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Posttrauma des Holocaust

Erwachsene Kinder von Holocaust-Überlebenden in Israel tendieren dazu, als existentiell empfundene Gefahren, wie etwa eine iranische Atombombe, ernster zu nehmen als die Nachkommen von Juden, die den Holocaust nicht miterlebt haben. Das ergab eine Studie des Trauma-Experten der Bar Ilan Universität, Amit Schrira.
Holocaust-Überlebende – hier in einem Café in Ramat Aviv – vererben ihren Kindern laut einer Studie eine „weniger positive Weltanschauung“.
Die Nachkommen der Überlebenden sehen die Welt als einen gefährlichen Ort, und spüren Gefahren, die symbolisch mit der Scho‘ah, dem Völkermord der Nazis an den Juden, verknüpft werden können. Die Studie zeigt, dass die Überlebenden eine „weniger positive Weltanschauung an ihre Kinder vererben“. Die Untersuchung wurde bereits im Jahr 2012 durchgeführt, als sich die Medien und die öffentliche Meinung in Israel besonders intensiv mit den iranischen Bemühungen um eine Atombombe befassten. Bei der Studie wurden Kinder von Überlebenden befragt und zum Vergleich Kinder von Juden, die keine Erfahrung mit dem Genozid gemacht haben. Die Kinder der Holocaust-Überlebenden seien deutlich stärker von dem „Feindselige Welt-Szenario“ erfasst und beschäftigten sich intensiver mit Überlebensängsten. Sogar bei den Enkeln, also in der dritten Generation, könnten Symptome eines „Post-Traumas“ ermittelt werden. 550 Israelis seien für die Studie befragt worden. Die Teilnehmer seien nicht nach ihrer heutigen politischen Ausrichtung befragt worden, berichtet die Tageszeitung „Ha‘aretz“. Eine frühere Untersuchung ergab, dass Überlebende von ihren Kindern als „kalt, unerreichbar und distanziert“ wahrgenommen worden seien. Die Eltern seien „überfürsorglich“ und hätten ihre Kinder nicht alleine auf die Straße oder zu Treffen mit anderen Kindern gehen lassen. Der Staat Israel hat seit seiner traumatischen Gründung 1948, als die Armeen arabischer Staaten einen Vernichtungskrieg führten, um den jüdischen Staat sofort wieder auszulöschen, mehrfach eine existentielle Bedrohung erlebt. 1967, vor dem Sechs-Tage-Krieg, den Israel dann sehr schnell gegen Syrien, Ägypten, den Irak und Jordanien gewonnen hatte, wurden Stadtparks wie in Ramat Gan für Massengräber vorbereitet. 1973, nach dem Überraschungsangriff von Ägypten und Syrien, gab es in Israel das verbreitete Gefühl, dass dieser Krieg das Ende des Staates bedeuten könnte. General Mosche Dajan soll in Anwesenheit von amerikanischen Diplomaten mit dem Einsatz der „ultimativen Waffe“ gegen Ägypten gedroht haben, was den US-Außenminister Henry Kissinger zu Waffenlieferungen per Luftbrücke bewegt haben soll, um Israel zu retten. Der deutsche Kanzler Willy Brandt soll zuvor von dem Angriff gewusst, die Informationen aber nicht an die israelische Regierung weitergegeben haben. Brandt hat den amerikanischen Frachtflugzeugen die Zwischenlandung in Deutschland zwecks Auftankens verboten. Dennoch wurden Flugzeuge der israelischen Fluglinie EL AL in Frankfurt vor ihrem Abflug bis an den Rand gefüllt mit länglichen Kisten, während den Passagieren die Koffer erst nach dem Krieg zugeschickt worden sind – wie der Autor seinerzeit selbst beobachtete.

Iranische Völkermord-Rhetorik wörtlich genommen

1991 schließlich, vor Ausbruch des Irak-Kriegs, hatte der irakische Diktator Saddam Hussein damit gedroht, „halb Israel zu verbrennen“. Während des Irak-Kriegs wurden etwa 26 Scudraketen auf Israel abgeschossen, während die gesamte Bevölkerung bei jedem Raketenalarm rechtzeitig ausgelieferte Gasmasken überzog und in speziell abgedichteten Zimmern in höheren Stockwerken Schutz suchte. Nachdem Hussein in Halabscha Kurden mit Giftgas bombardiert hatte, befürchteten auch die Israelis, von mit Giftgas bestückten Raketen beschossen zu werden. Das alles erweckte automatische Assoziationen mit dem Holocaust. Und aufgrund dieser historischen Erfahrungen nehmen viele in Israel die Völkermord-Rhetorik etwa des iranischen Regimes durchaus wörtlich. (uws)

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