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Angeklagte Verbrecher

Israel gilt manchen als „Terrorstaat“. Dazu müssten die Täter aber glorifiziert werden. Stattdessen wird ihnen der Prozess gemacht. Eine Analyse von Ulrich W. Sahm
Israel geht verstärkt gegen jüdischen Terrorismus vor
Vier Ereignisse haben in den vergangenen zwei Jahren Israel den Ruf eingebracht, ein „Terrorstaat“ zu sein. Im Juli 2014 haben Israelis den 16 Jahre alten Muhammad Abu Chdeir aus dem Jerusalemer Stadtviertel Schuafat entführt und dann brutal ermordet. Sie haben seine Leiche mit Benzin überschüttet und verbrannt. Die Tat war ein selbstherrlicher Racheakt für die Ermordung von drei durch die Hamas entführten und ermordeten Talmudschüler. Einen Monat lang suchte das israelische Militär nach ihnen. Unmittelbar nach dem Fund der Leichen brach der Gazakrieg aus. Der 31-jährige Josef Ben David wurde wegen der Ermordung Muhammad Abu Chdeirs beschuldigt und muss mit lebenslänglicher Haftstrafe rechnen. Dieser Mord hat nicht nur in Israel große Empörung ausgelöst und Palästinenser zu schweren Anschlägen angestoßen. Zwei weitere Killer, 16 und 17 Jahre alte Minderjährige, wurden jeweils zu lebenslänglich und zu 21 Jahren Haft verurteilt. Das sind ungewöhnlich harte Strafen, auch im Rahmen des israelischen Jugendstrafrechts.

Prozess gegen Attentäter

Im Juli 2015 ist ein Ultraorthodoxer, Ischai Schlissel, zum zweiten Mal bei einer Jerusalemer Schwulenparade Amok gelaufen. Diesmal hat er die 16-jährige Schira Banki ermordet und sechs weitere Paradeteilnehmer verwundet, bis Polizisten ihn überwältigen und festnehmen konnten. Schlissel hatte eine ähnliche Tat schon 2005 ebenfalls bei einer Schwulenparade verübt und dafür eine zehnjährige Gefängnisstrafe erhalten. Jetzt muss Schlissel mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen. Wegen der Verletzung von weiteren Teilnehmern an der Parade wurde er zudem in sechs Fällen wegen „versuchten Mordes“ verklagt. Weil sein Amoklauf aus mehreren Winkeln heraus gefilmt worden ist, hat er große internationale Aufmerksamkeit erhalten. Sowohl weltliche Israelis wie auch die orthodoxe Gemeinschaft verurteilten Schlissels Tat.

Verwaltungshaft für Juden

Am 31. Juli 2015 haben „jüdische Terroristen“ einen Brandsatz auf ein Haus im palästinensischen Dorf Duma geworfen. Ein Baby verbrannte lebendigen Leibes. Die Eltern erlagen später ihren Verletzungen. Der 1994 geborene Amiram Ben-Uliel wurde als Anführer der schuldigen Gruppe ausgemacht. Der Sohn eines Rabbiners hatte noch weitere Helfer, die ebenfalls vor Gericht stehen. Die Ermittlungen dauerten fast ein Jahr. Einige Verdächtige wie Meir Ettinger, ein Enkel des rechtsradikalen, in New York von Palästinensern ermordeten Rabbi Meir Kahana, wurden in Verwaltungshaft genommen. Dies ist eine aus der britischen Mandatszeit stammenden Strafe, die bisher nur Palästinensern vorbehalten war, wenn akuter Verdacht bestand, aber keine gerichtsfähigen Beweise gefunden wurden. Die Täter wurden alle verhaftet und vor Gericht gestellt, wobei ihnen in einigen Fällen eine lebenslange Haft droht, vor allem, wenn ihnen Mord oder versuchter Mord nachgewiesen werden kann. Und schließlich hat Ende März ein Soldat, Elor Asaria, in Hebron mit einem Kopfschuss einen am Boden liegenden, durch Schüsse schon schwer verletzten Palästinenser getötet – vor laufenden Kameras. Diese „Exekution“ eines „unschuldigen“ Palästinensers, der freilich unmittelbar zuvor einen Messerangriff auf einen Soldaten verübt hatte, ging rund um die Welt und löste scharfe Verurteilungen Israels aus, darunter auch den Vorwurf, ein „Terrorstaat“ zu sein. Im Falle des Soldaten entschieden die Richter, ihn wegen Totschlags und nicht wegen Mordes anzuklagen. Möglicherweise hatte der Soldat vermutet, dass der noch lebende Palästinenser eine Selbstmordbombe umgeschnallt hatte und sie inmitten der Rettungskräfte zünden könnte. In dem Fall könnte er sogar wegen „Notwehr“ freigesprochen werden.

Eine Frage des Umgangs

Wäre Israel tatsächlich ein Terrorstaat, müssten die genannten Täter als „Helden des Widerstandes“ gefeiert und vom Staat mit fetten Apanagen ausgestattet werden. Fußballstadien?, Schulen und Straßen müssten nach ihnen benannt werden, wie es die Hamas im Gazastreifen und die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland tun. Zufällig finden zeitgleich in dieser Woche mehrere Prozesse gegen die genannten Täter statt. Es sei hier vermerkt, dass Geheimdienst und Polizei teilweise unter großen Mühen diese Verbrechen aufgeklärt haben. In Israel sorgen Medien und die verantwortlichen Politiker dafür, dass diese Verbrechen aufgeklärt werden. Mit dem Inlandsgeheimdienst Schabak hat Israel zudem eine mächtige Institution, die bei der Aufklärung palästinensischer Mordtaten bisher außerordentlich erfolgreich war.

Erfolge gegen jüdischen Terror

Mit jüdischem Terror hatten die Agenten lange nicht gerechnet. Das wandelte sich mit dem Mord an Regierungschef Jitzhak Rabin durch einen jüdischen Extremisten. Wirklich effektiv wurde der Geheimdienst jedoch erst nach dem Mord an der palästinensischen Familie in Duma, als allen klar geworden war, dass dieser jüdische Terror eine strategische Gefahr für Israel bedeute. Wie der Geheimdienstchef erklärte, hätten seine Agenten die Ärmel hochgekrempelt und würden jetzt für das Eindringen in radikale jüdische Zellen sowie beim Verhör von Verdächtigen gleiche Methoden anwenden wie bei Palästinensern. Der neueste Erfolg des Inlandsgeheimdienstes spricht für sich. Dieser Tage wurde eine sechsköpfige Zelle aufgedeckt, die im Verdacht steht, Brandbomben auf palästinensische Häuser geworfen, Autos verbrannt und palästinensisches Eigentum zerstört zu haben. Israel handelt wie ein normaler Rechtsstaat, indem es nach den Tätern ahndet und diese dann verurteilen lässt. In keinem anderen Land käme jemand auf die Idee, wegen solcher Verbrechen von Einzelnen oder radikaler Gruppen die gesamte Bevölkerung verantwortlich zu machen. Ist Deutschland etwa ein Mörderstaat, weil die zehn NSU-Morde noch nicht gänzlich aufgeklärt sind? Oder sind etwa alle Deutschen Sexmaniacs wegen der Ereignisse in Köln in der Silvesternacht? Wegen der rund 60 Mitglieder der RAF stand Deutschland zwar jahrelang Kopf und verwandelte alle seine Botschaften weltweit in Festungen. Doch niemand hätte „alle Deutschen“ für die RAF-Morde verantwortlich gemacht. (uws)

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