Die ägyptische Regierung hat es sich zum Ziel gesetzt, alle Schmuggeltunnel zwischen dem Gazastreifen und Ägypten zu zerstören. Unter anderem lässt sie die Tunnel mit Salzwasser fluten. Zudem errichtet sie eine Pufferzone, der bereits mehrere Tausend Häuser in der Grenzstadt Rafah weichen mussten. Der Palästinenser Mahmud Bakir aus Rafah sprach mit Journalisten über die Folgen des ägyptischen Vorgehens.
Das Wasser sei letzte Woche mitten in der Nacht gekommen, erzählt Bakir laut der Tageszeitung „Yediot Aharonot“. Er habe seine Frau und seine fünf Kinder aufgefordert, das Haus schnell zu verlassen, als es überschwemmt wurde. Die Familie konnte sich in Sicherheit bringen.
Es ist Meerwasser, mit dem Ägypten die unterirdischen Gänge an der Grenze zum Gazastreifen flutet. So will es den Schmuggel von Waffen und Terroristen in den Sinai unterbinden. Die Tunnel werden unbenutzbar. Aber das Vorgehen Ägyptens führt auch zu Überschwemmungen auf der palästinensischen Seite der Grenze.
Trinkwasserquellen gefährdet
Dass nun ausgerechnet Ägypten, einst für die Menschen aus Gaza das Tor zur Welt, hinter dem Unglück für seine Familie steckt, sei besonders schmerzhaft, sagt Bakir. Der 61-Jährige betont: „Wir respektieren unsere Nachbarn. Wir lieben Ägypten. Aber unsere Nachbarn machen uns das Leben schwer.“
Auch Vertreter der palästinensischen Führung in Gaza kritisieren das Vorgehen. Die Flutung der Tunnel sorge nicht nur für Überschwemmungen. Das Meerwasser gefährde auch die Trinkwasserversorgung, wenn es in das Grundwasser gelange. Zudem schade es dem Ackerland. Rafahs Bürgermeister Subhi Rudwan teilte mit, ägyptische Sicherheitskräfte hätten am vergangenen Freitag Tag und Nacht Wasser in die Tunnel gepumpt. Er warnte: „Wenn sie so weitermachen, sind die Leben und Häuser der Menschen im Grenzgebiet in Gefahr und sie sind gezwungen, ihre Häuser zu verlassen. Wir haben an Ägypten appelliert, die Flutungen zu stoppen.“
Palästinenser aus dem Grenzgebiet sprechen laut dem Bericht von fast 2.500 Schmugglertunneln zu Hochzeiten. Durch sie werden Lebensmittel, Kraftstoff, Waschmaschinen, Waffen, sogar Autos, aber auch Tiere und Menschen in den Gazastreifen geschmuggelt. Einige Tunnelbesitzer seien durch den Handel Dollar-Millionäre geworden. Die Hamas erhebt auf die geschmuggelten Waren eine Steuer und verdient an dem Geschäft mit. Auf dem Höhepunkt seien schätzungsweise bis zu 22.000 Palästinenser in der „Tunnelindustrie“ beschäftigt gewesen. Die Zahl sei 2010 massiv gesunken, nachdem Israel nach internationalem Druck die Einfuhrbeschränkungen in den Gazastreifen erleichtert hat.
Ägypten wirft der Hamas eine Mitverantwortung für Anschläge im Sinai vor. Kämpfer und Waffen würden verstärkt aus Gaza auf die Halbinsel geschmuggelt. Um diesen Waffenfluss zu stoppen, hat die Regierung im September beschlossen, mit aller Härte gegen die Tunnel vorzugehen. Durch die Flutung mit Meerwasser stürzen viele Tunnel ein und werden unbrauchbar. Ein Tunnelbauer sagte laut „Yediot Aharonot“, Ägypten habe die Gänge seit September mehrmals geflutet. Damit habe es dem unterirdischen Netzwerk in den vergangenen Wochen mehr Schaden zugefügt, als Israel mit seinen Bombenangriffen in zwei Jahrzehnten.
Glaubt man den Tunnelbauern, so gibt es derzeit nur noch 20 Tunnel für den Schmuggel kommerzieller Waren. Wie viele Gänge noch für den Waffenschmuggel benutzbar sind, ist nicht bekannt. (dn)