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Analyse: Netanjahu schlägt Kapital aus Rede

Der israelische Premier Benjamin Netanjahu hat vor dem US-Kongress erklärt, dass er allein aus staatsmännischer Sorge um die Existenz Israels nach Washington gereist sei. Das habe nichts mit (Innen-) Politik zu tun. Doch schon am Abend, straften ihn erstmalig ausgestrahlte und von langer Hand vorbereitete Fernsehspots seiner Likud-Partei der Lüge.
Netanjahu und Obama – das Verhältnis zwischen beiden ist nicht gerade das beste, doch in den Beziehungen zwischen beiden Ländern gab es immer wieder Krisenzeiten.
In Schwarz-Weiß-Filmchen wurde Israels erster Premierminister David Ben Gurion gezeigt, wie er 1948 die Unabhängigkeitserklärung verlas. „Er tat das gegen den entschiedenen Widerstand des amerikanischen Außenministeriums“, sagt eine Stimme, während ein Spruchband erklärt: „Wo wären wir heute, wenn er das nicht getan hätte? Ein Volksführer muss handeln, auch gegen den Widerstand der Welt.“ Im nächsten Clip wird Premierminister Menachem Begin gezeigt. „Saddam Hussein baute ein Atom-Werk.“ Die Textzeile fragt: „Wo wären wir heute, wenn Begin das nicht hätte bombardieren lassen?“ Tatsächlich hatte Begin 1981 die Kampfpiloten unmittelbar vor Neuwahlen in Israel in den Irak geschickt. Zweifellos half ihm diese Militäraktion, wiedergewählt zu werden. Die Amerikaner reagierten wütend. Doch wenig später zeigten sie sich erkenntlich. Wenn Saddam Hussein atomar bewaffnet gewesen wäre, hätten sie 1991 den Irak nicht angreifen können, um das im August 1990 von Irak eroberte Kuwait zu befreien. Vergessen ist, dass sich die Beziehungen zwischen den USA und Israel erst 1970 aufwärmten. Das lässt sich an den Waffenlieferungen ablesen. 1948, als Israel in der Nacht nach der Unabhängigkeitserklärung von mehreren arabischen Armeen angegriffen worden war, wehrte es sich mit sowjetischen Waffen. Die wurden über die damalige Tschechoslowakei geschmuggelt. Die nächsten Kriege, 1956 gegen Ägypten wegen der Nationalisierung des Suezkanals, und 1967, im Sechs-Tage-Krieg, führte Israel mit britischen Panzern und Mirage-Kampfflugzeugen aus Frankreich. Erst 1970, als die „Palästinensische Befreiungsorganisation“ (PLO) unter Jasser Arafat in Jordanien mit einem blutigen Aufstand versuchte, König Hussein vom Thron zu stürzen und Syrien mit einem Einmarsch nach Jordanien drohte, entsprach Israel einer amerikanischen Bitte, dem jordanischen König zu helfen. Infolge des israelischen „Säbelrasselns“ siegte König Hussein. Während jenes „Schwarzen Septembers“ erlitten die Palästinenser über 10.000 Tote. Die PLO wurde in Richtung Libanon verjagt, wo sie 1973 den nächsten Bürgerkrieg auslöste. Der Bürgerkrieg in Jordanien war der Beginn engerer US-israelischer Beziehungen. 1973, während des Jom Kippur-Krieges, als Israel um seine Existenz bangte, schickten die USA per Luftbrücke Waffen nach Israel. Ein Kuriosum der Geschichte ist, dass Deutschland unter Bundeskanzler Willy Brandt den amerikanischen Transportern die Zwischenlandung zwecks Auftanken verweigerte. Die Militärindustrien der USA und Israels sind eng verwoben, wobei mit amerikanischer Finanzierung sündhaft teure Abwehrraketen entwickelt werden. Dazu gehört die „Eisenkuppel“, dank der Israel fast keine Verluste durch den Raketenbeschuss der Hamas während des Gaza-Kriegs im Sommer 2014 erlitten hat. Beide Länder entwickeln auch das „Chetz“ Abwehrsystem gegen ballistische Raketen, zum Beispiel aus dem Iran. Die Amerikaner investieren Milliardenbeträge in diese Systeme. Aber sie profitieren auch vom israelischen Fachwissen. Entgegen allen Beteuerungen über die angeblich so ewigen und stabilen amerikanisch-israelischen Beziehungen, hat es immer wieder Krisen gegeben. Obgleich es heute so wirkt, als ob Israel ohne die USA nicht überleben könne, haben die Israelis immer schon dafür gesorgt, ihre „Eier nicht in einen Korb zu legen“. Gleichwohl ist Israel vorsichtig und verlässt sich nicht allein auf die USA. Die engen Beziehungen mit Frankreich zerbrachen nach dem Sechs-Tage-Krieg und endeten, nachdem die Israelis an Heilig Abend halbfertige in Frankreich gebaute Schnellboote aus Cherbourg „entführten“.

Beziehungen zu USA ersetzbar

Heute ist Israel bemüht, nicht nur mit Russland engere Beziehungen zu pflegen. Der russischstämmige Außenminister Avigdor Lieberman hat Wladimir Putin mehrfach besucht und kommuniziert mit ihm ohne Dolmetscher. Kürzlich besuchte Verteidigungsminister Mosche Ja‘alon Indien und unterzeichnete ein größeres Waffengeschäft. Auch mit China gibt es zunehmend engere Beziehungen. Israel tut offensichtlich alles, um die vermeintlich alleinige Abhängigkeit von den USA aufzufächern. Dagegen wird die amerikanische Militärhilfe in Höhe von drei Milliarden US-Dollar ins Feld geführt. Es stellt sich heraus, dass dieses Geld lediglich zehn Prozent des israelischen Militärhaushalts ausmacht. Bei seinem ersten Auftritt vor dem amerikanischen Kongress hatte Netanjahu angeboten, diese Zahlungen zu stornieren. Doch wurde er von israelischer Seite daran erinnert, dass dieses keine „freundliche Geste“ der Amerikaner sei. Vielmehr hätten sich die USA vertraglich verpflichtet, infolge des Friedensvertrags zwischen Israel und Ägypten den Umzug der israelischen Armee vom Sinai in die Negevwüste zu finanzieren. Die Beziehungen zwischen Jerusalem und Washington sind zwar eng und vertrauensvoll, aber sie sind keineswegs exklusiv und könnten durch andere Bündnisse ersetzt werden.

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