Wenn ich in einem Schulbuch lese, dass der UN-Teilungsplan von 1947 von beiden Seiten nicht anerkannt wurde, so ist das sachlich falsch.“ Die ganzen folgenden Ereignisse könnten dadurch über die Jahrzehnte hinweg von den Schülern nicht richtig beurteilt werden. Die Bundesrepublik habe mit recht den Anspruch, gesichertes Wissen zu vermitteln. Es gelte, dies anhand von Fakten zu tun, nicht mittels Gerüchten oder fragwürdiger Quellen. Es gelte Israel als das darzustellen, was es wirklich sei: „Eine funktionierende, plurale Demokratie“. (nob)