Der Vorfall ereignete sich in der Nacht zum Freitag im Ostjerusalemer Viertel Silwan. Ein 50 Jahre alter Palästinenser wurde von einem Familienangehörigen erstochen, weil er angeblich eine Wohnung an Juden verkauft hat. Der Mann wurde im Al-Mukassed-Hospital auf dem Ölberg für tot erklärt. Die Polizei prüft den Fall und spricht noch von einer „Familienfehde“, während Nachbarn den Wohnungsverkauf an Juden als Mordmotiv angeben. Fadi Maragha, ein Vertreter der Fatah-Partei, erklärte der Tageszeitung „Jerusalem Post“, dass derjenige, der eine Wohnung an Juden verkaufe, sterben müsse.
Die Elad-Stiftung widersprach der Darstellung der Nachbarn. Sie sorgt dafür, dass Juden leichter Grundbesitz in arabisch dominierten Stadtteilen kaufen können. Der Direktor für internationale Angelegenheiten, Se‘ev Orenstein, stellte via E-Mail gegenüber der Online-Zeitung „Times of Israel“ klar: „Es gibt absolut keine Verbindung zwischen den Parteien, die an der Tötung in Silwan Donnerstagnacht beteiligt waren, und irgendeiner Immobilientransaktion zwischen Juden und Arabern in der Nachbarschaft.“ Kontext der Vorfälle sei ein örtlicher Familienzwist.
„Zuzug von Juden ist kriminell“
Vor zwei Wochen geriet Silwan in weltweite Schlagzeilen, nachdem israelische Juden dort 25 Wohnungen für jeweils eine Million Dollar von Arabern gekauft und sie unter Polizeischutz bezogen hatten. Dabei brachten sie die passenden Hausschlüssel mit. Bei gewaltsamen Protesten arabischer Anwohner erlitt ein Grenzpolizist durch einen Stein leichte Verletzungen.
Die jüdische Aktion wurde von den USA, europäischen Regierungen und den Palästinensern scharf verurteilt. US-Präsident Barack Obama beschuldigte den israelischen Premier Benjamin Netanjahu, mit dieser Aktion die „Atmosphäre zu vergiften“.
Der palästinensische Verhandlungschef bei den Friedensgesprächen, Saeb Erekat, erklärte: „Illegale israelische Siedler sind unter dem Schutz der Besatzungskräfte in sieben Gebäude in Silwan eingedrungen.“ Sieben palästinensische Familien seien obdachlos geworden. Erekat bezichtigte die „von Siedlern geführte“ israelische Regierung des „Landraubs“ und des Versuchs, die „palästinensische Identität“ insbesondere in Ostjerusalem zu ändern.
Der Jerusalemer Mufti, Scheich Muhammad Hussein, bezeichnete den Einzug von Juden im Viertel Silwan als „kriminellen Akt”, der die „Verjudung” Jerusalems vorantreibe. Unter rund 50.000 arabischen Einwohnern des Viertels leben heute 500 Juden, was einem Prozent entspricht. Zum Vergleich: In Deutschlands Hauptstadt Berlin haben 13,5 Prozent der Einwohner nicht einmal die deutsche Staatsangehörigkeit.
Ein Polizeisprecher erklärte, dass die Wohnungen „legal“ gekauft worden seien. Den neuen jüdischen Besitzern sei Polizeischutz geboten worden, um „Reibungen mit den arabischen Nachbarn“ zu vermeiden.
Die „obdachlosen“ Familien bestätigten, ihre Wohnungen an einen Araber aus Taibeh, Farid Hadsch Jahja, verkauft zu haben. Er habe als Strohmann der jüdischen Käufer gedient, was dieser jedoch laut der Tageszeitung „Ha‘aretz“ dementiert. „Falls jemand mit einem Dokument belegen kann, dass ich auch nur einen Quadratzentimeter an Siedler verkauft habe, gehe ich freiwillig nach Ramallah, um mich einem Hinrichtungskommando zu stellen.“
Laut Gesetz der Autonomiebehörde steht auf den Verkauf von Land an Juden die Todesstrafe. In der Vergangenheit sind deswegen mehrere Palästinenser auch ohne Gerichtsprozess getötet worden.
Gründung jemenitischer Juden
Die Besitzverhältnisse in Silwan sind kompliziert. Die meisten Häuser sind ohne jede Baugenehmigung nach 1967 errichtet worden. Bei Gerichtsprozessen konnten Juden ihre Besitzansprüche mit entsprechenden Grundbucheintragungen nachweisen. Die palästinensischen Bewohner entrichteten weder Stadtsteuern, noch zahlten sie Strom- oder Wasserrechnungen, sodass sie dem Richter keinerlei Papiere auf ihren Namen zeigen konnten. Bei allem Bemühen, Hinweise auf Wohnrechte der Palästinenser zu entdecken, bleibt dem Richter keine Wahl – er muss den arabischen Bewohnern einen Räumungsbefehl erteilen.
Silwan ist ein ursprünglich von jemenitischen Juden um 1880 gegründetes Dorf an einem Abhang nahe der Altstadt Jerusalems. Bei Ausgrabungen seit 1920 wurden auf dem Abhang die ältesten Spuren Jerusalems gefunden, darunter Befestigungen der kanaanäischen Jebusiter, durch die König David laut biblischem Bericht in die Stadt eindringen und sie erobern konnte. Vor einigen Jahren wurde ein riesiges öffentliches Gebäude freigelegt, das als „Palast Davids“ interpretiert worden ist. 1911 hat der jüdische Mäzen Baron Rothschild Teile des Hügels aufgekauft, um wilden Bau arabischer Wohnhäuser zu verhindern.
Das Ausgrabungsgelände, die „Davidstadt“, ist zu einer der populärsten Attraktionen Jerusalems für jüdische und christliche Touristen geworden, während Moslems bestreiten, dass Jerusalem und der salomonische Tempel in biblischer Zeit existiert haben. Palästinenser und linksgerichtete Israelis führen einen erbitterten Kampf gegen die Ausgrabungen, weil sie als Versuch rechtsgerichteter Israelis gelten, politische Ansprüche auf Jerusalem zu rechtfertigen.