Den Thron bestieg Abdullah 2005. Die Staatsgeschäfte hatte er bereits Ende 1995 übernommen, nachdem sein Halbbruder König Fahd einen Schlaganfall erlitten hatte.
Abdullah hatte neun Frauen, vierzehn Söhne und zwanzig Töchter. Über seine Hauptfrau war er mit dem syrischen Präsidenten Baschar Assad verschwägert, dessen Herrschaft er in den vergangenen Jahren vehement bekämpfte.
Die Geschichte Saudi-Arabiens ist die des Hauses Saud, das seine Geschichte bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen kann. „Saudi-Arabien“ bedeutet übersetzt, „das Arabien von Saud“, es ist der Teil Arabiens, der Saud gehört. Dieses Selbstverständnis ist in allen Bereichen der Politik, Gesellschaft und Religion der Monarchie unübersehbar.
Mitte des 18. Jahrhunderts ging Scheich Muhammad Ibn Saud ein entscheidendes Bündnis ein mit dem islamischen Reformer Muhammad Ibn Abd al-Wahhab, der seine Nachfolger auf einen „gereinigten“ Glauben einschwor. Sie nannten sich selbst „Muslime“ und betrachteten alle, die ihre Lehren nicht befolgten, als „Nicht-Muslime“. Von ihren Gegnern wurden die Nachfolger Al-Wahhabs bald „Wahhabiten“ genannt. Al-Wahhab sah sich der theologischen Schule des Hanbalismus verpflichtet, die jegliche Neuerung verwirft und einzig die geheiligten Texte gelten lässt, den Koran und die Sunna, die Sammlung von Taten und Worten des Propheten.
1744 wurde dieses Bündnis durch die Heirat von Ibn Sauds Sohn, Abdul Asis, mit einer Tochter Al-Wahhabs besiegelt. Der Wahhabismus ist bis heute maßgebende Ideologie Saudi-Arabiens. Zudem liegen die gemeinsamen ideologisch-religiösen Wurzeln von Bewegungen, wie der ägyptischen Muslimbruderschaft, der palästinensischen Hamas, des Islamischen Dschihad und anderer so genannter islamistischer Gruppierungen, bis hin zum Salafismus, der Al-Qaida und dem Islamischen Staat, in der Lehre von Al-Wahhab.
Die Geschichte der Sauds ist eine Kette von Stammesfehden, Raubzügen, Bündnissen, diplomatischen Schachzügen und Intrigen, bis sie sich in den 1920er Jahren gegen die Haschemiten in Mekka durchsetzen konnten. 1932 erklärte sich Abdul Asis Ibn Abdul Rahman Al Saud zum König von Saudi-Arabien. 1938 wurde in der Wüste das Öl entdeckt, das den Reichtum dieses Landes begründet.
22 Frauen sollen Abdul Asis mehr als 50 Söhne geschenkt haben. Der jetzt verstorbene König Abdullah war der zehnte von ihnen. Gegenwärtig soll das Königshaus Saud mehr als 7.000 Prinzen zählen. Experten schätzen die Gesamtzahl der königlichen Familienmitglieder auf bis zu 30.000.
König Abdullahs Nachfolger ist sein angeblich 79-jähriger Halbbruder Salman, der 25. Sohn von Abdul Asis. Salman Ibn Abdul Asis Al Saud war seit 2011 Kronprinz und Verteidigungsminister, davor fünf Jahrzehnte lang Gouverneur der Provinz Riad. Er gehört seit Jahrzehnten zur herrschenden Prinzenclique und ist bekannt für sein diplomatisches Geschick, wenn es darum geht, Auseinandersetzungen innerhalb der königlichen Familie zu schlichten. Salman hat weit reichende Verbindungen unter den Wüstenstämmen auf der arabischen Halbinsel und übt durch ein Netzwerk von Familienfirmen, zu denen auch die bekannte Zeitung „A-Schark al-Awsat“ gehört, großen Einfluss aus. Im vergangenen Jahr hatte er bereits zunehmend die königlichen Pflichten seines kranken Bruders übernommen.
„In Saudi-Arabien ist Demokratie unmöglich“
König Salman unterstützte die vorsichtigen Reformen Abdullahs, äußerte aber auch Bedenken, sie würden zu schnell umgesetzt. 2010 erklärte er einer amerikanischen Journalistin, so wie die Amerikaner durch die Demokratie geeint würden, werde Saudi-Arabien durch das Haus Saud zusammengehalten. „In Saudi-Arabien ist Demokratie unmöglich“, meinte damals Salman, „sonst wäre jeder Stamm eine Partei und wir würden wie der Irak im Chaos versinken“. Der neue Kronprinz Mukrin, ein weiterer Halbbruder, wird in diesem Jahr sein 70. Lebensjahr vollenden.
2002 initiierte König Abdullah die so genannte saudische Friedensinitiative für den israelisch-palästinensischen Konflikt. Darin wird Israel zum Rückzug auf die Waffenstillstandslinien von vor 1967 aufgefordert. Im Westjordanland und Gazastreifen soll ein unabhängiger Palästinenserstaat mit Hauptstadt Jerusalem entstehen. Im Rahmen eines umfassenden regionalen Friedensschlusses wird Israel eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen angeboten. Diese Initiative wird allerdings nicht nur von einer Reihe arabischer Staaten abgelehnt, sondern ist auch von israelischer Seite aus rein praktischen Gründen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht umsetzbar.
Abdullah war eine treibende Kraft hinter den Aufständischen gegen Syriens Präsident Assad und unterstützte 2012 spontan den Militärputsch unter Führung von Abdel Fatah as-Sisi in Ägypten.
In den vergangenen Jahren hatte der alte König Abdullah vorsichtig Veränderungen in seinem islamischen Wüstenkönigreich angestoßen. Wirtschaftlich hat er die Zügel gelockert und, eher symbolisch, die Rechte von Frauen verbessert. Doch in punkto Demokratie hat sich nichts verändert und gegenüber dem Iran war er, nicht zuletzt im Blick auf die eigenen großen schiitischen Minderheiten im ölreichen Nordosten seines Landes, unnachgiebig hart.
Nach seinem Ableben wurde König Abdullah von Politikern weltweit gelobt. So meinte Großbritanniens Premierminister David Cameron, Abdullah habe die Verständigung zwischen den Religionen gestärkt. Christine Lagarde, geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfords, hielt ihn für einen „starken Fürsprecher der Frauen“ und Tony Blair pries ihn als „fähigen Modernisierer“.
Wer Saudi-Arabien aus menschlicher Sicht beobachtet und an westlichen Vorstellungen misst, reibt sich bei derlei Aussagen von führenden europäischen Politikern verwundert die Augen. So errang Saudi-Arabien in punkto bürgerliche und politische Freiheiten 2014 von der amerikanischen Nichtregierungsorganisation „Freedom House“ die schlechtmöglichste Note, neben Nordkorea und Turkmenistan.
„Guter“ und „schlechter“ Terror
Der saudische Blogger Raif Badawi erhielt beispielsweise noch wenige Tage vor Abdullahs Tod die ersten 50 von 1.000 Schlägen, zu denen er verurteilt worden war, weil er auf seinem Blog Redefreiheit gefordert hatte.
Das Rechtssystem Saudi-Arabiens ist für Nichtexperten schwer von der des „Islamischen Staats“ in Irak und Syrien zu unterscheiden. Beide gründen sich auf der ultra-konservativen Hanbali-Rechtsschule. Deshalb erstaunt kaum, dass viele der Richter des „Islamischen Staats“ aus Saudi-Arabien stammen. Hier wie dort gibt es kein objektiv festgelegtes Rechtssystem, das die Scharia, das islamische Recht, verbindlich auslegt. Vielmehr verhängen Richter die Strafen entsprechend ihrer persönlichen Interpretation der islamischen Schriften.
Diebstahl wird in Saudi-Arabien wie im „Islamischen Staat“ mit der Amputation von Händen oder Füßen geahndet. Auf Ehebruch und andere gesellschaftliche Entgleisungen steht Steinigung. Aufruhr, Autodiebstahl, Zauberei und Drogenschmuggel gehören zu den Verbrechen, die mit Enthauptung geahndet werden können. 2014 wurden in Saudi-Arabien 87 Menschen enthauptet.
Saudi-Arabien ist das letzte Land der Welt, in dem Frauen das Autofahren grundsätzlich untersagt ist. In praktisch allen Lebensbereichen sind Frauen auf ihren jeweiligen Vormund angewiesen. Selbst vor Gericht ist die Aussage einer Frau nur halb so viel wert, wie die eines Mannes.
Wikileaks offenbarte 2010, dass die USA ihren engsten Verbündeten in der arabischen Welt als größte Geldquelle des sunnitischen Terrorismus weltweit einschätzen. Dabei scheinen die Saudis zwischen „guten“ und „schlechten“ Terroristen zu unterscheiden. Gut sind vor allem die Terroristen, die wahhabitische Ideologie verbreiten, seien dies nun Tschetschenen in Russland oder Anti-Assad-Rebellen in Syrien