Am Mittwochmorgen veröffentlichte die kleine linksgerichtete, aber gleichwohl einflussreiche Zeitung „Ha‘aretz“ einen langen Bericht über ein von Verteidigungsminister Mosche Ja‘alon verfügtes „Pilotprojekt“. Es ging darum, Palästinenser aus den besetzten Gebieten auf dem Weg zur Arbeit in Israel nicht mehr in israelischen Bussen mitfahren zu lassen. Erwartungsgemäß wurde diese schon mehrfach diskutierte Geschichte von allen großen Agenturen aufgegriffen und in Mainstream-Medien wiedergegeben. Israel wurde vorgeworfen, ein „Apartheid-Staat“ zu sein.
Kurz nach der Veröffentlichung und dem Sturm der Entrüstung im In- und Ausland telefonierte der üblicherweise als „Hardliner“ titulierte Premierminister Benjamin Netanjahu mit seinem Verteidigungsminister. Beide beschlossen einvernehmlich, das auf drei Monate befristete „Pilotprojekt“ einzufrieren, also gar nicht umzusetzen.
Israelische Bewohner des Westjordanlandes, meistens als „illegale jüdische Siedler“ bezeichnet, hatten aus Angst vor palästinensischen Terroranschlägen und wegen wiederholter Belästigung jüdischer Frauen eine Trennung in den Bussen gefordert.
Während der Verteidigungsminister die Sicherheit der Israelis vor Augen hatte, verstand der amtierende Außenminister und Regierungschef, dass diese Trennung der Passagiere ein „Makel“ im Ansehen Israels wäre, obgleich ähnliche Phänomene in anderen Ländern der Welt anstandslos akzeptiert werden. Staatspräsident Reuven Rivlin lobte das schnelle Eingreifen Netanjahus und begrüßte das Stornieren der Maßnahme, die noch gar nicht eingeführt worden war.
Beliebtes Spiel der Medien
Gleichwohl stellt sich mal wieder die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Nachrichtenagenturen wie AFP und dpa sowie der Zeitungen wie „Die Zeit“ und des Nachrichtenportals „n-tv“.
„
Die Zeit“ berichtete: „Israel hatte das Westjordanland nach dem Sechstagekrieg im Jahr 1967 besetzt und kurz darauf annektiert.“ Das ist faktisch falsch. Wenn Israel das Gebiet tatsächlich „annektiert“ hätte, könnte der Verteidigungsminister dort keine derartige Bestimmungen verfügen, sondern bestenfalls der Verkehrsminister oder ein Polizeichef. Doch das Westjordanland untersteht bis heute – gemäß dem Völkerrecht – einer israelischen Militärverwaltung, während die dicht arabisch besiedelten Gebiete nach 1994 den Palästinensern zu einer „Selbstverwaltung“, auch „Autonomie“ genannt, übergeben worden sind. Selbstredend können jüdische Israelis diese von den Palästinensern selbstverwalteten Gebiete nicht besuchen, ohne sich in Lebensgefahr zu begeben. Niemand käme auf die Idee, den Palästinensern deshalb „Apartheid“ vorzuwerfen.
Das Portal „
n-tv“ berichtete unter dem Titel „Israel verbietet Palästinensern Bus-Nutzung“, obgleich aus dem Text hervorging, dass das Pilotprojekt „künftig“ gelten sollte, also noch nicht umgesetzt worden war. Weiter hieß es dort, dass diese Weisung „offenbar“ gelte, veröffentlicht von einem Ministeriumsvertreter, „der namentlich nicht genannt werden will“. Es ist ein beliebtes Spiel der Medien, vermeintliche Fakten mit einem „offenbar“ zu relativieren und dann auch noch namentlich nicht genannten Quellen in den Mund zu legen. Dem Leser dürfte kaum aufgefallen sein, dass ihm da eine inoffizielle Meldung aus fragwürdiger, anonymer Quelle untergeschoben wurde.
Typisch ist dann auch die um 10:49 Uhr veröffentlichte Richtigstellung: „Aktualisierung (10:49): Inzwischen rudert die israelische Regierung zurück. Ministerpräsident Netanjahu hat die Anweisung nach heftiger Kritik zurückgenommen.” Da es kein Regierungsbeschluss war, konnte die Regierung nicht „zurückrudern“. Und es war nicht Netanjahu, der die Anweisung zurückgenommen hat, sondern der Verteidigungsminister. Der hat sie ausgegeben und hat im besetzten Westjordanland die Verfügungsgewalt.
Der „
Spiegel“ schrieb: „Es wird als Sicherheitsmaßnahme angepriesen, Menschenrechtler sprechen von Rassismus: Palästinenser aus dem Westjordanland dürfen nicht mehr in denselben Bussen fahren wie Israelis.“ In der wenig später veröffentlichten
Korrektur heißt es: „Israel: Netanyahu kassiert Anweisung zu getrennten Bussen für Palästinenser“.
Verweigertes Fußballspiel wird nicht verurteilt
Angemerkt sei hier noch der Streit zwischen Israel und den Palästinensern bei der
FIFA. Der Chef des Weltfußballverbandes Sepp Blatter ist in den Nahen Osten gereist, um mit Netanjahu und dem palästinensischen Fußballchef Dschibril Radschub über den von den Palästinensern geforderten Rauswurf aus der FIFA zu beraten. Während Netanjahu verlangte, dass der Sport nicht „politisiert“ werden dürfe und der Völkerbegegnung diene, hatte Radschub bei seinem Gespräch mit Blatter die Idee eines völkerverbindenden „Friedensspiels“ in Genf weit von sich gewiesen. Das sei noch verfrüht. Diese Einstellung wird nicht als „Apartheid“ verurteilt, obgleich schwer zu erkennen ist, wieso ein verweigertes gemeinschaftliches Fußballspiel weniger rassistisch sein sollte als eine abgelehnte gemeinsame Busfahrt. (uws)