Israel entweiht die heiligen Stätten des Islams und des Christentums, zuvorderst die Al-Aksa-Moschee! Seit 1967 ist es das Ziel Israels, die Al-Aksa-Moschee zu zerstören! Israel will die heilige Stadt verschlingen! Aber die Autonomiebehörde unternimmt etwas gegen die Angriffe der Israelis! Wir Palästinenser werden in Jerusalem bleiben und die Stadt und deren heilige Stätten beschützen!
Diese und ähnliche Wortmeldungen waren im vergangenen Herbst der offiziellen Tageszeitung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), „Al-Hajat al-Dschadida“, zu entnehmen. Die eine Botschaft dahinter lautet: Israel will den „Status quo“ am Tempelberg ändern. Die Erzürnung der Araber darüber zeigt sich seit dem 13. September handfest: In Unruhen auf dem Tempelberg und Angriffen gegen Juden im ganzen Land. Bei 170 Angriffen mit dem Messer, dem Auto oder der mit Schusswaffe starben bisher 30 Menschen, davon 28 Juden, 1 Palästinenser und 1 Ausländer. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu beteuert immer wieder, nichts am „Status quo“ ändern zu wollen. Diese Worte finden jedoch kein Gehör, denn palästinensische Politiker und Medien verbreiten Gegenteiliges und fördern so Gewalt gegen Juden. Zudem ermutigt die Verherrlichung dieser Gewalt dazu, Juden zu töten.
Die Hetze kommt dabei von oberster Stelle. Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas sagte zu Beginn der Unruhen, er begrüße „jeden Blutstropfen“, der wegen Jerusalem vergossen werde. Seine Partei Fatah ließ verlauten: „Mit unseren Seelen erlösen wir Al-Aksa.“
Öffentliche Ruhe im Blick
Auf diese Weise entbrennt genau an jenen Abmachungen Streit, die eigentlich für Ruhe sorgen sollen und als „Status quo“ bekannt sind. Dieser „Status quo“ existiert seit dem 18. Jahrhundert und regelt, welche Religionsgemeinschaft in welchem Maß für die heiligen Stätten in Jerusalem zuständig ist. Insbesondere nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 war Israel daran gelegen, die Bestimmungen aufrecht zu erhalten. In den Tagen vom 5. bis zum 10. Juni 1967 hatte Israel unter anderem Ostjerusalem und damit den Tempelberg von Jordanien erobert und annektiert, also die in Israel geltenden Gesetze auf den eroberten Stadtteil ausgeweitet. „Der Tempelberg ist in unserer Hand“, frohlockte damals Mordechai Gur, Kommandeur jener Fallschirmjäger, die den Tempelberg erobert hatten. Die Nachricht war eine Sensation: Nach rund 2.000 Jahren war der Ort der beiden jüdischen Tempel wieder unter jüdischer Kontrolle. Die Eroberung hatte nationalreligiöse Symbolkraft.
Dem damaligen Verteidigungsminister Mosche Dajan war jedoch daran gelegen, die Sprengkraft aus dieser Symbolik zu nehmen sowie die religiöse Dimension des Konfliktes zwischen Juden und Arabern kleinzuhalten. Seiner Ansicht nach war der Tempelberg für Muslime immer noch Ort der Anbetung, während er für Juden allenfalls historische Bedeutung hatte. Araber nennen das Areal meist „Haram“. Es steht als Kurzform für „Haram al-Scharif“, das „ehrwürdige Heiligtum“. Araber sollten weiterhin die religiöse Hoheit über den Tempelberg haben. Mit diesem Zugeständnis, so hoffte Dajan, ließe sich vermeiden, dass das Areal zu einem nationalen Symbol der Sehnsucht für die Araber wird.
Der Jurist Schmuel Berkowitz, der über den legalen Status der Heiligen Stätten promoviert hat, erklärt dazu: „Dajan traf sich im Felsendom mit Mitgliedern der jordanischen Regierung, um über den ‚Status quo‘ zu verhandeln. Die Absprachen wurden mündlich getroffen und es gibt kein Dokument von diesen Gesprächen.“ Die Vereinbarung sah vor, dass wie bislang so auch in Zukunft die islamische Behörde, der Wakf, für die Verwaltung des Tempelberges zuständig sei. Juden würden die Sicherheit gewährleisten. Später wurden noch weitere Regeln zugunsten der Muslime festgelegt: Nicht-Muslime dürfen den Tempelberg nur durch das Mughrabi-Tor an der Klagemauer betreten, während Muslimen zehn Tore zur Verfügung stehen; das Hissen sämtlicher Flaggen auf dem Tempelberg wurde verboten. Der Zutritt zum Felsendom und zur Al-Aksa-Moschee ist für Nicht-Muslime untersagt.
Berkowitz räumt ein, dass es heute etwa 15 jüdische Organisationen gebe, die sich für ihr Recht zum Gebet auf dem Tempelberg einsetzen, doch die seien weder politisch noch gesellschaftlich relevant. „Die israelische Regierung hat wiederholt versichert, dass sie am ‚Status quo‘ nichts verändern wird und kein Ort der Welt ist so gut durch die israelische Polizei bewacht, wie der Jerusalemer Tempelberg.“ Scherzend fügt Berkowitz hinzu: „Abgesehen vielleicht von dem Atomreaktor, der in Dimona stehen soll.“
Auch gegen einen weiteren Vorwurf wehrt sich Berkowitz entschieden: „Dass heute jüdische archäologische Ausgrabungen auf dem Tempelberg vorgenommen werden, ist völliger Unsinn! Der Tempelberg steht allein unter der Aufsicht des Wakf.“ Der Jurist ist ebenfalls überzeugt: „Vom rechtlichen Standpunkt aus hat Jordanien nicht mehr Anspruch auf den Tempelberg als Israel. Jordanien hatte das Territorium 1948 annektiert. Aber diese Annektierung wurde lediglich von Pakistan und Großbritannien anerkannt.“ In den Abkommen von Oslo in den 1990er Jahren sei der „Status quo“ des Tempelberges überhaupt nicht erörtert worden, bis heute habe sich nichts Wesentliches verändert.
Der Politikwissenschaftler Mosche Amirav ist Professor an der Hebräischen Universität Jerusalem und war viele Jahre als Politikberater tätig. Er sagt: „In Jerusalem geht es nicht um Fakten, sondern um Gefühle. Was zählt, ist das Land, von dem die Mütter ihren Kindern vorsingen. Deswegen nenne ich keine Fakten, sondern erzähle Geschichten.“ Er berichtet von Begegnungen mit Jasser Arafat, der ihm sagte: „Das Haram ist so wichtig für uns, weil wir kein Öl haben. Das einzige, was wir gegen die Juden in der Hand haben, ist das Haram al-Scharif.“
Wie wenig Aufmerksamkeit Fakten geschenkt wird, zeigt die Episode um Abbas, der Israel die vermeintliche Exekution eines Kindes vorgeworfen hat. In einer Fernsehansprache hatte Abbas Mitte Oktober gesagt: „Die Israelis exekutieren unsere Kinder kaltblütig, so wie sie es mit dem Jungen Ahmad Manasra getan haben.“ Tatsache ist, dass der Genannte mit seinem Cousin zwei 13 und 21 Jahre alte Juden mit einem Messer angegriffen hatte. Daraufhin wurde der Cousin von Sicherheitskräften erschossen und Ahmad bei der Flucht von einem Auto angefahren und verletzt. Doch Fakten interessieren wenig, wenn Hetz-Parolen einmal im Umlauf sind. So waren wenige Tage nach dem versuchten Attentat Händler in der Jerusalemer Altstadt davon überzeugt: „Die Soldaten töten unsere Kinder. Ihr habt gesehen, wie es dem 13-jährigen Ahmad ging.“ Dass dieser noch lebte und längst im Jerusalemer Hadassah-Krankenhaus von Israelis behandelt wurde, interessierte niemanden. Und auch Abbas hat sich zu dem Fall nicht mehr öffentlich geäußert, als der Junge einige Tage später entlassen werden konnte. Stattdessen sagte er Ende Oktober in den Niederlanden, auf die jüngsten Aussagen seiner Regierung angesprochen: „Wir Palastinenser sind nicht perfekt, aber diese Dinge müssen im Ganzen erörtert werden.“
Hetze für Kinderherzen
Hetze und Verleumdung kommen aber nicht nur von oben, sondern auch aus dem Volk. So werden Angreifer, die häufig nach den Attentaten durch israelische Sicherheitskräfte zu Tode kommen, posthum zu Helden erklärt. Die Verehrung drückt sich beispielsweise durch festliche Beerdigungsfeiern und die Ehrung der jeweiligen Familien aus.
Zudem stellen die Palästinenser sicher, dass Kinder diese Art von Heldentum früh in sich aufnehmen. Anfang Dezember haben Mitarbeiter der Zollbehörde am Hafen von Haifa 4.000 Puppen in Beschlag genommen, die Steinewerfer darstellen. Der Kopf ist von einem Palästinensertuch umhüllt. Auf Bannern in palästinensischen Farben steht „Jerusalem, wir kommen!“. Die Lieferung stammt aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Sie sollte in die palästinensischen Autonomiegebiete gelangen.
Ein weiteres Mittel ist die Namensgebung. Mitte Oktober benannte ein palästinensischer Zivilist aus Rafah im südlichen Gazastreifen in Solidarität mit palästinensischen Messerstechern, die Israelis angegriffen hatten, seinen neugeborenen Sohn Sakin al-Kuds, Messer Jerusalems. In den sozialen Netzwerken wurde der Name sehr gelobt, der Vater als Held bezeichnet und auch von Vertretern der Autonomiebehörde sowie der Fatah gab es Zuspruch auf öffentlichen Kanälen.
Auch öffentliche Einrichtungen oder Straßen erhalten Namen der „Märtyrer-Helden“. Der Ort Surda benannte eine Straße nach Muhannad Halabi. Der 19-Jährige hatte Anfang Oktober zwei Juden in der Jerusalemer Altstadt ermordet, zwei weitere verletzt; Sicherheitskräfte erschossen ihn. Der Bürgermeister sagte bei der Umbenennung: „Das sind wir ihm schuldig und es ist das Mindeste, das wir für ihn tun können.“
Facebook als Nachrichtenersatz
Auch Karikaturen vermitteln als Bestandteil der Berichterstattung Hetze. Sie erscheinen in sozialen Medien, aber auch in der offiziellen Presse. Sie zeigen häufig Juden, die Böses im Schilde führen: So sagt ein israelischer Soldat mit hämischem Grinsen und erhobenem Gewehr zu einer palästinensischen, schwangeren Muslima: „Wir haben die besten eurer jungen Leute getötet.“ Auf einem anderen Bild ist ein Soldat zu sehen, der soeben mehrere Palästinenser hingerichtet hat. Diese liegen inmitten ihrer Blutlachen am Boden, der Soldat legt neben jede Leiche ein Messer. Die Zeichnung ist überschrieben mit „Schieße, lege ein Messer dazu und fotografiere es“.
Neben den Aussagen offizieller Regierungsmedien sind soziale Netzwerke für weite Teile der Bevölkerung längst zu einem Ersatz für seriöse Berichterstattung geworden. Am besten fasst die Tragweite der verbreiteten Hetze die Aussage eines Buchverkäufers in Jordanien zusammen: „Ich muss dir nicht sagen, welche Ungerechtigkeiten die israelische Armee gegen unschuldige Palästinenser unternimmt. Du weißt doch, was auf Facebook steht; die Juden töten unschuldige Palästinenser.“
Politikwissenschaftler Amirav ist überzeugt, dass der Hetze nicht beizukommen ist. Auch die kürzlich getroffene Vereinbarung zwischen Israel und Jordanien über die Nutzung von Videokameras auf dem Tempelberg würde keine Lösung bringen. „Das ganze ist ein Kreislauf, der alle paar Jahre durch neue Ausschreitungen durchbrochen wird. Hier geht es nicht um Netanjahu und Abbas. Es geht um Juden und Muslime.“
Die einzige Möglichkeit, dem Kreislauf ein Ende zu setzen, scheint ein Wandel im palästinensischen Denken. Doch damit sei es nicht weit her – im Gegenteil. Lieferungen wie die Hetzpuppen von Haifa würden „den Geist kleiner und unschuldiger Kinder vergiften“, sagte Israels stellvertretende Außenministerin Zippi Hotovely. „Die Länder der Welt müssen verstehen, dass wir keinen Dialog mit unseren Nachbarn führen können, solange es keine wesentliche Veränderung im palästinensischen Bildungssystem gibt“, sagte die „Likud“-Politikerin. Zudem müsse sich der „Kern der palästinensischen Führung“ verändern. (df/mh)